Wien – Die Regierung hat am Mittwoch im Ministerrat ihr Kinderschutzpaket beschlossen. Dieses beinhaltet unter anderem die verpflichtende Umsetzung von Schutzkonzepten an Schulen, die Verschärfung des Sexualstrafrechts und die Ausweitung des Tätigkeitsverbots. Dies Regierungsvorlagen werden nun dem Parlament übermittelt.

Susanne Raab und Alma Zadic
"Mir ist wichtig, dass kein Kind Opfer wird, dafür müssen wir sie umfassend schützen", meinte Justizministerin Alma Zadić (Zweite von rechts).
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Künftig drohen bei Besitz von Kindesmissbrauchsdarstellungen statt einem Jahr bis zu zwei Jahre Haft, teilte das Justizministerium mit. Wenn es sich um Material mit unmündigen Minderjährigen handelt, können bis zu drei Jahre Haft verhängt werden. Neu ist, dass bei Herstellung oder Anbieten einer "Vielzahl" von Missbrauchsdarstellungen – mehr als 30 Bilder oder Videos – zum Zweck der Verbreitung bis zu zehn Jahre Haft drohen.

Schutz vor sexueller Gewalt

Die am Mittwoch beschlossenen Regierungsvorlagen sind Teil eines Maßnahmenpakets, das laut der Regierung auf drei Säulen aufbaut: Prävention, Strafverfolgung und Sanktionen sowie Opferschutz. Damit soll für einen "umfassenden Schutz" von Kindern vor sexueller Gewalt gesorgt werden. "Kinder sollen nicht Opfer werden. Sie sollen schon vorher vor Übergriffen und Missbrauch geschützt werden", hieß es dazu aus den zuständigen Ministerien. Dafür werden Kinderschutzkonzepte an den Schulen eingeführt.

Überarbeitet wurden auch die Regeln für Tätigkeitsverbote bereits verurteilter Täter und Täterinnen. Um eine Ausweitung der Verbote sicherzustellen, soll das bisherige Erfordernis der Tätigkeit beziehungsweise der Tätigkeitsabsicht zum Tatzeitpunkt wegfallen.

Eine Lösung wurde laut Regierung auch für das sogenannte Sexting unter gleichaltrigen Minderjährigen gefunden. Das Justizministerium regelt künftig per Erlass, dass in solchen Fällen von einer Strafverfolgung abgesehen werden kann, auch wenn unter 14-Jährige beteiligt sind. Sollte doch die Strafverfolgung angezeigt sein, wird zu prüfen sein, ob eine Diversion möglich ist, sofern dies nicht aufgrund der Schwere der Tat und der Folgen für das Opfer ausscheidet.

Kampagne für mehr Bewusstsein

Um in der Bevölkerung mehr Bewusstsein für das Thema zu schaffen, wird in den kommenden Monaten eine Kinderschutzkampagne umgesetzt. Durch das Maßnahmenpaket wird auch der als verharmlosend kritisierte Begriff der "pornografischen Darstellung Minderjähriger" im Gesetz durch den Begriff "bildliches sexualbezogenes Kindesmissbrauchsmaterial und bildliche sexualbezogene Darstellungen minderjähriger Personen" ersetzt.

"Mir ist wichtig, dass kein Kind Opfer wird, dafür müssen wir sie umfassend schützen", sagte Justizministerin Alma Zadić zum Paket. "Kinder sind das Wertvollste, das wir in unserer Gesellschaft haben – wer sich an ihnen vergeht, zerstört unschuldige Kinderseelen und muss mit voller Härte bestraft werden", sagte Familienministerin Susanne Raab (ÖVP). "Mit dem heutigen Ministerratsbeschluss und der folgenden Umsetzung der verpflichtenden Kinderschutzkonzepte an den Schulen haben wir einen neuen Meilenstein erreicht", meinte Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP).

Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) sieht darin ein klassisches Beispiel für Anlassgesetzgebung. "Anlassgesetzgebung deshalb, weil es in letzter Zeit Anlässe gegeben hat, bei denen die Strafen nicht in Relation zum verursachten Leid standen", spielte sie auf das Urteil in der Causa Teichtmeister an, ohne diese direkt anzusprechen.

Experte ortet Symbolpolitik

Skeptisch äußerte sich der Strafrechtsprofessor Alois Birklbauer von der Uni Linz am Mittwoch im Ö1-"Mittagsjournal" über das Paket. Bei den Maßnahmen handle es sich "eher um eine Symbolik", sagte Birklbauer. "Ob die Strafverschärfung hier etwas verändern wird, ist in der kriminologischen Forschung sehr zweifelhaft."

Ähnlich äußerte sich auch Hedwig Wölfl, Geschäftsführerin der Kinderschutzorganisation Die Möwe, zur Strafverschärfung. "Das ist per se noch kein Kinderschutz, sondern nur einer von vielen Bausteinen dafür." Die Regierung solle auf das Paket nun auch ein bundesweites Kinderschutzgesetz sowie eine eigene unabhängige Koordinationsstelle folgen lassen. "Es braucht einen langfristigen Plan", so Wölfl.

Dass bei schweren Fällen der Herstellung von Missbrauchsdarstellungen das Strafmaß mit bis zu zehn Jahren gleich hoch sei wie bei direkten Missbrauchsdelikten, sei außerdem infrage zu stellen, so Birklbauer: "Unter rechtsdogmatischen und kriminalpolitischen Gesichtspunkten ist das ein sehr kritisch zu sehender Weg, weil die Wertigkeit der Delikte untereinander aus den Fugen geraten kann."

Birklbauer sieht auch die neu geschaffenen Regelung für Sexting kritisch. "Das mag pragmatisch durchaus funktionieren", sagte der Strafrechtler. Betrachte man die Lösung jedoch unter rechtsdogmatischen Gesichtspunkten, gleiche der Ansatz dem Credo: "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass." Birklbauer verwies auf andere Lösungen, die praktikabler gewesen wären. "Da kann man sicher noch ein bisschen nachdenken", sagte der Professor.

Konzepte alleine reichen nicht

Dass grundsätzlich nun verpflichtende Kinderschutzkonzepte in Schulen verankert wurden, sei begrüßenswert, erklärte Wölfl. Ebenfalls positiv hervorzuheben sei die vor der Umsetzungen stehende Kinderschutz-Kampagne. "Das war eine jahrelange Forderung", so Wölfl. Auch dass mehr Gelder in Behandlung und Beratung von Opfern flössen, sei ein wichtiger Schritt.

Birklbauer dazu: "Ich halte Prävention für sehr wichtig und finde es gut, dass es Konzepte gibt, um zu sensibilisieren, aber mit Konzepten allein ist es nicht getan." Es brauche darüber hinaus Ressourcen für Präventions- und Beziehungsarbeit. So fänden statistisch gesehen mehr als 80 Prozent aller Missbrauchsfälle in den "eigenen vier Wänden" statt "und nicht in den Institutionen wie Schule, Kulturbetrieb oder Sportbetrieb". "Da muss man hier ansetzen bei den Konzepten."

"Es ist vieles dabei, was wir gut finden", sagte Martina Wolf, Geschäftsführerin vom Bundesverband der Kinderschutzzentren, gegenüber der APA zu dem Maßnahmenpaket. "Die Schutzkonzepte müssen dann jedoch auch umgesetzt werden", hieß es von ihr. Eine Verankerung solcher Konzepte bei Vereinen oder anderen Einrichtungen wäre zudem ebenfalls wünschenswert gewesen. In Bezug auf die Strafverfolgung sagte Wolf: "Eine Therapie für Menschen, die eine pädophile Störung haben, ist noch immer die beste Therapie." (APA, red, 20.9.2023)