Ein Auto steht in Larissa in Griechenland bis zu den Rückspiegeln im Wasser, umgeben von Straßenlaternen, Bäumen und Büschen.
Sturm Daniel sorgte in Mittelmeerländern für extreme Regenfälle und Hochwasser, hier in der griechischen Stadt Larissa.
EPA/APOSTOLIS DOMALIS

Viele Mittelmeerländer hatten in den vergangenen Wochen mit Überflutungen zu kämpfen: In Spanien und Griechenland starben nach Unwettern mit Starkregen mehrere Menschen, unter anderem ein seit kurzem verheiratetes Paar aus Österreich, zahlreiche Personen können nicht in ihre zerstörten Häuser zurückkehren. Besonders schlimm ist die Lage in Libyen, wo man vor allem in der Hafenstadt Derna nach zwei Dammbrüchen mit etwa 20.000 Toten rechnet und hunderttausenden Überlebenden im Land, die ihr Zuhause verloren haben oder anderweitig betroffen sind.

Extremereignisse wie diese kommen in einer wärmer werdenden Welt statistisch immer häufiger vor, wie der Weltklimarat IPCC vor zwei Jahren zusammenfasste. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass wärmere Luft mehr Wasser "halten" kann: Ein Grad Erwärmung sorgt für sieben Prozent mehr Wasserdampf, wie die Clausius-Clapeyron-Gleichung besagt. Ist mehr Wasser in der Luft, kann auch mehr abregnen. Bei einer globalen Erwärmung um 1,5 Grad besagt die eher konservative Schätzung des IPCC, dass Niederschläge wie am regenreichsten Tag einer Dekade 1,5-mal häufiger auftreten. Bei vier Grad mehr käme ein solcher Starkregen 2,8-mal so oft vor, ein Szenario, das bei weiterhin hohen CO2-Emissionen eintreten könnte.

Bei Regen ist es nicht so einfach wie bei Hitze, einen direkten Zusammenhang zwischen einzelnen Extremereignissen und der Klimakrise herzustellen. Die internationale World Weather Attribution Group versucht dennoch, solche fachlich fundierten Einschätzungen zu liefern – und zwar nicht Monate oder Jahre später wie in der Forschung bisher üblich, sondern bereits relativ kurz nach einem Ereignis. Am Dienstag veröffentlichte sie eine weitere Analyse, der zufolge der Klimawandel das Eintreten der Flutkatastrophen der vergangenen Wochen in der Mittelmeerregion deutlich wahrscheinlicher gemacht hat. Der Forschungsgruppe zufolge könnte die von Menschen verursachte Erderwärmung die Wahrscheinlichkeit für so heftige Regenfälle in Ländern wie Griechenland, Bulgarien und der Türkei um etwa den Faktor zehn erhöht haben.

Unsichere Zahlen ...

In Libyen könnte Starkregen wie der gerade erlebte sogar bis zu 50-mal wahrscheinlicher als in einem Szenario ohne menschengemachten Klimawandel sein. Dadurch, dass wie in Libyen in Überschwemmungsgebieten gebaut werde oder Dämme nur mangelhaft instandgehalten würden, könne Extremwetter dann zur humanitären Katastrophe werden, erläutert die Forschungsgruppe. An der vorliegenden Studie waren Fachleute von Universitäten und Forschungszentren in Griechenland, den Niederlanden, Großbritannien und den USA beteiligt.

Blick von oben auf Flutkatastrophe in Libyen, Derna: Hochwasser und Überflutung von Stadtteilen.
Durch die immensen Regenmengen brachen in der Küstenstadt Derna in Libyen Dämme, das Wasser spülte ganze Stadtviertel weg.
AFP/BLACKSKY/-

Für die Auswertung wurden Klimadaten analysiert und mit etablierten Computersimulationen für eine Welt ohne Klimaerwärmung verglichen, der Temperaturunterschied macht seit dem späten 18. Jahrhundert global etwa 1,2 Grad aus. Die Ergebnisse seien mit großen mathematischen Unsicherheiten behaftet, schränken die Forschenden ein. Die Ereignisse hätten auf relativ kleinen Flächen stattgefunden, und die meisten Klimamodelle könnten Niederschläge auf so kleinen Flächen nicht gut abbilden.

Auch wenn eine genaue Quantifizierung des Beitrags der globalen Erwärmung bei den Überschwemmungen anders als bei den verheerenden Hitzewellen und Waldbränden in der Region schwierig sei, gilt Mitautorin Friederike Otto vom Imperial College London zufolge definitiv: "Der Mittelmeerraum ist ein Hotspot der durch den Klimawandel verursachten Gefahren." Die Widerstandsfähigkeit gegenüber Extremwetterereignissen müsse in der Region deutlich erhöht werden, um in Zukunft Menschenleben bewahren zu können.

