Von links: Barbara Stilke, Bettina Ruprechter und Annemarie Reisinger-Treiber haben den Verein Mufa gegründet - Musik für alle.
Barbara Stilke, Bettina Ruprechter und Annemarie Reisinger-Treiber (von links) haben den Verein Mufa gegründet – Musik für alle.
Regine Hendrich

Lange nachdem das Mikrofon abgedreht und das Gespräch in ein Anekdoten-Pingpong über die Musikindustrie übergegangen ist, sagt Barbara Stilke den Satz: "Ein Wahnsinn, was wir uns alles haben bieten lassen." Annemarie Reisinger-Treiber und Tina Ruprechter nicken zustimmend. Die drei sind Profis im Musikgeschäft. Und das ging nicht ohne Erfahrungen, von denen manche im Rückblick unerhört wirken. Vor allem die Umgangsformen mancher Männer empören sie noch heute. Zusammen haben die drei gerade einen Verein gegründet: Mufa.

Das steht für "Musik für alle", und der Verein setzt sich für Geschlechtergerechtigkeit in der österreichischen Musikbranche ein.

Die Gründerinnen bringen jede Menge Erfahrung mit: im Produktmanagement, mit Künstleraufbau und Marketingkampagnen. Sie haben für und mit berühmten nationalen und internationalen Acts gearbeitet. Auf Nachfrage fallen Namen wie Metallica, Nine Inch Nails, Wanda, Eminem, Ed Sheeran, Bruno Mars und viele mehr. Sie jobbten bei Warner oder Universal Music, haben die Industrie hinter sich gelassen – nicht aber die Musik.

Nichts gegen Männer!

Annemarie Reisinger-Treiber ist eine Hälfte der Agentur Parramatta, mit der sie seit Jahren erfolgreich mit Acts wie Oska arbeitet. Daneben sitzt sie im Vorstand des Verbands der österreichischen Musikwirtschaft – als eine von zwei Frauen.

Tina Ruprechter ist seit 2008 selbstständig. Sie arbeitet vorwiegend im Künstleraufbau, im Marketing und unterrichtet das am Wifi im Musikwirtschaftslehrgang. Barbara Stilke hat sich nach 20 Jahren bei Universal selbstständig gemacht und gerade die Agentur "Die Copilotin" gegründet. Zurzeit arbeitet sie etwa für Christina Stürmer und deren im Herbst erscheinendes MTV Unplugged-Album .

Auf der Mufa-Homepage steht als Mission-Statement: Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, Frauen und andere unterrepräsentierte Gruppen sichtbar zu machen, zu unterstützen, ihre Karrieren voranzutreiben und eine gleichberechtigte Teilhabe am musikalischen Schaffen zu ermöglichen. "Wobei", sagt Stilke, "damit das klar ist: Wir sind kein Verein gegen Männer." Das Ziel sei, sagt Reisinger-Treiber, dass man irgendwann darüber hinwegkommt, überhaupt über Geschlechter nachzudenken, und es einfach wirklich Musik für alle ist. Das ist noch ein Weg, und das wissen sie.

Ruprechter hat im Sommer versucht, genderrelevante Daten zu erheben. Sie hat Jahrescharts und Airplay von heimischen Radiostationen untersucht, die Anteile an Autorinnen im Geschäft erhoben und Ähnliches mehr – so es möglich war: "Oft gibt es ja nicht einmal genderrelevante Daten, da weiß man dann auch gleich, wie hoch das Thema hängt." Das deutlich zu machen und zu ändern ist eines der vielen Ziele des Mufa, in manchen europäischen Ländern gibt es zurzeit ähnliche Projekte, mit diesen schließen sie sich gerade kurz.

Mehr Role-Models

Mufa will etwa ein Mentorinnenprogramm etablieren, das weibliche Role-Models stärker präsentiert, Hilfe bei Themen wie Finanzierung und Förderung geben oder eine Idee wie "On Stage" verwirklichen. Das hat Ruprechter sich bei Konstantin Wecker abgeschaut. Der holt junge, noch wenig bekannte Musikerinnen und Musiker im Rahmen seiner Konzerte auf die Bühne. Und zwar nicht bloß als Vorgruppe, die das halbe Publikum sowieso auslässt, sondern er präsentiert sie während seines Programms.

Derlei Ideen gibt es viele, zuerst aber will Mufa einfach für all die Einzelkämpferinnen und Einzelkämpfer da draußen als Anlaufstelle dienen. "Viele wissen oft gar nicht, wie weit sie eigentlich sind oder was der nächste logische Schritt wäre", sagt Reisinger-Treiber.

Mit dem Mica gibt es so eine Anlaufstelle zwar schon, und das heißen die drei ausdrücklich gut, aber das reicht halt nicht. Da geht noch mehr, das geht noch besser, praxisnäher, sagt Ruprechter: "Unser Know-how ist eigentlich unbezahlbar, mit uns sitzen schließlich 60 Jahre Erfahrung in der Musikindustrie an einem Tisch." (Karl Fluch, 25.9.2023)