Viele Themen standen auf der Agenda des G20-Treffens am Wochenende in Indien. Klimaschutz etwa, Welternährung oder die internationale Finanzordnung. Und gleich zu Beginn der Zusammenkunft der führenden Industrie- und Schwellenländer verkündete Indiens Premier und Gastgeber Narendra Modi, dass die Afrikanische Union als neues Mitglied aufgenommen wird.

Der G20-Gipfel in Delhi
Die Staats- und Regierungschefs der G20-Staaten hatten bei ihrer Zusammenkunft in Indien einiges zu besprechen. Künftig wird ein weiterer Sessel am runden Tisch notwendig sein.
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Es ist ein großer Erfolg, einerseits für Modi, der sich gerne als Anführer des Globalen Südens sieht, andererseits für den Kontinent Afrika, der bislang nur durch Südafrika bei der G20 vertreten war. Doch das alles wurde rasch überschattet von den ausführlichen Debatten über den Ukrainekrieg und die Art und Weise, wie er in der Abschlusserklärung festgehalten werden sollte.

Pekings Druck auf Moskau

Im letzten Jahr hatte die G20 bei ihrem Treffen auf Bali den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine noch beim Namen genannt und kritisiert. Moskau stimmte der Abschlusserklärung auf Druck Pekings zu. Diesmal aber ließen sich Russland und China nicht mehr darauf ein. Und so einigte man sich auf einen sogenannten Formelkompromiss – also eine Formulierung, bei der jede Seite behaupten kann, sich durchgesetzt zu haben, während der eigentliche Konflikt ungelöst bleibt.

Im aktuellen Fall wird in Sachen Ukrainekrieg nur noch auf entsprechende Resolutionen der Vereinten Nationen verwiesen – und allgemein auf die territoriale Integrität von Staaten, also die Unverletzlichkeit von Grenzen. Nicht überraschend also, dass Russlands Außenminister Sergej Lawrow, der statt Wladimir Putin am Gipfel teilnahm, das Treffen als "diplomatischen Erfolg" bezeichnete. Die Ukraine kritisierte die Abschlusserklärung. "Die G20 hat nichts, worauf sie stolz sein kann", schrieb der Sprecher des Außenministeriums in Kiew, Oleh Nikolenko auf X (vormals Twitter).

Lob aus dem Westen

Westliche Länder wie die USA und Deutschland versuchten den Gipfel als Erfolg zu verkaufen. Die Abschlusserklärung sei "ein großer Schritt nach vorn" – etwa mit Blick auf die Souveränität und territoriale Integrität von Staaten, sagte der stellvertretende nationale Sicherheitsberater der USA, Jon Finer. Und der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte, es habe ein "klares Bekenntnis" dazu gegeben, dass die territoriale Integrität von Staaten wie der Ukraine außer Frage stehe.

Tatsächlich aber ist der Westen vor Russland und China eingeknickt, und es stellt sich die Frage nach dem Warum. Der offensichtlichste Grund ist, dass man Moskau dazu bewegen möchte, wieder zum Getreidedeal zurückzukehren. Dieser hatte trotz des Krieges den Export von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer ermöglicht.

Doch kein Todesstoß

Der zweite Grund ist eher existenzieller Natur. Hätte es keine Abschlusserklärung gegeben und wäre der Gipfel damit gescheitert, dann, so ein westlicher Verhandlungsteilnehmer zur Deutschen Presseagentur, hätte er schon folgende Schlagzeilen vor sich gesehen: "Das Ende der G20" oder "Todesstoß für die G20". Und das in Zeiten, in denen andere Bündnisse wie die G7 oder Brics immer bedeutender werden. Man habe also dem Kompromiss zugestimmt, um die G20 am Leben zu halten.

Für US-Präsident Joe Biden war mit dem Ende des G20-Gipfels noch nicht Schluss mit den Auslandsbesuchen. Im Anschluss flog er nach Vietnam weiter, um die Zusammenarbeit mit Hanoi zu intensivieren und so auf Chinas wachsenden Einfluss im Indopazifik zu reagieren.

Gleichzeitig begann am Sonntag im russischen Wladiwostok das viertägige Östliche Wirtschaftsforum. Dort soll US-Berichten zufolge Putin mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-un zusammentreffen. Am ersten Tag gab es dafür aber keine Anzeichen. (Kim Son Hoang, 10.9.2023)