Der Hardwareherbst hat den vollen Lauf aufgenommen: Neue iPhones von Apple wurden bereits vor einigen Tagen präsentiert, ein Update für die Surface-Linie von Microsoft steht kurz bevor, und auch Googles Pixel-Event ist in nicht mehr allzu weiter Ferne.

Amazon kommt

Irgendwo dazwischen positioniert sich Jahr für Jahr eine weitere Größe der Techwelt: Bereits am Mittwoch – also dem 20. September – wird Amazon zeigen, was die eigene Entwicklungsabteilung im vergangenen Jahr rund um Alexa, Echo, Fire TV und Co so alles ersonnen hat. Und genau das darf dieses Mal mit besonderer Spannung erwartet werden. Befindet sich Amazons Hardwarabteilung im Jahr 2023 doch irgendwo zwischen einer handfesten Krise und einem gehörigen Potenzial für die Zukunft.

Drei Amazon-Echo-Lautsprecher
Amazon dominiert den Markt für smarte Lautsprecher, das allein macht aber noch kein gutes Geschäft
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Krise

Es war ein Bericht, der Ende vergangenes Jahr für einiges Aufsehen sorgte: Die gesamte Alexa-Entwicklung sei ein "kolossaler Reinfall", zitierte "Business Insider" damals einen ehemaligen Mitarbeiter des Unternehmens. Von Verlusten in Milliardenhöhe – und zwar jedes Jahr – sowie nicht erfüllten Erwartungen war da die Rede.

Über viele Jahre hinweg habe Amazon nicht nur viel Geld in die Alexa-Entwicklung gesteckt, sondern auch die zugehörige Hardware regelrecht verschleudert, hieß es da. Dass das Unternehmen bei den Preisen von Echo, Fire TV und Co irgendwas verdient, ist tatsächlich zu bezweifeln. Die mit diesen Geräten verbundene Idee war von Anfang an, möglichst viele davon in die Haushalte zu bringen und erst danach irgendeine Form der Monetarisierung zu finden.

Echo dominiert

Punkt eins darf als weitgehend gelungen angesehen werden. Die Echo-Reihe dominiert den Markt, fast zwei Drittel aller in den USA genutzten smarten Lautsprecher stammen laut aktuellen Zahlen von Amazon. Den Rest steuert Google Nest bei, ein paar Prozentpunkte entfallen auf Apples Homepod.

Das Problem ist der zweite Punkt in diesem Plan. Denn was die Analysen auch zeigen: Diese Geräte werden noch immer für sehr simple Aufgaben genutzt. Das sind vor allem das Abspielen von Musik sowie simple Fragen nach dem Wetter oder auch das Setzen von Timern. Nun bietet Amazon zwar einen eigenen Premium-Musikdienst an, es ist aber davon auszugehen, dass viele, denen die Basisversorgung des kostenlosen Amazon Music nicht reicht, zu anderen Angeboten wie Spotify für ihren Echo greifen – einfach weil sie dieses auch auf anderen Geräten nutzen.

Der Shopping-Bauchfleck

Eine der großen Hoffnungen der Hersteller war, dass smarte Lautsprecher auch für Shopping genutzt werden, und man so indirekt über die Amazon-Anbindung Geld machen könnte. Es braucht kein Insiderwissen, um zu attestieren: Diese Idee hat sich als kompletter Reinfall herausgestellt, für Shopping werden diese Geräte so gut wie gar nicht verwendet.

Bei Amazon will man sich zu diesen Punkten nicht im Detail äußern – und schon gar nicht öffentlich. Hinter vorgehaltener Hand nährte man allerdings Zweifel an der konkreten Behauptung von Verlusten im Bereich von zehn Milliarden pro Jahr. Einfach weil es dafür zu viel Querverwertung innerhalb des Unternehmens gibt, also etwa ja auch Prime indirekt davon profitiert, wenn Amazon-Geräte verkauft. Ob das einen substantiellen Unterschied ausmacht, ist natürlich eine andere Frage, die ohne der Verfügbarkeit von offiziellen Zahlen nicht endgültig zu beantworten sein wird.

Kündigungen und ein prominenter Abgang

Doch auch sonst war das vergangene Jahr aus Sicht von Amazons Hardwareentwicklung eher durchwachsen. Ebenfalls Ende vergangenen Jahres verkündete das Unternehmen – wie so viele andere in der Branche – eine Kündigungswelle. Schnell sollte sich herauskristallisieren, dass davon auch die Alexa-Abteilung betroffen ist.

