Die Militärübung amerikanischer und armenischer Soldaten, die in diesen Tagen stattfindet, ist ein Symbol. Aber eher ein ganz kleines Symbol. "Eagle Partner 2023" heißt die Übung großspurig, es gehe um die Stabilisierung von Konflikten im Rahmen internationaler Friedensmissionen, so das armenische Verteidigungsministerium. In Wahrheit nehmen gerade mal 85 Soldaten und Soldatinnen aus den USA und 175 aus Armenien teil. Bewaffnet mit Gewehren, nicht aber mit schweren Waffen.

Ein armenischer Soldat in Bergkarabach.
Ein armenischer Soldat in einem Dorf in Bergkarabach. Dort fehlt es praktisch an allem.
REUTERS/ARTEM MIKRYUKOV

Etwas aus der Reserve gelockt hat das Minimanöver Russland aber schon. Die Übung erfordere die Wachsamkeit Russlands, man beobachte die Vorgänge genau, sagt Kreml-Sprecher Dmitri Peskow: "Natürlich erregen solche Nachrichten Besorgnis, insbesondere in der gegenwärtigen Lage."

Dauerkonflikt Bergkarabach

Russland ist Schutzmacht Armeniens. Geht es aber um Bergkarabach, um das sich Armenien mit dem Nachbarn Aserbaidschan streitet, ist Russland eine eher zögerliche Schutzmacht. Die beiden Ex-Sowjetstaaten kämpfen seit Jahrzehnten um die Region Bergkarabach, die eigentlich zu Aserbaidschan gehört, aber mehrheitlich von Armeniern bewohnt wird. Es ist ein Konflikt von vielen, die nach dem Zerfall der Sowjetunion entstanden sind.

In Bergkarabach herrscht Krieg. Tag für Tag. Seit Monaten blockieren Aserbaidschaner den Latschin-Korridor, den einzigen Zugang Armeniens zu Bergkarabach. Seit den Kämpfen von 2020 überwachen russische Schutztruppen einen brüchigen Waffenstillstand, allerdings nur sehr halbherzig. Denn Aserbaidschans Schutzmacht ist die Türkei. Und mit der will es sich der Kreml nicht verscherzen. Die Türkei trägt die Sanktionen des Westens im Ukrainekrieg nicht mit, viele sanktionierte Waren kommen auf diesem Umweg ins Land.

Armeniens Regierungschef Nikol Paschinjan will nun ein Zeichen setzen. Eine geplante Militärübung des Militärbündnisses OVKS, eine Art Gegen-Nato Russlands, hat er als zwecklos abgesagt. In einem Interview mit der italienischen Zeitung "La Repubblica" erklärte Paschinjan, Russland habe dabei versagt, Armenien vor den Aggressionen Aserbaidschans zu schützen.

Skeptisch gegenüber dem Westen

Ist Armenien also unterwegs in Richtung Westen? Ganz so einfach ist es nicht. Spricht man mit den Menschen in der armenischen Hauptstadt Jerewan, überwiegt Skepsis. Sicher, die Russen würden nur halbherzig helfen. Aber der Westen tue eben auch nichts. Gar nichts, über mehrere Kriege hinweg, hört man. Der Grund sei einfach: Armenien ist geopolitisch unwichtig – im Gegensatz etwa zur Ukraine. Also doch lieber Russland.

Auch wenn Aserbaidschan irgendwann wieder den Zugang zu dieser Region freigibt, wird der Krieg dort weitergehen. Und derzeit? In Bergkarabach gibt es buchstäblich einen Mangel an allem. Nahrungsmittel fehlen, natürlich auch Medikamente. Menschen sind bereits verhungert, wird berichtet. Dafür sollte sich der Westen interessieren, sofern die wertorientierte Außenpolitik so werteorientiert ist, wie sie vorgibt. Schließlich ist Aserbaidschans Schutzmacht Türkei eben auch Nato-Mitglied. (Jo Angerer, 12.9.2023)