Ein Mähdrescher auf einem Getreidefeld.
Die EU-Kommission ist den osteuropäischen Staaten entgegengekommen und hat einen Import-Stopp erlaubt. Am Freitag endet diese Ausnahmeregelung und wird nicht verlängert.
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Egal ob Weizen, Raps, Mais oder Sonnenblumenkerne – seit dem Angriff Russlands darf die Ukraine ihr Getreide zollfrei in die Europäische Union exportieren. Doch mehreren osteuropäischen Staaten schmeckt das gar nicht: Sie fürchten die billige Konkurrenz aus der Ukraine und kritisieren eine Schwemme an Getreide, die die Preise in den Keller treibe.

Die EU-Kommission genehmigte Polen, Bulgarien, Ungarn, Rumänien und der Slowakei deshalb einen vorübergehenden Importstopp – allerdings nur bis diesen Freitag. Und wie am Abend bekannt wurde, wird die EU-Kommission die Handelsbeschränkungen auch nicht weiter verlängern.

Polen, einer der betroffenen osteuropäische EU-Staaten, hat bereits im Vorfeld angekündigt, den Importstopp dennoch fortzusetzen. Österreich ist explizit dagegen: Sowohl Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) als auch Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) wollen ein Ende der Ausnahmeregelung für osteuropäische EU-Staaten und eine Beibehaltung der zollfreien Importe.

Ausbau der Donauhäfen

"Ein Importstopp, der lediglich in den fünf Anrainerstaaten gilt, schafft im Sinne fairer Wettbewerbsbedingungen sowie eines Marktgleichgewichts in der EU mittelfristig Probleme", heißt es in einer gemeinsamen Aussendung der Minister. Was es braucht, seien Lösungen, die so funktionieren, dass keine Sonderregelungen mehr notwendig seien.

Vor dem Angriff Russlands verschiffte die Ukraine ihre Getreide in erster Linie nach Nordafrika und in andere Drittstaaten. Nachdem Russland den Export über das Schwarze Meer einschränkte, richtete die EU deshalb neben der Zollbefreiung auch sogenannte Solidaritätskorridore ein. Die Waren sollten die EU-Länder durchqueren und so in den eigentlichen Zielländern in Afrika landen. Doch anders als geplant bleibt das Getreide häufig in Europa.

Totschnig und Edtstadler sprechen sich in ihrer Aussendung nun dafür aus, die Korridore auszubauen. Dazu zähle vor allem ein "Kapazitätsausbau in Richtung EU-Hochseehäfen". Insbesondere der größte Schwarzmeer-Hafen in Constanța (Rumänien) soll ein bedeutenderer Umschlagspunkt für ukrainisches Getreide werden. Auch der Ausbau der Donau-Häfen Reni und Ismaijl soll unterstützt werden, damit die Getreidexporte in ihren eigentlichen Zielländern in Nordafrika, dem Nahen Osten und Asien landen.

Landwirte fürchten "Marktverwerfung"

Ganz uneigennützig dürfte die Forderung der österreichischen Minister freilich nicht sein. Nach einem enormen Anstieg im vergangenen Jahr befindet sich der Preis für Weizen derzeit im Sinkflug. Ob die ukrainischen Exporte nach Europa dazu beitragen, ist unter Ökonominnen und Ökonomen umstritten. Fakt ist, dass im Frühjahr auch die mächtige österreichische Landwirtschaftskammer vor "Marktverwerfungen" warnte.

Zwar führen ukrainische Weizenimporte nach Österreich mit rund 6.000 Tonnen in den letzten zwölf Monaten zu keiner unmittelbaren Beeinträchtigung, wohl aber indirekt, so das Argument. "Selbst wenn die Ware nicht physisch in Österreich ankommt, sind die Martkverwerfungen und Preisrückgänge schon massiv zu spüren", sagte etwa Josef Moosbrugger, Präsident der Landwirtschaftskammer.

Ökonom Franz Sinabell vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) betont, dass die Preise im Inland eng mit jenen auf den Weltmärkten zusammenhängen. "Wenn die Preise nach unten gehen, dann ist das nicht die Folge von Importen aus der Ukraine." Die Menge sei viel zu gering, um Marktpreise zu beeinflussen.

Der Ökonom weist darauf hin, dass Russland wohl bewusst Zwietracht innerhalb der Europäischen Union säe. "Es ist der Versuch, Bauern einzuspannen, um Russland zu stärken." Zudem greife Russland zu jedem Mittel, um die eigenen Exporte von Getreide zu steigern. Da es sich um lebenswichtige Güter handle, gibt es auch niemanden, der dagegen etwas haben könnte. Die Folge sei ein preisdämpfender Effekt auf den Weltmarkt. In den letzten Tagen habe sich die Preisentwicklung aber schon wieder gedreht. (Jakob Pflügl, 15.9.2023)