Amazon Geräteboss Dave Limp
Dave Limp verabschiedet sich nach 13 Jahren an der Spitze von Amazons Geräteentwicklung.
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Im August folgte dann der nächste Schlag für Amazons Geräteabteilung: Musste man doch den nahenden Rückzug von Dave Limp verkünden – und damit jener Person, die seit 13 Jahren als "Senior Vice President of Devices and Services" die Alexa- sowie die Hardwareentwicklung geleitet hat. Irgendwann vor Ende des Jahres soll der Wechsel erfolgen, ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin wurde bislang nicht bekanntgegeben. Wer auch immer es wird, die Herausforderungen sind jedenfalls nicht gerade klein.

Glaubt man einem aktuellen Bericht von Bloomberg dürfte die auserwählte Person aber sehr gut wissen, was sie tut. Soll Amazon doch ein großer Coup gelungen sein. Panos Panay, und damit der bisherige Windows- und Surface-Chef von Microsoft, soll Limp nachfolgen. Panay war fast zwanzig Jahre lang bei Microsoft beschäftigt, nicht zuletzt war er dabei federführend für die Entstehung von Microsofts eigener Hardwarelinie Surface zuständig.

Viel neues Potenzial

Doch auch sonst gibt es für Amazons Geräteabteilung aber auch Grund, zuversichtlich in die Zukunft zu blicken. Eröffnet der aktuelle Boom beim Thema künstliche Intelligenz doch neue Perspektiven für Alexa und Co. Die Idee: Mit der Hilfe von generativer KI auf Basis großer Sprachmodelle könnten solche digitalen Assistenten endlich ihr volles Potenzial entfalten und zum immer nützlichen, persönlichen Assistenten mutieren. Alexa wäre da aufgrund der großen Verbreitung natürlich in einer sehr guten Position.

Entsprechend darf nicht verwundern, dass Amazon bereits angedeutet hat, dass Alexa mit generativer KI aufgewertet werden soll. Was das konkret bedeutet und wie das umgesetzt wird, ist sicher eine der spannendsten Fragen im Vorfeld des aktuellen Hardware-Events von Amazon. Ist doch zu erwarten, dass Amazon zumindest eine erste Demonstration einer Art "Next Generation Alexa" vorzeigt, entsprechende Berichte gab es bereits vor einigen Monaten. Dazu kommt, dass bekanntermaßen Hauptkonkurrent Google an Ähnlichem für seinen Google Assistant arbeitet, ein gewisser Zeitdruck also gegeben ist.

KI und Wahrnehmung

In dieser Hinsicht etwas bieten zu können, dürfte auch weit über Amazons Gerätesparte hinaus Relevanz haben. Derzeit wird die öffentliche Diskussion zum Thema Maschinenlernen vor allem von OpenAI, Google und Microsoft dominiert, während Amazon meist nur am Rande vorkommt. Das mag zwar angesichts Amazons langjähriger Aktivitäten in diesem Bereich nicht ganz fair sein, so ist das aber nun mal in einem Hype-Zyklus.

Sich im KI-Bereich als Vorreiter zu positionieren dürfte für Amazon allein schon mit dem Blick auf die äußerst einträgliche Cloud-Sparte von Amazon relevant sein. Immerhin sind Microsoft und Google dort die größten Mitbewerber. Wenn diesen bei KI mehr einschlägige Expertise zugeschrieben wird, ist das auch nicht gut für das Cloud-Geschäft von Amazon.

Viele neue Geräte

Während die Frage, wie es mit Alexa weitergeht, sicher der spannendste Punkt an der Präsentation sein wird, wird es fraglos aber wieder auch eine Fülle von neuen Geräten zu sehen geben. Mehrere neue Echo-Geräte sind dabei eigentlich für jedes Jahr gesetzt, auch ein überarbeiteter Fire-TV-Stick 4K darf erwartet werden.

Auf seine Kindles wird das Unternehmen sicher auch nicht vergessen, und dann sind da natürlich noch all die anderen, manchmal etwas seltsamen Geräte und Experimente, die das Unternehmen so gerne vorzeigt. Eines der Highlights der vergangenen Jahre war dabei etwa der Haushaltsroboter Astro, der auf eine Mischung aus Interesse, Verwunderung und Besorgnis gestoßen ist.

Ablauf

All das wird Amazon heuer übrigens in einem anderen Rahmen als gewohnt vorzeigen: Erstmals findet dieser Event nämlich nicht in der Firmenzentrale in Seattle, sondern im HQ2 in Arlington nahe der US-Hauptstadt Washington statt. Ob das bereits ein Zeichen für einen Aufbruch in neue Zeiten ist, wird sich am Mittwoch knapp nach 17 Uhr (MESZ) zeigen, zu diesem Zeitpunkt startet die Präsentation nämlich. DER STANDARD wird jedenfalls von vor Ort über all die Neuerungen und Hintergründe berichten. (Andreas Proschofsky, 19.9.2023)