Senta Berger
Senta Berger findet nicht, dass ihre Generation ihre Kinder zu sehr "gepampert" hat.
LunaFilm / Mathias Bothor

Für eine Rolle würde sich Senta Berger sofort digital verjüngen lassen. Doch da das teuer ist, gibt es in ihrem neuen Film Weißt du noch? private Super-8-Aufnahmen von ihr zu sehen. In dem Kammerspiel geht es um ein zänkisches Ehepaar, das über gemeinsame Erinnerungen wieder zueinanderfindet. Privat schwelgt Berger weniger in der Vergangenheit, auch die Gegenwart hat es ihr angetan.

STANDARD: Derzeit wird die Arbeitsrealität in der Filmbranche diskutiert und in Hollywood bestreikt. Sie arbeiteten in den USA und waren Gründungsmitglied der Deutschen Akademie des Films. Was sagen Sie dazu?

Berger: Seitdem ich Mitte 1980 nach Deutschland zurückgekommen bin, habe ich immer die allerbesten Umstände für meine, nein, unsere Arbeit erlebt. Allein kann man in diesem Beruf gar nichts bewegen. Ich höre aber, dass die Gleichstellung für Frauen in Bezug auf die Gagen immer noch nicht durchgesetzt ist. Wenn man öffentlich sagt, dass die männliche Hauptrolle mehr bekommt als die weibliche, dann ist das unerwünscht. Über Geld wird wenig gesprochen, weil es ein sensibles Thema ist und die Produktionsfirmen gerne Einsparungen an denjenigen vornehmen, die in der schwächeren Position sind.

"Allein kann man in diesem Beruf gar nichts bewegen."

STANDARD: Sorgen macht man sich über den Einsatz künstlicher Intelligenz (KI). Wie stehen Sie dazu?

Berger: Neulich sprach ich mit amerikanischen Bekannten, die in der Branche arbeiten, darüber, ob die digitale Verjüngung, wie sie bei Harrison Ford oder Robert De Niro angewandt wurde, auch bei Meryl Streep gemacht werden würde. Und sie meinten, nein, aber nicht, weil Streep eine Frau ist, sondern weil ihre Filme nicht so erfolgreich seien wie die von Ford oder De Niro.

STANDARD: Was bedeutet das?

Berger: Das heißt, dieses sehr teure Verfahren lohnt sich bei Meryl Streep nicht. Am Ende muss immer eine anständige Ziffer stehen. Wenn männliche Stars, die ja die Helden in Hollywood sind, die erfolgreicheren Rollen spielen dürfen, dann werden sie auch weiterhin von teuren, neuen Verfahren profitieren.

STANDARD: Würden Sie sich denn mithilfe von KI verjüngen lassen?

Berger: Wenn es notwendig ist, wäre das doch fantastisch. Ich weiß aber nicht, ob das glaubwürdig ist.

Senta Berger Mabuse
Helmut Schmid und Senta Berger 1962 in einer Studioaufnahmne für "Das Testament des Dr. Mabuse".
imago images / United Archives

STANDARD: In "Weißt du noch?" geht es um ein älteres Ehepaar, das sich mithilfe einer Pille an bessere Zeiten erinnert. Die Rückblenden bestehen aus alten Super-8-Aufnahmen von Ihnen. Glauben Sie, dass Erinnerungen Beziehungen kitten können?

Berger: Das wage ich nicht zu behaupten. Bei Günter und Marianne im Film funktioniert das, und in meinem Fall, als Senta, auch. Ich erinnere mich gerne mit meinem Mann Michael an das Auf und Ab unseres gemeinsamen Lebens. Die Gefühle, die entstehen, indem man fragt "Weißt du noch?" und der andere weiß noch, nimmt man mit in die Gegenwart. Die Super-8-Schnitzel im Film zeigen, dass Marianne und Günter sich geliebt haben und dass ihre Liebe durchaus erotisch war. Die Erinnerungen wecken Gefühle. Das ist nicht immer der Fall, aber im Film glimmt es noch.

