Zelte in Darna
Zelte werden vor eingestürzten Gebäuden in Derna errichtet.
AP/Muhammad J. Elalwany

Darna – Unter den identifizierten Todesopfern der Überschwemmungskatastrophe in Libyen waren nach Angaben der UN-Organisation für Migration (IOM) etwa zehn Prozent Migranten und Migrantinnen. Das teilte die Organisation auf der Plattform X (vormals Twitter) mit. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden bis Ende vergangener Woche rund 4.000 Todesopfer identifiziert und mit Totenscheinen registriert. Die IOM geht davon aus, dass sich darunter rund 400 Migrantinnen und Migranten befanden.

Diese Zahl dürfte sich mit der andauernden Bergung weiterer Leichen noch ändern. Die tot aufgefundenen Migrantinnen und Migranten stammten den Angaben nach aus Ägypten, dem Sudan und Bangladesch. In Libyen halten sich hunderttausende Migranten und Migrantinnen auf. Einige leben und arbeiten langfristig in dem nordafrikanischen Land, während es andere als Transitland nutzen, um nach Europa zu gelangen.

Die IOM und die WHO geben die Zahl der bestätigten Todesfälle ähnlich hoch an. Die Regierung im betroffenen Osten Libyens bezifferte die Zahl der offiziell registrierten Toten mit Stand vom Montagabend auf 3.338. Vor den Überschwemmungen lebten tausende Migrantinnen und Migranten in der stark zerstörten Hafenstadt Derna. Sie dürften von den Überschwemmungen besonders betroffen gewesen sein, lebten sie doch überwiegend in niedrig gelegenen Gebieten der Küstenstadt.

Politischer Widerstand

Unterdessen formiert sich in Derna politischer Widerstand gegen die Machthaber. Hunderte Menschen demonstrierten am Montag in der Küstenstadt für die Absetzung des Gemeinderats und die Vereinigung Libyens. Der libysche TV-Sender Al-Masar zeigte Aufnahmen, in denen die Demonstrierenden forderten, dass die Verantwortlichen der Katastrophe zur Rechenschaft gezogen würden.

Nach Aussagen von Augenzeugen sollen Demonstrierende am Abend auch probiert haben, das Haus des zurzeit suspendierten Bürgermeisters Abdel-Moneim al-Gheithy in Brand zu setzen. Durch die verheerenden Überschwemmungen sind auch zwei Dämme in Derna gebrochen. Den Behörden wird vorgeworfen, diese nicht ordnungsgemäß instandgehalten und somit zum Ausmaß der Katastrophe beigetragen zu haben.

Der Student Said Mansour forderte, dass untersucht werde, warum die Dämme gebrochen seien. Denn dadurch hätten "wir Tausende unserer geliebten Menschen verloren". Der 39-jährige Taha Miftah sagte, der Protest sei eine Botschaft, dass "die Regierungen bei der Bewältigung der Krise versagt haben", wobei er dem Parlament eine besondere Schuld zuschrieb. Er verlangte eine internationale Untersuchung der Katastrophe und "einen Wiederaufbau unter internationaler Aufsicht".

Ermittlungen wegen der Dammbrüche aufgenommen

Der libysche Staatsanwalt Al-Sedik al-Sur hat wegen der Dammbrüche Ermittlungen aufgenommen. Die Dämme sollen Risse gehabt haben, und es soll Geld für die Instandhaltung bereitgestellt worden sein. Der Staatsanwalt will den Verbleib der Gelder nun klären. Dernas Bürgermeister Al-Gheithy wurde außerdem vorerst von seinem Amt suspendiert.

Libyen ist faktisch zweigeteilt ist. Das Bürgerkriegsland hat im Westen eine Regierung, die international anerkannt ist. Im Osten, wo der Sturm Daniel besonders großen Schaden angerichtet hat, herrscht eine andere Regierung, die international nicht anerkannt ist. Daniel hatte Libyen am 10. September erfasst. (APA, 19.9.2023)