Die Schlacht am Wiener Kahlenberg jährt sich heute, Dienstag, zwar schon zum 340. Mal, das Ende der Zweiten Wiener Türkenbelagerung spielt in rechten bis rechtsextremen Erzählungen aber eine immer größere Rolle. Das zeigt ein Entschließungsantrag mehrerer EU-Abgeordneter, die den 12. September zum EU-weiten Feiertag machen wollen. Damals, vor vier Jahrhunderten, seien "durch Zusammenarbeit zwischen den heutigen Mitgliedsstaaten europäische Werte erfolgreich verteidigt" und der "Anfang vom Ende der türkischen Hegemonialpolitik" eingeläutet worden, heißt es in dem Antrag.

Eingebracht haben ihn im Juli der freiheitliche EU-Abgeordnete Roman Haider, mehrere Abgeordnete der AfD sowie Abgeordnete der italienischen Lega, des niederländischen "Forums für Demokratie" (dessen Parteichef an die Herrschaft von Reptiloiden glaubt) sowie einer EU-skeptischen kroatischen Partei.

Sie wollen "den 12. September zu einem Gedenktag erklären, der in den EU-Institutionen als arbeitsfreier Tag mit besonderer Feiertagsruhe begangen" wird, und den EU-Mitgliedsstaaten die Einführung eines nationalen Feiertags empfehlen.

Der Entschließungsantrag von FPÖ und anderen.
Faksimilie

Identitäre Fackelzüge

Gefeiert wird der Jahrestag freilich schon jetzt. Die rechtsextreme Identitäre Bewegung veranstaltete etwa mehrere Jahre lang jeden 12. September einen Fackelzug auf den Kahlenberg. Der rechte Akademikerbund hielt heuer gar eine Veranstaltung "zum vorbildlichen Einsatz der christlichen Kämpfer gegen die Islamisierung Europas" ab, für die unter anderen die FPÖ-Abgeordnete Susanne Fürst und der AfD-Politiker Petr Bystron angekündigt waren.

Fackelzug
Die Identitären veranstalteten jährlich einen Fackelzug auf den Kahlenberg – immer wieder auch mit FPÖ-Politikerin wie Ursula Stenzel.
Picturedesk / Michael Gruber

Aber auch unter Konservativen wird das Gedenken an den 12. September hochgehalten. So geht das katholische "Fest Mariä Namen" auf die Schlacht am Kahlenberg zurück. Dort sei eine "Schutzmantelmadonna" vor dem Heer getragen worden, heißt es. Gesungen wird bei der Feier etwa: "Schutzfrau Österreichs, o Maria, halte deine Mutterhand weiter über unser liebes, dir geweihtes Vaterland". Heuer nahmen an der Veranstaltung unter anderem Othmar Karas (ÖVP), Vizepräsident des EU-Parlaments, sowie Franz Lackner, Vorsitzender der österreichischen Bischofskonferenz, teil; gebetet wird jetzt freilich für den Frieden. Das Bundesheer feiert übrigens ebenfalls eine Dankes- und Festmesse, gemeinsam mit polnischen Soldaten, wie Bundesheer-Sprecher Michael Bauer auf X, früher Twitter, schrieb.

Lange Tradition

Schon Engelbert Dollfuß, ab 1933 diktatorisch regierender Kanzler der ÖVP-Vorgängerpartei, wählte die Schlacht am Kahlenberg als Stichwort für die Ausrufung des Ständestaates. In seiner sogenannten Trabrennbahnrede verwies er etwa darauf, dass Heimwehr-Führer Ernst Rüdiger Starhemberg genauso heißt wie der Stadtkommandant Wiens zur Zeit der Türkenbelagerung.

Dessen Name kommt auch im rechtsterroristischen Kontext immer wieder vor: Bekennerschreiben zur Briefbombenserie in den 1990er-Jahren, für die der Steirer Franz Fuchs verurteilt wurde, waren mit "Wir wehren uns – Graf Ernst Rüdiger von Starhemberg" unterzeichnet worden. Der Attentäter von Christchurch, der in der neuseeländischen Stadt 50 Moscheebesucher ermordet hat, hatte "Starhemberg" auf die beim Anschlag benutzte Waffe graviert. Zuvor hatte der junge Australier eine Weltreise unternommen, das Heeresgeschichtliche Museum in Wien besucht und Geld an die Identitäre Bewegung in Österreich gespendet. Auch der Massenmörder Anders Breivik, der vor zwölf Jahren 77 Menschen – darunter großteils Jugendliche – getötet hatte, nahm in seinem Manifest Bezug auf die Schlacht am Kahlenberg: Das Dokument selbst bezeichnete er als "2083 – eine europäische Unabhängigkeitserklärung".

Die Schlacht am Kahlenberg hat als Symbol "gegen Masseneinwanderung, Islamisierung und die dafür verantwortliche Politik", wie es die Identitäre Bewegung ausdrückte, also schon eine lange Tradition. Verschwiegen wird freilich, dass es andere Traditionen ohne die Türkenbelagerung in der Form gar nicht gäbe: So sollen der Legende nach türkische Soldaten bei ihrem Abzug mehrere Säcke mit Kaffeebohnen zurückgelassen haben. Damit sei dann das erste Kaffeehaus in Wien gegründet worden. (Fabian Schmid, 12.9.2023)