Ein junger Mann mit Kappe und Brille nutzt die Anwendung
Die Regulierung künstlicher Intelligenz soll Privatpersonen, Unternehmen und dem Standort Österreich Vorteile bringen. Die EU-Richtlinien lassen derweil noch auf sich warten.
REUTERS/Agustin Marcarian

Apps und Digitalanwendungen auf Grundlage künstlicher Intelligenz sind mittlerweile Teil des Alltags vieler Menschen geworden, bewusst oder unbewusst. Sogenannten Empfehlungs-Algorithmen lernen selbstständig das Verhalten ihrer Nutzer vorherzusagen. Logistikabläufe in Großunternehmen werden im Rahmen der Industry 4.0 bereits von KI gesteuert oder zumindest unterstützt. Öffentlich zugängliche "Generative"-KI, die Text und Bild für Endnutzer erstellen, sind in aller Munde.

Mit all diesen Möglichkeiten sind allerdings auch zahlreiche Risiken und Ängste verbunden. Um diese Risiken zu minimieren, die Privatsphäre der EU-Bürgerinnen und Bürger zu schützen, und Digitalunternehmen produktiv zu lenken, stellte die EU-Kommission bereits 2021 das Vorhaben "European AI Act" vor. Die Wege der Gesetzgebung sind lang. Bis Ende dieses Jahres wird nun aber auf EU-Ebene über die endgültigen Details des Gesetzes beraten, um so 2024 zu einer Einigung zu kommen.

Kampfansage

Um die Vorgaben der EU auf nationaler Ebene auch in Österreich umzusetzen und den Vorgaben teilweise voraus zu sein, präsentierte Digitalisierungs-Staatssekretär Florian Tursky am Donnerstag mehrere dazu passende Maßnahmen: eine KI-Servicestelle, die zu einer KI-Behörde wird, die Kennzeichnungspflicht für KI-Systeme sowie einen KI-Monitor. Außerdem wird die im Sommer 2021 präsentierte KI-Strategie überarbeitet und die Kompetenzbildung in der Gesellschaft mittels niederschwellig zugänglicher Workshops gestärkt.

Das Bundesministerium für Finanzen und Digitalisierung sieht die jüngsten KI-Entwicklungen in den USA und China als Zeichen dafür, dass KI-Anwendungen einer Regulierung bedürfen. Starke Regulierung würde einen Wettbewerbsvorteil für den Standort sowie Unternehmerinnen und Unternehmer schaffen. Auch die Endnutzer, also die Bürgerinnen und Bürger, sollen davon profitieren.

Tursky in Sprechposition.
Staatssekretär für Digitalisierung Florian Tursky.
IMAGO/SEPA Media/Martin Juen

KI-Servicestelle und Info-Workshops

Eine Servicestelle zum Thema künstliche Intelligenz wird in der Rundfunk- und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR) eingerichtet. Diese wird laut Bundesministerium Bürgerinnen und Unternehmen als Anlaufstelle dienen. Außerdem soll sie Vorarbeit leisten, um den European AI Act, wenn er denn mit Ende des Jahres schlagkräftig ist, auch umzusetzen. Die Servicestelle wird infolge zu einer Behörde. Diese wird die Zertifizierung und Marktüberwachung von KI-Anwendungen organisieren. Staatssekretär Tursky sagt dazu: "Mir ist es wichtig, nicht auf den AI Act zu warten, sondern bereits wertvolle Vorarbeit zu leisten, indem wir jetzt schon eine Servicestelle für KI schaffen." Neben Spanien und den Niederlanden wäre Österreich eines der ersten Länder der EU mit einer KI-Servicestelle.

Wer (noch) nicht mit konkreten Fragen aufwarten kann, jedoch Interesse am Thema hat, wird in den nächsten Monaten zusätzlich die Möglichkeit bekommen, an Workshops teilzunehmen, die "KI-Basiswissen" vermitteln sollen. Diese sollen im Rahmen der Digitalen Kompetenzoffensive der Bundesministerien stattfinden und noch im Oktober in vielen Gemeinden des Landes starten – 800 an der Zahl. Damit erhofft man sich vonseiten der Bundesregierung ein gestärktes Vertrauen in neue Technologien und besseres Allgemeinwissen über die Chancen und Risiken von KI in der Bevölkerung.

