Babler Doskozil
Andreas Babler und Hans Peter Doskozil beim außergewöhnlichen Sonderparteitag in Linz.
Heribert Corn

Viele Politiker sind bekanntlich Heuchler, und sie heucheln auch, wenn sie den Vorwurf der Heuchelei gegen die politischen Gegner erheben. Seltener ist die öffentlich zur Schau gestellte Heuchelei in politischen Krisenzeiten gegen die eigenen Parteifreunde. Diese kann man, wie in einem Labor, in der SPÖ-Führung im Burgenland studieren.

Nach dem letzten SPÖ-Parteitag hatte der gescheiterte Kandidat, der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, erklärt, für ihn sei die Bundespolitik für immer vorbei, und er werde weiterhin nicht im Parteipräsidium und -vorstand mitwirken.

Burgenländische Lösungen

Die soeben zurückgetretene burgenländische Landtagspräsidentin Verena Dunst vertritt ihn weiterhin in den Spitzengremien. Was der neue Parteivorsitzende Andreas Babler von ihr erwarten kann, hat sie in einem Interview klargestellt. Ob Babler die sozialdemokratische Regierungsbeteiligung mit seinen Ideen schaffe, sei fraglich: "Die Chance wäre mit Doskozil hundertmal größer gewesen, weil er Problemstellungen so löst, dass er die Zustimmung der Menschen hat. Ich fürchte, das wird Babler nicht schaffen." Ihr Vorschlag? Babler sollte burgenländische Lösungen übernehmen …

Das wird freilich ein bisschen schwierig sein. Am vergangenen Dienstag hat nämlich Babler bei seinem Aufenthalt in Pinkafeld während seiner Österreich-Tour die Solidarität der burgenländischen Spitzengenossen sozusagen hautnah erlebt. Nicht einmal der SPÖ-Bürgermeister konnte Zeit finden, um den Parteivorsitzenden zu begrüßen. Mit Landeshauptmann Doskozil, der einen vorher festgelegten Termin in Deutschland hatte, gab es nicht einmal Kontakte wegen eines von Babler voreilig angekündigten gemeinsamen Auftritts (siehe "Große Umarmung", DER STANDARD, 9./10. 9. 2023).

Es dürfte zum ersten Mal in der österreichischen Politik sein, dass sich eine Landesorganisation der regierenden Partei eines Bundeslandes, wie die SPÖ in Burgenland, angeführt vom Landeshauptmann, so lange und so demonstrativ von der Bundespartei und ihren letzten zwei Vorsitzenden absetzt.

SPÖ-Misere

Für ihn sei ja die Bundespolitik beendet, wiederholte Doskozil in drei langen Interviews in einer knappen Woche (Kronen Zeitung, News und ORF Burgenland). Einen Tag nach Bablers einsamem Besuch in Pinkafeld konnte er die Frage nicht beantworten, warum kein führender Genosse Babler getroffen hatte. In allen Interviews griff indessen Doskozil die SPÖ-Gewerkschafter im Nationalrat wegen der Erhöhung der Politikergehälter an, zerfetzte ohne Namensnennung umstrittene Ideen Bablers wie die 32-Stunden-Woche, reklamierte die burgenländischen Lösungen für Mindestlohn und den Gesundheitsdienst und richtete dem "sehr bemühten" Babler aus: "Seine Aufgabe ist zu wissen, wie er eine Wahl gewinnt."

Doskozil, ein regional erfolgreicher Politiker, pocht stets auf sein Wahlergebnis (49,9 Prozent) bei der letzten Landtagswahl und vergleicht es mit der Bundes-SPÖ, die in den Umfragen "irgendwo bei 22,23 Prozent liegt". Er beklagt sich über die "verhasste Stimmung" gegenüber ihm im Parteipräsidium damals vor dem Parteitag. Über seinen Beitrag zur SPÖ-Misere sprechen allerdings hinter vorgehaltener Hand nur andere Genossen. (Paul Lendvai, 11.9.2023)