Robert Gabris
Der in der Slowakei geborene Robert Gabris lebt seit 2010 in Wien.
Michal Blecha

Die Sperrlinie auf dem Fußboden ist nicht nur eine metaphorische Grenze. Als ein Besucher in der Ausstellung von Robert Gabris im Belvedere 21 sagte, ihn würde diese nicht davon abhalten, die Installation zu betreten, wies ihn der Künstler zurecht. Genau darum gehe es in der Arbeit, die auch 2022 auf der Documenta gezeigt wurde. Wenn die weiße Mehrheitsgesellschaft einmal einen Schritt zurücktreten würde, könnten marginalisierte Gruppen einen nach vorne gehen, so die Botschaft.

Die Fotoinstallation schuf Gabris 2021 bei einer Artist Residency im slowakischen Košice gemeinsam mit Mitgliedern der queeren Roma-Community. Die Serie zeigt nackte und ineinander verschränkte Körper. Die Bilder hängen wie eine dreidimensionale Collage übereinander und werden von bestickten Bändern verbunden. Ein Manifest, das in einer Mischung aus Slowakisch und Romanes verfasst ist, klagt deren Diskriminierung seitens der Gesellschaft an: "Wir* sind ein Error in dem euch aufgezwungenen System, wir* sind ein Error für euch."

Robert Gabris
Die Fotoinstallation schuf Gabris bei einer Artist Residency im slowakischen Košice gemeinsam mit Mitgliedern der queeren Roma-Community.
Robert Gabris / © Bildrecht, Wien 2023

Gabris hatte zwei Monate in Košice gelebt und sich dort wie viele der Community nicht sicher gefühlt. "Mir war schlecht, als ich die Stadt verlassen habe", erzählt der Künstler. Seine Heimat besucht der gebürtige Slowake mit großer Vorsicht. "Für queere Menschen ist die politische Situation dort aktuell sehr schwierig", so Gabris. Seinen Bachelor in Kostüm- und Bühnenbild machte er an der Hochschule für Musische Künste in Bratislava. Ab 2010 kam er nach Wien, studierte Bühnenbild an der Akademie der bildenden Künste – und blieb.

Knallharte Schlingen

In den letzten Jahren legte der 37-jährige Künstler eine steile Karriere hin. 2021 gewann er den Strabag Art Award, letztes Jahr den ersten Belvedere Art Award. Die dazugehörige Ausstellung im Untergeschoß des Belvedere 21 ist seine erste institutionelle Solopräsentation in Österreich. 2024 nimmt er an einer Gruppenschau im Mumok teil.

Robert Gabris
Fluide Körper zum Anziehen: Gabris entwirft performative Baukästen.
Janine Schranz / Bildrecht Wien

Wenn er über seine Arbeit spricht, ist Gabris kaum zu bremsen. Viele Themen sind dem Künstler ein Anliegen. Auf den ersten Blick wirken seine zarten, in hellen Farben gehaltenen Zeichnungen mit Schlingen und organischen Formen harmlos und verträumt, dahinter steckt aber eine knallharte Konfrontation mit Identitätsthemen. Manchmal ist es fast schon zu viel.

Zunehmend holt Gabris seine klassischen Zeichnungen in den Raum und gestaltet Papierobjekte. Fein ausgeschnittene Kartons formen quasi Baukästen, mit denen man sich eine fluide Körperlichkeit zusammenstellen kann. Oft sind darin Insekten als Meister der Wandelbarkeit zu entdecken. Grenzen und Normen werden bei Gabris laufend infrage gestellt. In seiner neuen Serie hängen die mit bunten Kordeln versehenen Apparaturen von der Decke. Für Performances zieht der Künstler, der sonst Seidenhemd, weiße Sneakers und Goldohrringe trägt, diese auch an.

Robert Gabris
Auf den ersten Blick wirken die zarten Zeichnungen harmlos und verträumt, dahinter stecken aber knallharte Identitätsthemen.
Bildrecht, Wien 2023

Kein Robin Hood

Dass Gabris mit seiner Kunst das Verlangen nach mehr Diversität an Kunsteinrichtungen bedient, ist ihm bewusst. Die Nachfrage sei enorm, erzählt er. "Allein im letzten Jahr hatte ich 33 Ausstellungen", so Gabris. Jetzt sagt er viele Projekte ab, vor allem, wenn er das Gefühl hat, dass es sich dabei nur um "Diversity-Washing" handle. "Ich möchte einen Diskurs vorantreiben, aber nicht nur inhaltliches Futter hergeben. Immerhin trage ich eine Verantwortung gegenüber meiner Community", erklärt er.

Das Preisgeld des Belvedere Art Award von 20.000 Euro steckt der Künstler zu einem Großteil in die Unterstützung der Roma-Community in der Slowakei, in der er auch geboren wurde. Mit seinem Partner hilft er dort bei Renovierungsarbeiten. Er sehe es als seine Aufgabe, als erfolgreicher Künstler in einer privilegierten Gesellschaft die Ressourcen umzuverteilen, sagt er. Als eine Art Robin Hood möchte er sich aber keinesfalls inszenieren. Für seine Community sei die Unterstützung existenziell notwendig – für ihn eine Selbstverständlichkeit. (Katharina Rustler, 19.9.2023)