WEISST DU NOCH - Trailer
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STANDARD: Sie haben selbst eine lange Beziehung mit dem Regisseur Michael Verhoeven und währenddessen einige Karriereschritte gemacht. Was war besonders einschneidend?

"In den 1960er-Jahren wollte ich nicht länger nur in den Köpfen anderer Leute vorkommen."

Berger: In den 1960er-Jahren wollte ich nicht länger nur in den Köpfen anderer Leute vorkommen. Ich wollte selbst entscheiden, aktiv werden. Mit Michael habe ich eine Produktionsfirma gegründet, die Sentana-Film, um Filme zu realisieren, die uns gefallen. Es ging nicht darum, Filme mit mir als Schauspielerin zu produzieren! Michael ist souverän und emanzipiert, und das Gleiche hat er mir zugestanden. Ich finde es wichtig, dass man sich nicht zur radikalen Feministin entwickelt, sondern die gesamte Gesellschaft mitnimmt. Dazu gehören auch die Männer.

STANDARD: Die Sentana hat Filme produziert ("Die weiße Rose", "Das schreckliche Mädchen"), die die NS-Vergangenheit thematisieren und vom Konflikt ihrer Generation mit der der Eltern erzählen. "Weißt du noch?" erzählt von einem anderen Generationenkonflikt. Darin haben die Älteren das Gefühl, ihre Kinder zu sehr verwöhnt zu haben. Stimmen Sie dem zu?

Berger: Ich denke nicht, dass meine Generation ihre Kinder zu sehr "gepampert" hat. Unser Erbe ist auch die Moral der 68er. Dabei muss man wissen, dass viele meiner Generation noch von ihren Eltern geschlagen worden sind. Andere mussten als Jugendliche Berufe ergreifen, die sie niemals hätten ergreifen wollen. Der Zwang zu funktionieren war damals sehr ausgeprägt, und wir haben das alle mitbekommen. Diesen Fehler haben wir bestimmt nicht wiederholt. Wir haben argumentativ erzogen und das hat manches mal nicht funktioniert. Aber eine andere Lösung hatten wir nicht.

Das schreckliche Mädchen, 1990, Trailer
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STANDARD: Gerade zeigen manche Jugendliche auf die Älteren und sagen, sie hätten sich nicht um die Umwelt gekümmert. Ist das nachvollziehbar?

Berger: Ich kann diese Vorwürfe verstehen, aber ich kann mich damit nicht identifizieren. Wir gehörten schon früh zu den Grünen und haben versucht, in die Praxis umzusetzen, was wir von der Gesellschaft verlangt haben. Unsere Kinder waren lange nicht so achtsam wie wir. Die sind im Strudel des Wohlstands erst einmal mitgerissen worden. Jetzt denken sie anders. Meine Generation war die erste, die Fragen gestellt hat: Was habt ihr in der NS-Diktatur gemacht? Und die Jugend fragt uns jetzt nach dem Klimawandel. Dem müssen wir uns stellen.

STANDARD: In Ihren jüngeren Filmen finden sich viele aktuelle Themen: "Weißt du noch?" handelt vom Altern, "Oskars Kleid" von Transidentität, "Willkommen bei den Hartmanns" von der Flüchtlingskrise. Ist Ihnen soziales Engagement im Kino wichtig?

Berger: Ja. Wenn man in einer Position ist, in die ich hineingeraten bin, dann finde ich es gut, vielleicht sogar wichtig, dass man Dinge ausspricht, die unsere Gesellschaft bewegen. In "Willkommen bei den Hartmanns" hat Simon (Verhoeven, Bergers Sohn) eine wunderbare Form für die Migrationsthematik gefunden. Innerhalb dieser Familie sind alle Stimmungen und Argumente gefasst, die wir in Deutschland und Österreich haben. In Weißt du noch? war mir wichtig, ein Paar zu zeigen, das auch im Alter noch eine Frau und ein Mann bleibt und nicht nur wie in der Apothekerzeitung lustig auf dem Rad herumfährt. Altwerden ist schwer – aber man überlebt es.

STANDARD: Eine Zeitlang ...

Berger: Das ist gut. (lacht) (Valerie Dirk, 20.9.2023)