Valentina Höll sitzt auf ihrem Rad, trägt dabei Kopfhörer und wärmt sich fürs Rennen auf.
Valentina Höll beim Aufwärmen für den UCI Downhill World Cup in Loudenvielle, Frankreich.
Bartek Wolinski / Red Bull Content Pool

Radfahren ist ein Erlebnis für alle Sinne. Warum sollte man sich also bewusst einer dieser Wahrnehmungen berauben, indem man das Gehör durch die Verwendung von Kopfhörern beeinträchtigt? Der Gesetzgeber bleibt in Sachen Musikhören beim Radfahren etwas vage. So ist die Verwendung von Kopfhörern beim Radeln nicht dezidiert verboten. Allerdings schreibt die Straßenverkehrsordnung vor, dass ein Fahrzeug nur lenken darf, wer ein Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeugs zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen vermag. Wer also derart laut Musik im Ohr hat, dass er oder sie vom Verkehrsgeschehen rundherum nichts mehr mitbekommt, riskiert die eigene Verkehrstauglichkeit und somit Strafen oder Mitschuld im Fall eines Unfalls.

So weit die Rechtslage. Wer nicht im Großstadtdschungel, sondern in der Natur unterwegs ist, muss sich um die anderen Verkehrsteilnehmer weniger Sorgen machen. Aber auch im Wald oder am Berg erscheint es durchaus sinnvoll, seine Umgebung akustisch wahrzunehmen. Trotzdem wächst die Zahl jener, die sich für die Auszeit im Mountainbike-Sattel den passenden Soundtrack über Kopfhörer gönnen, offenbar stetig. In Videos gehört die richtige Playlist im Ohr für viele Profis sowieso längst zur Standardausrüstung nebst Helm, Protektoren und Radl selber. Wie halten Sie es mit der Musik beim Biken?

Probieren statt studieren

Für den Verfasser dieser Kolumne war das Thema bisher ein unentschiedenes. Beim alltäglichen Pendeln auf Radwegen erwiesen sich kabellose Kopfhörer als praktisch. Die Modelle mit Kabel waren eine Katastrophe und verhedderten sich meist schon beim Aufsteigen. Vor allem zum Telefonieren – ohne dafür jedes Mal anhalten zu müssen – stellen die Ohrstöpsel aber eine Erleichterung dar. Wobei das Thema Telefonieren am Radl ein ganz eigenes ist, wie der Rechts- und Radexperte Johannes Pepelnik in seiner STANDARD-Kolumne ausführlich darlegte.

Beim Pendeln nutze ich Kopfhörer meist, um mir den Weg zum Termin mit Hintergrundmusik zu versüßen. Zu laute Beschallung erwies sich im Straßenverkehr aber als unangenehm, weil man eben die Umgebung nur mehr zum Teil mitbekommt. Ganz anders ist die Situation am Mountainbike. Wobei für mich bisher galt: zum Bergauffahren, je nach Laune und Strecke, gerne moderate Musik. Bergab aber keinesfalls, da die Geräusche, die das Rad macht, Teil des Trail-Erlebnisses sind und wichtige Rückschlüsse ermöglichen. Wenn etwas blockiert, schleift oder gar reißt bzw. bricht, ist es oft das Gehör, das die ersten Warnsignale wahrnimmt.

Graue Bügelkopfhörer
Bügelkopfhörer erwiesen sich im Praxistest als nur bedingt brauchbar. Vor allem passt kein Helm drüber.
Steffen Kanduth

Der unpraktische Klassiker mit Bügel

Für die Uphills habe ich vor Jahren klassische Bügelkopfhörer versucht. Doch die erwiesen sich in mehrfacher Hinsicht als unpraktisch. Das beginnt bei der Größe. Je nach Modell brauchen solche Kopfhörer gut und gerne ein Viertel des Rucksacks. Ein weiteres Problem ist der Schweiß. Denn die sonst gemütlichen Ohrpölster werden verschwitzt schnell eklig nass und klebrig.

Außerdem verkürzen Schweiß oder Regen die Lebensdauer dieser Pölster enorm, und bald hat man den halben Kopfhörer im und am Ohr. Bergab sind sie ohnehin nicht brauchbar, da sie nicht unter den Helm passen. Daher blieb es bei wenigen Versuchen mit dem Bügelmodell, denn es ist selbst im Pendleralltag zu klobig und unpraktikabel.

Weiße AirPods Ohrstöpsel
Die Ohrstöpsel überzeugten durch gute Passform unterm Helm und passablen Halt.
Steffen Kanduth

Stöpsel – klein und oho

Dann kamen die Ohrstöpsel auf. Die ersten billigen Modelle waren schneller weg, als man "Droppin' in!" rufen konnte. Doch mit der Zeit verbesserte sich die Passform. Aber erst mit dem Apple-Klassiker Airpod fand ich die ersten Stöpsel, die wirklich hielten. Die anfängliche Sorge, man könnte die kleinen und wegen des Apfel-Logos teuren Dinger unbemerkt unterwegs verlieren, erwies sich schnell als unbegründet. Mit dem richtigen Gummiaufsatz halten sie bemerkenswert gut.

