Dr. Richard, Premium Class Bus
Bus und Bahn können als Konkurrenten, aber auch als verknüpfbare Glieder im öffentlichen Verkehr betrachtet werden.
Dr. Richard / M. Scheer

In einer von Greenpeace in Auftrag gegebenen Studie ist berechnet worden, dass Österreich seit den Neunzigerjahren mehr als 650 Kilometer an regionalen Bahnstrecken verloren hat. Die Landesregierungen müssten daher so schnell wie möglich "in die Wiedereröffnung geschlossener Strecken für den Personenverkehr investieren", fordert die Umweltschutzorganisation. Tenor der Kritik: Der klimafreundliche Schienenverkehr werde rückgebaut statt ausgebaut.

Bei der ÖBB hielt man entgegen, dass diese Kritik zu kurz greife. "Ein moderner Autobus verbraucht viel weniger Diesel pro Fahrgast als eine alte Diesellok", sagte Franz Hammerschmid, zuständig für strategische Planung bei der ÖBB-Infrastruktur, auf Ö1. Da ließe sich grundsätzlich einwenden, dass man alte Diesellokomotiven auch durch elektrifizierte Züge ersetzen könnte. Was aber natürlich sehr teuer wäre.

DER STANDARD hat den deutschen Mobilitätsexperten Alexander Klinge gefragt, was die jeweiligen Vorzüge und Nachteile von Bus und Bahn im Regionalverkehr sind. Klinge war Forscher am Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (Ikem) in Berlin und arbeitet nun für den Thinktank Neuland21.

Vorteile von Regionalbussen

Nachteile von Regionalbussen

Kürzere Lebensdauer

ÖBB-Manager Hammerschmid führte auch den kürzeren Lebenszyklus von Bussen als potenziellen Klimavorteil im Regionalverkehr an. "Bei der Eisenbahn beträgt der Lebenszyklus eines Fahrzeugs 30 oder 40 Jahre. Sie können einen Dieselzug aus den Neunzigerjahren nicht einfach so ersetzen, weil Sie das Fahrzeug dann woanders einsetzen müssen. Das ist in der Bilanz noch drinnen." Bei Bussen hingegen betrage die Lebensdauer oft nur "vier oder fünf Jahre". Der Zyklus, "in dem das Fahrzeug wechselt und eine neue Technologie kommt", sei viel schneller.

Klinge sieht hier aber eine Lücke zwischen Theorie und Praxis. "In der Realität läuft die Elektrifizierung der Busse noch relativ schleppend. Wenn die Kommunen in Deutschland ihre Ausschreibungen machen, sind Dieselbusse nach wie vor günstiger als Elektrobusse."

ÖBB, Cityjet, Regionalverkehr
Es sei ein Gerücht, dass man "die Regionalstrecken stiefmütterlich behandelt", heißt es aus der ÖBB. In den Jahren 2013 bis 2018 werde der Konzern rund 1,8 Milliarden Euro in die Modernisierung und Attraktivierung der Regionalbahnen investieren.
ÖBB/Harald Eisenberger

Bus folgt Bahn

Fest steht, dass viele österreichische Gemeinden in den vergangenen 30 Jahren ihre Bahnhöfe verloren haben. In der besagten Studie, die der T3 Transportation Thinktank und das Wuppertal-Institut im Auftrag von Greenpeace durchgeführt haben, kommen zum Beispiel das sogenannte Schweinbarther Kreuz, eingestellt im Jahr 2019, und die Strecke Schwarzenau–Zwettl, eingestellt im Jahr 2010, vor. Zwettl hat damit als Bezirkshauptstadt mit 11.000 Einwohnern keine Zuganbindung.

Beim Verkehrsverbund Ost-Region (VOR) betont man, dass in beiden Fällen heute regionale Busse fahren, die von den Fahrgästen sehr gut angenommen werden. Die Regionalbuslinie 170 zwischen Zwettl und Krems nähmen täglich 900 Menschen in Anspruch, weitere rund 300 Personen zähle man täglich auf der Linie 101 zwischen Zwettl und St. Pölten.

