Kim Jong-un und Wladimir Putin am 13. September 2023 in Russland.
Kim Jong-un und Wladimir Putin am 13. September 2023 in Russland.
AFP/KCNA VIA KNS/STR

Beim pompös aufgezogenen Staatsbesuch des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un in Russland ging es nicht um konkrete Ergebnisse. Es war eine Demonstration. Sicher, Russland braucht Waffen. Nicht unbedingt Hightech-Waffen, denn das Land hat eine leistungsfähige Rüstungsindustrie. Die notwendigen, aber sanktionierten Zutaten kommen über Umwege aus Ländern, die sich den Sanktionen des Westens nicht angeschlossen haben. Aber Russlands braucht das, was im Militärjargon Mengenverbrauchsgut heißt: Munition, etwa Panzerabwehrraketen und Artilleriegranaten. Die kann Nordkorea liefern. Zudem ist das Land auf die Modernisierung alter Sowjetwaffen spezialisiert. Nordkorea wiederum braucht Hightech für sein Atom- und Weltraumprogramm und Getreide für das hungernde Volk. Das kann Putin liefern.

Das alles hätte still und heimlich geschehen können, wie in anderen Fällen auch. Stichwort: Drohnen aus dem Iran. Doch der kühl kalkulierende Ex-Geheimdienstler Wladimir Putin will etwas demonstrieren: Meinem Land werden all die Sanktionen, all die Ächtung nicht schaden. Es ist ein Signal an den Westen, und vor allem auch nach innen, wenige Monate vor der kommenden Präsidentschaftswahl. Auch wenn sich die Staatschefs zweier Nuklearmächte in Wladiwostok getroffen haben und Kim Jong-un kurz davor eine Rakete abfeuern ließ, die auch nuklear bewaffnet werden kann, bedeutet das Treffen keine Eskalation in Richtung Atomkrieg.

China an erster Stelle

Putin sucht und findet neue Freunde. China an allererster Stelle, jetzt Nordkorea, mit Abstrichen die Türkei und immer mehr afrikanische Staaten, denen er Getreide verspricht. All diese Länder unterstützen die westlichen Sanktionen nicht. "Ich hoffe, dass wir im Kampf gegen den Imperialismus und beim Aufbau eines souveränen Staates immer zusammen sein werden", sagt Nordkoreas Machthaber. Und in Sachen Ukrainekrieg: "Ich bin tief überzeugt davon, dass die heldenhafte russische Armee und das Volk glänzend die Siegestradition übernehmen werden und ihre Ehre und ihren Ruhm an den Fronten der militärischen Spezialoperation demonstrieren." Das freut den Kreml-Chef.

Was kann der Westen tun? Mit Sanktionen Russlands Wirtschaft in die Knie zwingen, bis das Volk Putin stürzt und Demokratie vom Himmel regnet: Das ist eine Illusion. Und wenn nicht, wäre die Folge Chaos wie in den 1990er-Jahren. Machteliten, zum Teil mit eigenen Privatarmeen, würden untereinander kämpfen. Es käme zu Abspaltungen, möglicherweise zum Zerfall Russlands, der größten Atommacht der Welt.

Realpolitisch bleibt irgendwann nur die Wiederannäherung an Moskau. Mit dem Getreidedeal könnte man beginnen, indem etwa russische Forderungen wie die Aufhebung der Sanktionen gegen die Landwirtschaftsbank ernst genommen werden. Und dann: Verhandlungen über einen Waffenstillstand in der Ukraine, der später in einen Frieden münden könnte. Ist auch dies eine Illusion? Vielleicht. Aber einen Versuch wert. (Jo Angerer, 14.9.2023)