Lange war es ruhig um den Vorarlberger Wirtschaftsbund und sein Magazin "Vorarlberger Wirtschaft". Zwei E-Mails, die der Vorarlberger Tageszeitung "Neue" vorliegen, könnten für die Vorarlberger ÖVP, deren Teilorganisation der Wirtschaftsbund ist, nun aber unangenehm werden. Die Nachrichten legen nämlich nahe, dass sich Unternehmen, die in dem Magazin inserierten, durchaus Gegenleistungen erwarteten – und die ÖVP das auch wusste.

Spar bemängelte "fehlenden Rückhalt"

Seit die Affäre um den Wirtschaftsbund publik wurde, wurde auch über die Frage, ob sich inserierende Unternehmen Gegenleistungen erwarten durften, berichtet. So sah beispielsweise der Verein Bodenfreiheit eine Auffälligkeit zwischen dem Inseratenaufkommen und Entscheidungen für Betriebserweiterungen für Rauch und Alpla. Beide Firmen zählten zu den Top-Inserenten des Magazins. Die ÖVP dementierte solche Zusammenhänge allerdings stets – wie auch die Unternehmen. Eine Analyse der Inserate zeigte jedenfalls, dass das Volumen vor Wahlen merklich anstieg.

Haben Inserenten des Wirtschaftsbund-Magazins Gegenleistungen erwarten dürfen? Diese Frage werfen zwei nun aufgetauchte Mails auf.
APA/Stiplovsek

In den nun aufgetauchten E-Mails geht es konkret um Spar und die Seilbahnen Lech. So bemängelte der Geschäftsführer von Spar im November 2015 "fehlenden Rückhalt" im Wirtschaftsbund, wie die "Neue" berichtet. Man werde im kommenden Jahr keine Inserate mehr in der "Vorarlberger Wirtschaft" schalten, das gelte auch für nahestehende Unternehmen, kündigt er an. Warum? Man erkläre sich mit der Entscheidung auch solidarisch mit dem Messepark, heißt es am Schluss in der Nachricht.

Messepark-Ausbau als Hintergrund

Spar und das landesweit größte Einkaufszentrum Messepark gehören der Familie Drexel, die das Shoppingcenter damals ausbauen wollten. Zu diesem Zeitpunkt ging in der Sache aber nichts weiter. Später werden die Ausbaupläne allerdings ganz verworfen. Erst diese Woche gab es für einen neuerlichen Ausbau-Anlauf von Drexel grünes Licht vom Raumplanungsbeirat – obwohl im Vorfeld die Pläne von Bürgermeistern und Vereinen massiv kritisiert wurden.

Empfänger der Mail war damals Wirtschaftsbund-Direktor Walter Natter. Dieser leitete die E-Mail an ÖVP-Wirtschaftslandesrat Karlheinz Rüdisser weiter – allerdings nicht an Rüdissers Partei- oder Privatadresse, sondern direkt an dessen Büro im Landhaus, weshalb die Nachricht auch veraktet ist. Die wesentliche Frage, was Rüdisser mit den Beschwerden gemacht hat und ob es tatsächlich Gegenleistungen gab, kann nicht beantwortet werden. "Unserem Informationsstand zufolge wurden diese Schreiben lediglich veraktet, aber nicht weiter bearbeitet bzw. beantwortet", heißt es vom Land. Auch ob Rüdisser sich mit Unternehmensvertretern getroffen hat, ist unklar.

Rüdisser sieht "absurde" Vorwürfe

Vom "Kurier" im Mai 2022 auf mögliche Wünsche von Spar bzw. dem Messepark und dem Skigebiet Lech angesprochen, sagte Rüdisser: "Es hat während meiner Zeit als für Wirtschaft zuständiges Mitglied der Landesregierung keine wie immer gearteten Interventionen – weder vom Wirtschaftsbund noch von den genannten Unternehmen – in der Form gegeben, dass Inseratenschaltungen mit Begehrlichkeiten rund um Betriebserweiterungen verknüpft worden sind."

Auch heute bleibt er dabei. Was nun insinuiert werde, sei absurd, sagt Rüdisser am Freitag den "Vorarlberger Nachrichten". Er habe als Wirtschaftslandesrat schließlich einen Ausbau des Messeparks nicht befürwortet und regelrecht dagegen gekämpft.

Verkleinertes Naturschutzgebiet in Lech

In der zweiten der der "Neue" vorliegenden Mails geht es um Lech. Zwei Seilbahnunternehmen wenden sich darin an den Wirtschaftsbund – angehängt ist ein halbseitiges Inserat für die "Vorarlberger Wirtschaft". Den "Unterstützungsbeitrag" solle man bitte auf beide Unternehmen aufteilen, heiße es in der Nachricht. Das Schreiben enthalte außerdem eine Liste von Projekten, deren Unterstützung man einforderte.