Beispiel Schweinbarther Kreuz

Wo bis 2019 noch die Züge auf dem traditionsreichen Netz namens Schweinbarther Kreuz im Weinviertel fuhren – auf den zwei Strecken Obersdorf–Bad Pirawarth und Gänserndorf–Bad Pirawarth, jeweils via Groß-Schweinbarth – bietet der VOR nun die Buslinien 530 und 535 an.

Die Busse hätten 1.400 Fahrgäste pro Tag, ungefähr doppelt so viele wie damals die Bahn, heißt es aus dem VOR. Seit August 2022 werden die Busse zudem elektrisch betrieben. Diese E-Busse würden jährlich 1,3 Millionen Kilometer "nun völlig emissionsfrei" abspulen, teilt die ÖBB mit. "Ein reiner Vergleich der Länge der Zugstrecken führt nicht weiter. Das sagt wenig, ja nichts über die Angebotsqualität aus", sagt VOR-Sprecher Georg Huemer.

ÖBB verweist auf Wirtschaftlichkeit

Die ÖBB teilte 2019 nach Gesprächen mit dem Land Niederösterreich mit, die Regionalbahn Schweinbarther Kreuz werde wegen zu geringer Fahrgastzahlen eingestellt. "Für regionale Strecken, die hinsichtlich Auslastung, Fahrgastpotenzial und Investitionskosten als nicht effizient eingeschätzt werden, gibt es keine Investitionsempfehlung für den Bund", hieß es. In einem Nachruf auf das Schweinbarther Kreuz kritisierte das Magazin "Datum" die Entwicklung so: "Erst werden Regionalbahnstrecken kaputtgespart, dann werden sie von der Politik als völlig veraltet dargestellt und ihre Einstellung und Ersatz durch Autobusse als modern und fortschrittlich gepriesen."

Die Regionalbahn Schweinbarther Kreuz war mehr als hundert Jahre lang eine Lebensader im Weinviertel gewesen. Auch die Bürgerinitiative Regionalbahn statt Bus konnte sie nicht retten.

Reisebus, Mellau
Der Bus kommt auch in Gegenden, wo Bahntrassen überproportional teuer wären.
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Flexibel und wendig

Die Prognose des deutschen Mobilitätsforschers Klinge lautet allgemein: "Der Bus hat eine große Zukunft in der Flächenerschließung." Man könne mit Bussen leichter kleine Orte erschließen. Der Aufwand mit Bahntrassen erhöhe sich zudem, wenn das Gelände hügelig oder gebirgig wird.

Man könne die Frage "Bahn oder Bus" nicht plakativ beantworten. Das Ziel müsse ein attraktives Verkehrssystem sein. "Man kann nicht einfach sagen: Wir bauen das eine zurück und ersetzen es mit dem anderen", sagt Klinge.

Zukunft wird elektrischer

Beim Antrieb geht der Trend wie beim Pkw zum Elektromotor. Im Stadtverkehr ist die Entwicklung naturgemäß weiter als bei mittleren Entfernungen. Kleine E-Busse kreisen zum Beispiel in Mattersburg im Burgenland und Wolfsberg in Kärnten. In Wien sollen 60 E-Busse auf neun Linien bis Ende 2025 unterwegs sein. Vorarlberg setzt im Raum Wolfurt vier E-Busse, die von der ÖBB-Tochter Postbus betrieben werden, auch im Überlandverkehr ein.

Postbus, das größte Busunternehmen des Landes, hat insgesamt 18 E-Fahrzeuge im Einsatz. Seit Dezember 2022 betreibt man in der Region Villach auch die ersten fünf Wasserstoffbusse im Überlandverkehr. Das Projekt soll laut ÖBB auf bis zu 40 Busse ausgebaut werden. (Lukas Kapeller, 21.9.2023)