Eine rechtsextreme Allianz im EU-Parlament fordert, den 12. September zu einem EU-weiten Feiertag zu machen. Die FPÖ ist vorne mit dabei, unterzeichnet haben außerdem eine niederländische und eine italienische rechtspopulistischen Partei sowie die AfD. Die Schlacht am Wiener Kahlenberg, die sich heuer im September zum 340. Mal jährt, gilt als Anfang vom Ende der türkischen Hegemonialpolitik in Europa.

Lachhaft?

Zugegebenermaßen erzeugt diese Forderung zunächst belustigende Verwunderung. Auf der Plattform X, vormals Twitter, werden Witzchen über die Wiener Kaffeekultur gemacht und die Legenden vom Kipferl nacherzählt. Der Lacher bleibt aber jenen im Hals stecken, die sich daran erinnern, wie eine andere Schlacht auf europäischem Boden vor einigen Jahrzehnten für die (Neu-)Erschaffung eines Feindbildes, Hetze und die Befeuerung eines blutigen Konflikts instrumentalisiert wurde.

Schlacht am Kahlenberg, Öl auf Leinwand
Toni Schneiders / Interfoto / picturedesk.com

Gilt die Schlacht an Kahlenberg im Jahr 1683 als Anfang vom Ende der türkischen Präsenz in Europa, wird die Schlacht auf dem Amselfeld als deren Anfang wahrgenommen. Am 15. Juni, am Veitstag, stand auf dem Amselfeld im Kosovo dem osmanischen Heer eine christliche Fürstenallianz gegenüber. Der serbische Fürst Lazar Hrebeljanović, der an der Spitze der Allianz stand, fiel auf dem Amselfeld, ebenso wie der Anführer des osmanischen Heeres, Murad I.

Märtyrertod

Einige Jahrzehnte nach der Schlacht entsteht aus dem "Märtyrertod" Lazars und seiner Ritter der wichtigste serbischen Nationalmythos. Im 19. Jahrhundert lebte der Mythos wieder auf und diente dazu, die Serben zum Widerstand gegen die osmanische Herrschaft zu mobilisieren. Rund 100 Jahre später, im Juni 1989, hielt Slobodan Milošević seine berüchtigte Rede auf dem Amselfeld. Der später wegen Kriegsverbrechen angeklagte Milošević erinnerte daran, dass bei der Schlacht auf dem Amselfeld "Serbien nicht nur sich verteidigte, sondern auch ganz Europa". Mehrmals forderte er alle Serben zu Einheit und Einigkeit auf, denn 600 Jahre früher hätte sie Zwist und Verrat in den Untergang geführt. Milošević sprach außerdem von kommenden Kämpfen, denen sich das serbische Volk werde stellen müssen, und davon, dass diese "vielleicht auch mit Waffe" ausgetragen würden.

Was danach folgte, ist eines der blutigsten Kapitel der jüngsten europäische Geschichte.

Feindbilder schaffen

Miloševićs Beschwörungen des serbischen Heldentums, des Zwists und Verrats halten einer geschichtswissenschaftlichen Betrachtung der Schlacht auf dem Amselfeld nicht stand. Genauso weit von der Wahrheit sind die Rechtsextremen innerhalb der EU entfernt, wenn sie argumentieren, dass auf dem Kahlenberg "europäische Werte verteidigt wurden". Historische Präzision ist aber nicht ihre Absicht. Die Forderung nach einem Feiertag als Gedenken an eine Schlacht aus der Neuzeit dient lediglich als weiteres Puzzle der Neubegründung des Feindbildes Islam.

Europäern und insbesondere den EU-Staaten würde es tatsächlich guttun, über gemeinsame Werte und deren Verteidigung nachzudenken. Das Gegenteil findet jedoch statt: Es geht um die Verfestigung von Feindbildern. Diesen Diskurs befeuern wieder einmal die extrem Rechten. Ihre rückwärtsgewandten und gefährlichen Narrative brauchen wir nicht, es bräuchte Maßnahmen, die einer Spaltung der Gesellschaft entgegenwirken, statt diese zu verstärken. (Olivera Stajić, 14.9.2023)