Der Absender habe in der Nachricht "zwar die Schaltung eines Inserats in der 'Vorarlberger Wirtschaft' zugesagt", ansonsten aber nur "generell mangelnde Hilfestellung seitens des Wirtschaftsbundes moniert", heißt es dazu vom Land. "Der Absender der E-Mail listet in weiterer Folge eine Reihe von unterschiedlichsten Projekten bzw. Behördenverfahren auf, bei denen man sich Unterstützung der Interessenvertretung erwarte." Darin sei es um "Umbau/Neugestaltung/Verlegung einer bereits bestehenden Anlage" gegangen, heißt es im Bericht der "Neue". 2017 verkleinerte die schwarz-grüne Landesregierung per Verordnung das Naturschutzgebiet Gipslöcher in Lech, damit dort Anlagen für Skilifte errichtet werden können. Der Verfassungsgerichtshof hat diese Entscheidung 2022 aber als unzulässig wieder aufgehoben.

Rückblick

Die sogenannte "Wirtschaftsbund-Affäre" hielt die Vorarlberger Politik seit Anfang 2022 in Atem. Eine Steuerprüfung hatte ergeben, dass die Teilorganisation zu wenig Abgaben für die Einnahmen aus den Inseraten der "Vorarlberger Wirtschaft" abführte. Der Wirtschaftsbund musste in der Folge rund 484.000 Euro an Umsatzsteuer, 388.000 Euro an Körperschaftssteuer sowie rund 106.000 Euro an Zuwendungsabgabe für die Jahre von 2016 bis 2021 nachbezahlen, was teilweise beeinsprucht wurde.

Die Affäre zeigte aber auch ein problematisches Sittenbild. Wirtschaftsbund-Obmann Hans Peter Metzler und Wirtschaftsbund-Direktor Jürgen Kessler mussten zurücktreten. Gegen Landeshauptmann Markus Wallner und Wirtschaftslandesrat Marco Tittler (beide ÖVP) ermittelte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die Ermittlungen gegen die beiden Politiker wurden mittlerweile eingestellt. Gegen andere Beteiligte wird nach wie vor ermittelt.

Politische Auswirkungen gab es auch: So wurde das Vorarlberger Parteienförderungsgesetz verschärft, das unter anderem die Veröffentlichung aller Vermögenswerte und Verbindlichkeiten der Landesparteien und ihrer Teilorganisationen auf ihrer Homepage vorsieht, ebenso einen Wahlwerbungsbericht, Wahlkampfbeschränkungen und Prüfrechte für den Landesrechnungshof. Auf einen Untersuchungsausschuss im Landtag konnten sich die Parteien nicht einigen.

Grüne wollen neuerlich U-Ausschuss

Das soll sich jetzt ändern, zumindest bringen die Grünen den Ausschuss wieder aufs Tapet. Was es dafür aber brauche sei eine Reform. Diese ist zuletzt gescheitert, weil sich die Parteien nicht einigen konnten, wer in Streitfragen schlichten soll. Landessprecherin Eva Hammerer: "Die aktuellen Entwicklungen zeigen, wie wichtig ein Untersuchungsausschuss wäre, damit endlich politische Aufarbeitung möglich ist. Ich hoffe, dass die Dringlichkeit bei allen angekommen ist und es doch noch eine Einigung gibt, was die Reform des U-Ausschusses betrifft." Die publik gewordenen Nachrichten hält Hammerer für "schockierend", vor allem wegen der Verbindungen zum Messepark. Für sie stehe fest, dass bezüglich der Erweiterung für das Einkaufszentrum nichts beschlossen werden dürfe, "solange nicht alles auf dem Tisch ist."

"Der heute publik gewordene Mailverkehr wirft viele Fragen auf und schadet dem Wirtschaftsstandort. Wir werden dazu am Montag eine Anfrage im Landtag einbringen und fordern eine lückenlose Aufklärung von der Landesregierung", kündigt der designierte SPÖ-Parteivorsitzende Mario Leiter an. Die angekündigte Neuauflage des Wirtschaftsbund-Magazins müsse außerdem gestoppt werden.

Auch Neos-Klubobmann Johannes Gasser ärgert sich über die neue Entwicklung - und das geplante neue Magazin: "Es muss betont werden, dass politische Entscheidungen und Agenden nicht käuflich sein dürfen. Auch die neuen Berichte werfen Fragen über das wahre Wesen der Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Politik in Vorarlberg auf. Dass der Wirtschaftsbund entgegen allen ausdrücklichen Versprechungen plant, eine neue Zeitung mit Inseraten herauszubringen, ist bedenklich. Dieser Schritt wirkt, als würde die ÖVP das Thema Transparenz und die Befürchtungen der Öffentlichkeit ignorieren".

Verwunderung im Wirtschaftsbund

Wirtschaftsbund-Direktor Christoph Thoma zeigt sich "verwundert": "Im Kern führt der Artikel ins Treffen, dass ein Mitglied einer Interessenvertretung – und das ist der Wirtschaftsbund – von eben jener Interessenvertretung Unterstützung für seine Anliegen verlangt. Was daran erstaunlich, verwerflich, oder gar brisant sein soll, weiß ich nicht."

Die im Artikel erwähnten Schreiben seien acht bzw. neun Jahre alt. "Die Verfasser beschweren sich in den genannten Schreiben explizit darüber, dass der Wirtschaftsbund sie eben gerade nicht in ihren Anliegen unterstützt habe und sie deshalb keine Einschaltungen mehr im damals erschienenen Wirtschaftsbund-Magazin vornehmen wollen", so Thoma. (Lara Hagen, 15.9.2023)