Hat aus der Pandemie das Beste gemacht und jetzt ein neues Album veröffentlicht: Kylie Minogue.
Hat aus der Pandemie das Beste gemacht und jetzt ein neues Album veröffentlicht: Kylie Minogue.
c: erik melvin

Selbst nicht beengt in Zweizimmerwohnungen lebende Stars wie Kylie Minogue waren froh, als die Pandemie für beendet erklärt wurde – selbst wenn das Virus bleibt. So wie Karies, Autotune oder Disco-Pop. Und da ist man schon im Thema: Disco-Pop ist die Kernkompetenz der Australierin. Das belegt ihr neues Album Tension. Da kürzt sie gleich im ersten Song das mühsame Wort "Pandemic" auf ein party-taugliches "Padam" zusammen. Hochbegabt, kein Zweifel.

Der schon im Juni veröffentlichte Song Padam Padam wird nach diesem semantischen Kunstgriff zum Mantra für ein Leben unter der Discokugel, steht für Hedonismus ohne Sorgenfalten, schmusen ohne FFP2-Hemmnis. Disco wie früher. Na ja, nicht ganz. Denn auch Kylie Ann Minogue hat mit 55 Jahren die Vorzüge des Schlafes vor Mitternacht entdeckt: Lieber früh aus den Federn als zu spät hinein. Doch das hält sie nicht davon ab, eine Musik zu produzieren, die den Fans die Nacht versüßt. Also auf der Tanzfläche, wo Licht und Leiber zucken, der Schneepflug am Klo nicht durchkommt und die Stimmung auf Anbahnung und Vollzug steht. Geilo.

Party mit Minnie Mouse

Tension bietet für diesen Erregungszustand elf Songs. Wobei man sich nach dem ersten Durchhören dieses 16. Studioalbums beim besten Willen an keinen erinnern kann. Elf Mal gute Laune mit erbaulichen Texten, in denen zwecks Anpassung der Fallhöhe auf Amore leise Zweifel und Schmolltöne als dramatische Höhepunkte eingestreut sind. Ansonsten: Minnie Mouse geht auf die Party. Schon der Opener Pandam Pandam klingt mit seiner Stimmverfremdungstechnik wie eine Einladung an die Jüngsten im Publikum. Das kann man als etwas würdelos abtun. Andererseits war Minogue nie anders, ist also konsequent und versucht nicht – anders als Madonna –, sich mit allen (baulichen) Mitteln ständig neu zu erfinden.

Kylie Minogue - Tension (Official Video)
Kylie Minogue

Stellenweise taucht eine Gitarre auf, die an die britischen Dancefloor-Melancholiker New Order erinnert – ohne deren Stimmung zu erreichen. Das ist nicht Minogues Terrain, wenngleich der Titelsong musikalisch nah am New-Order-Album Technique gebaut ist. Damit befindet man sich im Jahr 1988, und das illustriert zugleich die Zeitlosigkeit dieser Musik.

Zuletzt hat sie ihren Disco-Pop ja unter anderem auf dem Bauernhof aufgeführt, den Mirrorball in den Stall gehängt, um auf dem Album Golden die vermeintliche Aufgabe "Country" glamourös zu verfehlen. Viel zu kompliziert. Tension hingegen ist, und da wiederholt man sich schon, wie es die Lieder auf dem Album tun, Disco-Pop.

Inklusive Disco

Minogue als Idol der inklusiven Disco enttäuscht so betrachtet nicht. Ob sie während der Pandemie gelernt hat, ihren Gesang in französischen Luxushotels selbst aufzunehmen, oder nicht, wie sie es gerade in einigen Interviews erzählt, ist dabei so interessant wie das Wetter zurzeit der Aufnahmen. Für das Resultat ist es unerheblich, Minogue beherrscht die Klaviatur ihres Genres ausreichend, ihre heutige Routine wurzelt in den 1980ern, sie weiß, was sie kann und will, und das schon lange.

Tension ist also leidlich bekannter Mainstreampop von der Stange, aber natürlich doch in bester Qualität verarbeitet. Die Fans werden es lieben. Ob sie wirklich zuhören oder einfach auf Durchzug stellen, ist dabei egal. (Karl Fluch, 22.9.2023)