Eine Delegation ethnischer Armenier verhandelte am Donnerstag in Aserbaidschan über Lösungen des Bergkarabach-Konflikts.
Eine Delegation ethnischer Armenier verhandelte am Donnerstag in Aserbaidschan über Lösungen des Bergkarabach-Konflikts.
IMAGO/Petrov Sergey

Stepanakert/Eriwan/Baku/Moskau – Die Gespräche zwischen ethnischen Armeniern aus Bergkarabach und Aserbaidschan in der Stadt Jewlach brachten am Donnerstag keine endgültigen Vereinbarungen zwischen den Konfliktparteien, zitierte die russische Nachrichtenagentur Ria den Vertreter der ethnischen Armenier. Dieser sagte laut Ria, dass die Probleme zwischen Aserbaidschan und den Armeniern in Karabach nicht in einem einzigen Treffen gelöst werden könnten. Die Gespräche hätten im Beisein eines Vertreters der russischen Friedenstruppen begonnen, wurde zuvor gemeldet.

Baku: Erneutes Treffen vereinbart

Aserbaidschanische Behörden und ethnische Armenier aus Bergkarabach vereinbarten am Donnerstag ein baldiges erneutes Treffen, teilte die aserbaidschanische Präsidialverwaltung nach einer ersten Gesprächsrunde mit. Die aserbaidschanische Delegation legte den Karabach-Armeniern bei den Gesprächen in der aserbaidschanischen Stadt Jewlach Pläne für ihre Integration in Aserbaidschan vor, so die Präsidentschaft.

Armeniens Regierungschef Nikol Paschinjan warb für eine Befriedung des Konflikts. "Frieden ist eine Umgebung ohne zwischenstaatliche und interethnische Konflikte", sagte Paschinjan am Donnerstag in einer Rede an die Nation anlässlich des armenischen Unabhängigkeitstages. "Dieser Weg ist nicht einfach, aber wir müssen ihn gehen." "Man muss den Frieden schätzen und darf Frieden nicht mit Waffenruhe und Waffenstillstand verwechseln", sagte Paschinjan weiter.

5.000 Menschen evakuiert

Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, bisher rund 5.000 Karabach-Armenierinnen und -Armenier aus besonders gefährlichen Orten der belagerten Region herausgebracht zu haben. Zuvor hatte auch der Menschenrechtsbeauftragte der international nicht anerkannten Republik Bergkarabach (Arzach), Gegam Stepanjan, von der Evakuierung mehrerer Ortschaften gesprochen.

Ethnische Armenierinnen und Armenier warfen Aserbaidschan den Bruch der Waffenruhe vor. Im Zentrum der Regionalhauptstadt Stepanakert seien Schüsse zu hören, teilte eine Vertretung dieser Bevölkerungsgruppe am Donnerstag mit. Insider hatten zuvor Ähnliches berichtet. Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium wies die Anschuldigungen umgehend zurück.

Video: Bergkarabach: Verhandlungen über Eingliederung in Aserbaidschan.
AFP

Militäroperation

Bergkarabach liegt zwar auf aserbaidschanischem Staatsgebiet, wird aber mehrheitlich von Armenierinnen und Armeniern bewohnt. Die beiden verfeindeten Ex-Sowjetrepubliken kämpfen bereits seit Jahren um die Region. Am Dienstag startete das autoritär geführte Aserbaidschan dann eine neue Militäroperation zur Eroberung Bergkarabachs, die nur einen Tag später mit der Aufgabe der Bewohnerinnen und Bewohnern von Bergkarabach endete. Nun befürchten viele, aus ihrer Heimat vertrieben zu werden oder unter aserbaidschanische Herrschaft zu fallen.

Telefongespräch mit Putin

Nach dem Militäreinsatz Aserbaidschans forderte der russische Präsident Wladimir Putin den aserbaidschanischen Staatschef Ilham Alijew am Donnerstag auf, die Rechte der Armenierinnen und Armenier in der Kaukasusregion Bergkarabach zu respektieren. "Wladimir Putin hat betont, wie wichtig es ist, die Rechte und die Sicherheit der armenischen Bevölkerung von Karabach zu gewährleisten", erklärte der Kreml zu einem Telefongespräch zwischen den beiden Staatschefs. Alijew entschuldigte sich den Kreml-Angaben zufolge für den Tod von russischen Soldaten am Vortag in Bergkarabach. Der aserbaidschanische Präsident habe zudem "sein tiefes Beileid" angesichts des "tragischen Todes von Soldaten des russischen Friedenskontingents in Karabach am 20. September" ausgesprochen, erklärte der Kreml. Russland hat 2.000 Soldaten in Bergkarabach stationiert, die einen 2020 vermittelten Waffenstillstand überwachen sollten.

Russland gilt traditionell als Schutzmacht Armeniens und hatte eigentlich zugesichert, einen nach dem letzten Karabach-Krieg 2020 vereinbarten Waffenstillstand in der Region zu überwachen. Viele Bewohnerinnen und Bewohner der Region werfen Moskau nun vor, sie im Stich gelassen zu haben und seiner Rolle als Schutzmacht Armeniens nicht nachgekommen zu sein.

Sie kritisieren, dass russische Soldaten weder die monatelange Blockade der einzigen armenischen Zugangsstraße nach Bergkarabach durch Aserbaidschan verhinderten noch jetzt der aserbaidschanischen Armee entgegentraten. Proteste in Armeniens Hauptstadt Eriwan richteten sich deshalb auch gegen die russische Botschaft vor Ort. (APA, Reuters, 21.9.2023)