Auch ähnliche Modelle anderer Hersteller sitzen heute in der Regel sehr gut und liefern einwandfreien Sound. Sohnemanns JBL-Modell (für Foto siehe Link in Infobox) hält ebenfalls gut, passt problemlos unter jeden Helm und sieht schick aus. Mittels einfacher Bedienung per Druck aufs Stöpserl ist es möglich, verschiedene Lieder und die Lautstärke auszuwählen, ohne anzuhalten. Bergab ergaben sich mit den Airpods und anderen Stöpseln aber zwei Probleme: Einerseits ist ihr Halt bei ruppigeren Abfahrten alles andere als sicher, andererseits schotten sie Umgebungsgeräusche – für meinen Geschmack – zu sehr ab.

Seilversicherung am Ohr

Auf der Suche nach einer Lösung für ersteres Problem wurde ich bei Hersteller Jabra (für Foto siehe Link in Infobox) fündig, der miteinander verbundene Stöpsel anbietet. Auch sie werden wie Airpods und Co in den Ohren getragen, allerdings versprechen ein Bügel, der jeweils hinter die Ohrmuschel geklemmt wird, sowie ein daran befestigtes Gummischnürl, das beide Stöpsel hinterm Kopf miteinander verbindet, sicheren Halt. Im Praxistest überzeugte dieses Modell sofort.

Besonders gut gefällt die Option, dass man einfach per Knopfdruck am Stöpsel zwischen Musik- und Telefonfunktion wechseln kann. Zudem ist es möglich, zwei Handys gleichzeitig damit zu verbinden. Wenn man also mit dem privaten Telefon Musik hört und zugleich ein dienstlicher Anruf am Arbeitsgerät eingeht, genügt ein Druck auf den Stöpsel, um zu wechseln. Ist der Anruf vorbei, geht die Musik wieder an. Bergab bieten die zusätzlichen Halterungen tatsächlich mehr Sicherheit, und ein unbemerktes Verlieren ist kaum möglich.

Knochenleitungs-Kopfhörer in grau-blau
Die über Knochenleitung funktionierenden Modelle haben den großen Vorteil, die Umgebung nicht gänzlich akustisch auszublenden.
Steffen Kanduth

Bis auf die Knochen

Einen großen Nachteil weisen aber sowohl einzelne Stöpsel als auch die mittels Schnürl verbundenen auf: Bergab übertönen sie die Umgebungsgeräusche, weshalb ich bisher auf Musik am Trail verzichtet habe. Die Lösung für dieses Problem brachte das zuletzt versuchte Modell, ein sogenannter Knochenschall-Kopfhörer. Anders als die vorher genannten verdecken sie das Ohr nicht. Der Klang kommt hier über die Knochen und nicht das Trommelfell. So behalf sich schon Meister Beethoven, nachdem sein Gehör versagt hatte. Er leitete den Klang seines Klaviers über den Knochen und konnte so weiterhin hören, was er spielte.

Das im Test verwendete Modell ist von der Firma Shokz, Knochenleitungskopfhörer werden aber mittlerweile von vielen Herstellern angeboten. Das Prinzip ist immer dasselbe. Der Schall wird über Knochen in Wangen und Kiefer ins Innenohr übertragen. Die Ohrmuschel selbst bleibt frei, und so kann man auch trotz Musikgenusses die Umgebungsgeräusche gut wahrnehmen. Zu laut sollte man freilich nicht aufdrehen, da sonst die Bässe für eigenartige Vibrationen am Schädel sorgen können. Doch ein gut hörbarer Sound ist kein Problem, ohne dadurch den (Gehör-)Sinn für die Umgebung zu verlieren. Grund genug, diese Art Kopfhörer am Trail auszuprobieren. Und tatsächlich, es funktionierte – für mich zumindest. Erstmals konnte ich eine Trailabfahrt mit Musik im Ohr oder, besser gesagt, in den Knochen genießen. Trotzdem hört man sein Bike, den Trail und die Umgebung.

Was man bedenken sollte

Eingeschränkt wird die Möglichkeit, seine Umgebung zu hören, auch bei Knochenleitungskopfhörern, wenn man wetterbedingt eine Kapuze überzieht. Dann entwickelt sich darunter eine Art Klangwolke, die wiederum Umgebungsgeräusche ausspart. Zudem wurden alle obengenannten Kopfhörer nur mit Halbschalenhelmen getestet. Ob und wie sich Kopfhörer mit Vollvisierhelmen kombinieren lassen, war bisher kein Thema, da Musik beim klassischen Downhillen für mich nicht infrage kommt. Da wäre mir jede Ablenkung eine zu viel.

Für Brillenträger ist zu bedenken, dass alle Modelle, die Bügel an oder um die Ohren aufweisen, möglicherweise mit den Brillenbügeln aneinandergeraten. Das gilt übrigens auch für Sonnenbrillen. Und trotz Rauschunterdrückung haben sämtliche Modelle beim Telefonieren Probleme mit dem Fahrtwind. Die bisher beste Lösung dafür boten mir Schlauchtücher, die man über die Ohren und somit die Geräte zieht. Das sichert nebenbei den Sitz bei reinen Ohrstöpseln ohne Schnürl- oder Bügelhalterung.

Wie halten Sie es mit der Musik am Bike? Fahren Sie prinzipiell mit Soundtrack oder nur auf bestimmten Wegen? Haben Sie Erfahrung mit Kopfhörern und Vollvisierhelmen? Oder gibt es vielleicht ganz andere Zugänge, wie etwa eine Box am Fahrrad? (Steffen Kanduth, 26.9.2023)