... aber klarer Zusammenhang

Auch andere Fachleute bekräftigen diesen Zusammenhang. Hydrologe Günter Blöschl von der Technischen Universität Wien sagte gegenüber "Nature News", dass Attributionsstudien die Wahrscheinlichkeit abschätzen können, ob der Klimawandel den für die Überschwemmungen verantwortlichen Sturm Daniel beeinflusst haben könnte. Die Antwort darauf laute "Ja", sagt Blöschl: "Es gibt einen ganz klaren Kausalzusammenhang."

Ein Lkw steht in hohem Wasser
Rettungskräfte versuchten in Libyen, der Bevölkerung zu helfen.
AFP/Libyan Red Crescent/BASMA BADRAN

Hohe Wassertemperaturen können zu schwereren Stürmen beitragen. Das Mittelmeerwasser, das in diesem Sommer mit 28,7 Grad Celsius einen neuen Negativrekord erreichte, war Anfang September an der Oberfläche wärmer als 26 Grad, an der libyschen Küste sogar mehr als 27,5 Grad. Auch der Jetstream könnte eine Rolle spielen, wenn sich durch die Verlangsamung des Windbands Wetterlagen länger an einem Ort halten. Dadurch können sich sogenannte Omegalagen ergeben, die wie der griechische Buchstabe Omega geformt sind und darin Stürme "festhalten" können.

Auch das Hochwasser im deutschen Ahrtal vor zwei Jahren war laut Blöschl auf eine solche atmosphärische Blockierung zurückzuführen. Zwar sei noch nicht gesichert nachgewiesen, dass der Klimawandel die Wahrscheinlichkeit für diese Blockierungen erhöht, es sei aber "plausibel". In Europa sei es in den vergangenen 30 Jahren öfter zu Überflutungen gekommen als in jeder anderen Zeitperiode der vergangenen 500 Jahre, wie Blöschl mit anderen Fachleuten in einer Studie zeigen konnte.

Mediterraner Hurrikan

Der Sturm Daniel hat sich zu einem sogenannten Medicane – einem mediterranen Hurrikan – ausgewachsen. Am 5. und 6. September sorgte er in Griechenland für Chaos: Im Dorf Zagora im Osten der Region Thessalien wurde binnen 24 Stunden eine Niederschlagshöhe von 75 Zentimeter (!) gemessen. Das entspricht der Weltwetterorganisation WMO zufolge üblicherweise der gesamten Regenmenge in eineinhalb Jahren.

Satellitenbilder von Derna in Libyen nach der Flutkatastrophe.
Satellitenbilder zeigen das Ausmaß der Zerstörung in Derna.
AFP/Satellite image ©2023 Maxar Technologies

Libyen erfasste der Sturm am 10. September. Dort regnete es innerhalb von 24 Stunden so viel wie sonst innerhalb eines ganzen Jahres. In der besonders betroffenen Stadt Derna waren es mehr als 27 Zentimeter Regen binnen eines Tages. Dort brachen zwei Dämme, ganze Viertel der rund 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner zählenden Stadt wurden ins Meer gespült. Viele Tausend Menschen kamen in dem nordafrikanischen Bürgerkriegsland durch die Katastrophe ums Leben. Aktuell befürchtet man einen Ausbruch der Cholera durch verschmutztes Wasser.

Schutzübungen nötig

Bei dem Ausmaß der Flutkatastrophe in Libyen spielten der Studie zufolge zudem noch weitere menschliche Faktoren wie Abholzung und Konflikt-Folgen eine Rolle. "Dieses verheerende Desaster zeigt, wie durch den Klimawandel befeuerte extreme Wetterereignisse sich mit menschlichen Faktoren verbinden und noch größere Auswirkungen haben", sagte die an der Studie beteiligte Direktorin des Red Cross Red Crescent Climate Centre, Julie Arrighi. Es gebe Lösungen, die helfen könnten zu verhindern, dass Katastrophen zur Routine würden. Dazu gehörten ein verstärktes Notfallmanagement, verbesserte Vorhersagen, Warnsysteme und Infrastruktur, die dem künftigen Klima angepasst sei.

Wie schwierig diese Maßnahmen in politisch instabilen Ländern umzusetzen sind, zeigt das Beispiel Libyen ebenfalls. Das nationale Wetterzentrum in der Hauptstadt Tripolis warnte 72 Stunden vor dem Eintreffen des Sturms staatliche Organisationen. Im Osten des Landes wurde sogar der Notstand ausgerufen, doch es fehlten ausreichende Maßnahmen, die die Katastrophe zum Teil hätten verhindern können, etwa durch Evakuierungen. Es gebe generell zu wenige Schutzübungen für den Hochwassernotfälle, sagt Blöschl: Wenn politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger "vorbereitet sein wollen, müssen wir solche Übungen regelmäßig durchführen". (sic, APA, 19.9.2023)