Eine offene Koalitionskrise ist vorerst abgewendet. Die Grünen müssen sich nach den Ereignissen der vergangenen Stunden allerdings fragen, was sie in der Regierung noch genau wollen.

Die ÖVP-Politikerin Tanja Graf hat dem Kurier gesagt, ihre Partei wolle sich das Erneuerbaren-Wärme-Gesetz (EWG) nochmals "mit Hausverstand" anschauen. Das zwischen ÖVP und Grünen bereits paktierte Gesetz gilt als klimapolitisches Leuchtturmprojekt der Koalition, weil es dem fossilen Heizen in Gebäuden ein Ablaufdatum verpasst. 2040 soll mit Öl- und Gasheizungen Schluss sein, im Neubau schon früher. Das Regelwerk ist für den Klimaschutz wichtig, weil zehn Prozent der Emissionen von Gebäuden kommen. Ohne Öl- und Gasheizungen sinkt der Wert. Und wenn Österreich weniger dieser Rohstoffe einkaufen muss, fließt nebenbei weniger "Blutgeld" nach Russland und in andere despotisch regierte Länder. Wenn das Gesetz also scheitert, wäre das schade. Doch danach sieht es derzeit aus.

Zwar beteuerten prompt die Klubchefs von ÖVP und Grünen, August Wöginger und Sigrid Maurer, dass an dem Vorhaben nicht gerüttelt werde. Aber das beruhigt kaum. Offen ankündigen, ein ausverhandeltes Paket sterben zu lassen, kann die ÖVP-Führung nicht – wohl kann sie das Vorhaben aber leise begraben oder so verwässern, dass von dem Vorschlag wenig übrig bleibt.

Aus Sicht der ÖVP wäre das nicht verkehrt. Die Volkspartei will ein Jahr vor dem regulären Termin der Nationalratswahl eine Flanke zur FPÖ schließen und sich für Kritik wappnen, beim Klimaschutz zu eifrig zu sein. Zugleich hält sie ihre schützende Hand über Vermieter, die einen teuren Tausch der Heizsysteme fürchten. Das sind legitime Positionen, um sie zu vertreten, wurde die ÖVP gewählt.

Grüne Klubchefin Sigrid Maurer und August Wöginger (ÖVP)
APA

Für die Grünen ist Klimaschutz hingegen die Daseinsberechtigung. Und sie müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, ihr politisches Gewicht nicht richtig ausgespielt zu haben. Im Gegenteil: Sie lassen sich da von der ÖVP vorführen. Im vergangenen Herbst wurde das Wärmegesetz in der Koalition vereinbart. Das Gesetz braucht eine Zweidrittelmehrheit – und die SPÖ sagte Nein. Die ÖVP musste also nicht einmal selbst die Njet-Karte ziehen.

Punkten mit Argumenten

Andere, für die ÖVP wichtige Vorhaben wurden fast zeitgleich auf Schiene gebracht. So die Abschaffung der kalten Progression oder Energiehilfen für Unternehmen. Nun haben die Grünen dafür auch Dinge bekommen wie die Indexierung von Sozialleistungen an die Inflation. Aber im Vergleich zu den ÖVP-Erfolgen ist das überschaubar. Und die erwähnten Punkte stehen nicht im Koalitionsabkommen, das Wärmegesetz sehr wohl.

Hier zeigt sich ein grünes Problem: Die Partei glaubt, mit Argumenten zu punkten. Dass wir weg von Öl und Gas müssen, werde die ÖVP doch verstehen. Aber so tickt die Volkspartei nicht. Sie beherrscht Politik und sieht ihre Aufgabe darin, ihren Wählerinnen und Wählern Vorteile zu verschaffen.

An dieser Flanke packen die Grünen zu selten zu: Warum wurde das Wärmegesetz nicht mit den für die ÖVP zentralen Projekten junktimiert? Dann hätte man als Koalition der SPÖ für ihr Ja zum Gesetz etwas anbieten können, was diese nicht ablehnen kann. Stattdessen spielen ÖVP und SPÖ Pingpong mit den Grünen. Diese werden sich etwas überlegen müssen. (András Szigetvari, 13.9.2023)