Kennzeichnungspflicht und Monitoring

Nutzerinnen und Nutzer sollen wissen, wann sie mit einer künstlichen Intelligenz interagieren und wann nicht. Dafür wird eine Kennzeichnungspflicht eingeführt, die KI-Systeme des Bundes machen den Anfang und werden noch bis Ende 2023 verpflichtend gekennzeichnet. Staatssekretär Tursky sagt dazu: "Transparenz ist wichtig, um Vertrauen zu schaffen. Daher führen wir eine KI-Kennzeichnungspflicht ein. Wie die Nährstoffangabe bei Lebensmitteln üblich ist, soll jede Österreicherin und jeder Österreich in Zukunft wissen, wann sie mit künstlicher Intelligenz interagieren."

Zusätzlich möchte man vonseiten des Bundesministeriums die Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Gesellschaft, Unternehmen und Verbraucher untersuchen. Die Daten und Ergebnisse des sogenannten KI-Monitors werden öffentlich online abrufbar sein. Damit erhofft man sich eine transparente Grundlage, auf der zukünftige Maßnahmen zur KI-Regulierung fußen werden.

Um bis Sommer 2024 strategisch auf dem neuesten Stand zu sein, wird auch die im 2021 präsentierte KI-Strategie gemeinsam mit Interessenvertreterinnen und Interessenvertretern aus Wissenschaft und Wirtschaft überarbeitet. Wie im Digital Austria Act verankert, wird infolge eine Geschäftsstelle des AI-Policy-Forums eingerichtet – diese soll die konkrete Umsetzung der KI-Strategie unterstützen. Das AI-Policy-Forum wird vom Bundesministerium für Finanzen und dem Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie finanziert und gesteuert.

Leere Sitze im EU-Parlament in Straßburg.
Erst im Juni 2023 nahm das Europäische Parlament seinen Standpunkt zur KI-Debatte ein. Nun wird um letzte Details gerungen, 2024 soll das Gesetz voraussichtlich in Kraft treten. Im Bild: Zweitsitz des EU-Parlaments in Straßburg, Frankreich.
AP/Jean-Francois Badias

Der European AI Act im Detail

Von der EU-Kommission im April 2021 vorgeschlagen, sollten KI-Anwendungen europaweit reguliert werden. Das Europäische Parlament nahm seinen Standpunkt zur Debatte erst Mitte Juni 2023 an. Derzeit wird im sogenannten "Trilog" zwischen dem Europäischen Ministerrat, dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission derzeit über letzte Details des AI Act beraten. Im Anschluss soll das Gesetz 2024 in Kraft treten. Das Europäische Parlament und der EU-Ministerrat sind gleichberechtigte Gesetzgeber der Union. Sprich: Beide Gremien müssen dem Gesetzesentwurf zur KI-Regulierung zustimmen, damit das Gesetz verabschiedet werden kann.

Über potenzielle Meinungsverschiedenheiten wurde bereits im Vorfeld spekuliert. Eine Expertenanalyse, veröffentlich von der Stanford University, gibt dazu einen kleinen Einblick. Besonders heiß diskutiert würde auf EU-Ebene der Einsatz von KI zur Überwachung im öffentlichen Raum. Das EU-Parlament möchte die Anwendung solcher Programme für Strafverfolgungsbehörden einschränken. Außerdem war im Sommer dieses Jahres noch nicht klar, wie genau "Hochrisiko-KI" definiert wird. Das Parlament erlaubt hier eine breitere Definition. In beiden Fragen sind sich Parlament und Ministerrat uneins. Mit Spannung werden auch formale Fragen verfolgt: Welche EU-Agenturen und Behörden werden für welche KI-Anwendungen und Algorithmen verantwortlich sein? Sollten beispielsweise Bildungsagenturen auch für im Bildungsbereich angewandte KI verantwortlich sein? Oder schafft man eine zentrale Behörde?

Es liegen viele Baustellen offen, in der Umsetzung müssen letztlich großteils die Nationalstaaten ran. Staatsssekretär Tursky forderte bereits im April 2023 ein höheres Tempo in der Diskussion. Nun scheint man mit den eigenen Plänen nicht länger warten zu wollen. Denn die Zeit drängt unaufhaltsam. (Sebastian Lang, 21.9.2023)