Leonore Gewessler
Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) reagiert gelassen auf die EuGH-Drohung ihres italienischen Amtskollegen.
APA/EVA MANHART

Luxemburg/Innsbruck/Wien – Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) hat sich trotz der Drohung ihres italienischen Amtskollegen Matteo Salvini (Lega), wegen der transiteinschränkenden Tiroler Maßnahmen zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu gehen, "sehr gelassen" gezeigt. Gleichzeitig übte sie Kritik an Salvini: Die Gesundheit und die Lebensumstände der Menschen in Tirol seien diesem "weniger wert als die Profite der italienischen Frächterlobby", sagte sie der APA.

Gewessler: "Unerträgliche Zustände" in Tirol

Ähnlich gelassen reagierte Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP). "Mittlerweile verhallen diese Klagsdrohungen in Tirol, weil für uns der Schutz der Gesundheit, der Umwelt und der Infrastruktur schwerer wiegen als die fossile Verkehrspolitik in Italien", sagte Mattle zur APA und machte klar: "Auch Salvini sollte sich im Sinne der Menschen entlang des Brennerkorridors mehr auf die Reduktion des Verkehrs konzentrieren, anstatt immer mehr Lkw-Fahrten zu fordern. Tirol wird seine Antitransitmaßnahmen jedenfalls vor jeder Institution dieser Welt begründen, verteidigen und erklären."

Gewessler sprach von einem "Klagsversuch" Salvinis. "Die Tiroler Notmaßnahmen gibt es nur, weil die Menschen dort unter unerträglichen Zuständen leiden. Stau, Lärm und schlechte Luft – das ist für die Tirolerinnen und Tiroler entlang der Brennerstrecke bittere Realität. Sie sind gut argumentiert und auch EU-rechtlich notwendig. Denn es ist unsere Verpflichtung, dass wir die Menschen vor ungesunder Luft schützen", betonte die Ministerin. Österreich werde jedenfalls "dagegenhalten": "Solange es die Notmaßnahmen braucht, bleiben sie."

Salvini droht mit Gang zum EU-Gerichtshof

Der italienische Vizepremier Savlini hatte am Mittwoch angekündigt, dass man für einen möglichen Gang vor den EuGH ein Dossier erarbeite. Dies müsse "vom juristischen Standpunkt solide sein, und wir arbeiten daran. Wenn die EU-Kommission nicht handelt, werden wir es laut Artikel 259 tun", meinte der Lega-Politiker und polterte: "Die österreichische Regierung bricht jede Regel, und sie hilft der Umwelt nicht. Wir können nicht akzeptieren, dass Österreich einseitig einen Alpenpass schließt, ohne dass jemand etwas unternimmt. Das ist eine Verletzung der EU-Regeln, ein offenkundiger Missbrauch, der gelöst werden muss."

Laut Artikel 259 könne jeder EU-Mitgliedsstaat den EuGH anrufen, wenn er der Auffassung ist, dass ein anderes Mitglied gegen eine Verpflichtung aus den Verträgen verstoßen hat. Bevor ein Mitgliedsstaat wegen einer angeblichen Verletzung der Verpflichtungen aus den Verträgen gegen einen anderen Staat Klage erhebt, muss allerdings die EU-Kommission damit befasst werden.

Langwieriger Konflikt

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte zuletzt versucht, in dem Dauerkonflikt "ein letztes Vermittlungsgespräch" anzubieten. Das zugrunde liegende Problem könne nur "gemeinsam" mit den drei beteiligten Ländern Österreich, Deutschland und Italien gelöst werden, sagte die Kommissionspräsidentin.

Die Transitkonflikt nahm in den vergangenen Monaten stetig an Schärfe zu. Vor allem Salvini agitiert beständig mit Drohgebärden und heftiger Kritik gegen die Tiroler Antitransitmaßnahmen wie sektorales Fahrverbot, Nachtfahrverbot und Ähnliches. Der italienische Verkehrsminister forderte die EU-Kommission sogar offiziell auf, deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich einzuleiten. Seinen deutschen Amtskollegen Volker Wissing (FDP) hatte er mit im Boot, was die Kritik an Fahrverboten und transiteinschränkenden Maßnahmen betrifft.

Auf regionaler Ebene hatte es dagegen an der Transitfront eine Einigung gegeben. Die Landeschefs von Bayern, Tirol und Südtirol – Markus Söder (CSU), Mattle und Arno Kompatscher (SVP) – hatten im April in Kufstein öffentlichkeitswirksam ein "Slotsystem" präsentiert. Für ein solches digitales grenzüberschreitendes Verkehrsmanagement müsste aber ein Staatsvertrag zwischen Österreich, Deutschland und Italien abgeschlossen werden. Ein solcher ist noch in weiter Ferne.

Denn Salvini zeigte sich bisher strikt ablehnend – er will erst darüber reden, wenn die transiteinschränkenden Maßnahmen und Fahrverbote aufgehoben werden. Auch Deutschland reagierte sehr reserviert. Die Tiroler Landesregierung aus ÖVP und SPÖ betonte unterdessen stets, an den Maßnahmen festhalten zu wollen, solange es nicht eine große europäische Lösung gebe, die dem überbordenden Transitverkehr Einhalt gebietet. (APA, 14.9.2023)