Im Bild bedient ein Arbeiter der Voestalpine am Standort Linz einen Kran mit Stahlbünde.
Noch ist die Metallindustrie von fossiler Energie abhängig - wie viele bedeutende Industriebranchen in Österreich.
APA/HANS KLAUS TECHT

Klimawandel und ökologische Transformation stellen für die österreichische Wirtschaft besondere Herausforderungen dar. Das liegt einerseits am hohen Anteil an energie- und exportabhängiger Industrie, die von (billigen) Energieimporten besonders abhängig und somit anfällig für externe Preisschocks ist, und andererseits am volkswirtschaftlich überaus bedeutenden Fremdenverkehr, der vom Klimawandel direkt betroffen ist. Hinzu kommen "Bildungsbaustellen" und die berühmte Alterung der Gesellschaft, die eher früher als später zu einer Knappheit an Arbeitskräften führen wird.

Das sind die wichtigsten Zutaten des Cocktails, an dem gemixt werden muss, um den anhaltenden Schwund an Produktivität aufzuhalten und den Wohlstand des Landes zu erhalten. "Wenn es gelingt, die Produktivität zu steigern, dann gibt es mehr Wohlstand", stellte der Vorsitzende des Produktivitätsrats, der emeritierte WU-Professor Christoph Badelt, klar. Er hat Handlungsstränge für eine "weise Industriepolitik" identifiziert: Einer liege im Bildungssystem, in dem es trotz des vergleichsweise hohen Einsatzes an Geld und Ressourcen nicht ausreichend gelinge, "Kinder von Migranten und Migrantinnen so zu fördern, dass sie in das sekundäre und tertiäre Ausbildungssystem überhaupt hineinkommen". Dabei sei genau das spielentscheidend.

Problemkreis junge Erwachsene

Die Arbeitslosenquote liegt bei Personen mit Pflichtschulabschluss bei 18 Prozent – das ist dreimal so hoch wie die allgemeine Arbeitslosenquote, rechnete Badelt vor. Zum Vergleich: Bei Personen mit abgeschlossener Lehre betrage die Arbeitslosenquote nur 4,9 Prozent. "Diese Menschen fehlen uns bei Jobs, die wir nicht besetzen können", mahnte Badelt und verwies auf die "Neets", die Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 15 und 29 Jahren, die weder in Beschäftigung noch in Aus- oder Weiterbildung sind.

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Wohl liegt Österreich im Neet-Index noch immer im unteren Drittel, die Zahl der Betroffenen in Österreich stieg während der Pandemie aber sprunghaft und ist noch immer deutlich höher als der Schnitt der 20 Euroländer und aller EU-Länder, wo sie unter dem Wert von 2010 lag (siehe Grafik). Badelt sieht darin ein beträchtliches Problem in sozialer und ökonomischer Hinsicht, denn für diese jungen Menschen bestehe eine höhere Armutsgefahr, letztlich könnten sie durch das soziale Netz fallen. Ganz zu schweigen von den Kosten für die Allgemeinheit: Die Industriestaatenorganisation OECD schätzte diese für Österreich 2014 grob auf ein Prozent des BIP. "Wenn nun die wirtschaftliche Entwicklung nachlässt, wie lang hält der Arbeitsmarkt?", stellte Badelt die entscheidende Frage. "Wir haben ein Höherqualifizierungproblem, da kann der Arbeitsminister etwas tun."

Fachkräfte der Zukunft

Der neben ihm sitzende Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) nahm den Ball auf. "Beim Arbeitskräftepotenzial können wir selbst etwas tun", man arbeite an einer Fachkräftestrategie – Stichwort Frauenbeschäftigung und höhere Qualifizierung –, um das vorhandene und teils ungenutzte Arbeitskräftepotenzial zu sichern. Den von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) angekündigten Zukunftsfonds für Anreize bei Kinderbetreuung, Wohnen und Klima/Umwelt brauche es für die Bundesländer, assistierte Badelt mit Verweis auf die laufenden Finanzausgleichsverhandlungen, in denen über die Verteilung der Staatseinnahmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden verhandelt wird.

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Stichwort Klima, Umwelt und Transformation der Wirtschaft: Dauerhaft hohe Energiepreise sind für die extrem exportabhängige Industrie ein Riesenproblem. Denn sie verliert ständig an Wettbewerbsfähigkeit. Eine dauerhafte Subventionierung sei nicht möglich, stellte Kocher klar – auch mit Blick auf das Gezerre in Deutschland um einen Industriestrompreis, mit dem Auto-, Chemie und Metallindustrie der Weg zu Energiewende und Transformation geebnet werden soll. Für Österreich, das bis 2024 großzügigere Energiehilfen in Milliardenhöhe gewährt, wäre ein garantierter Industriestrompreis von sechs Cent pro Kilowattstunde quasi der Super-GAU. "Besser wäre, die Frage der Strompreisfindung auf europäischer Ebene zu lösen", sagte Kocher, der zugleich versichert: "Wir subventionieren aber nicht, um die Produktivität zu heben, sondern um Nachteile gegenüber Deutschland und Frankreich auszugleichen." Damit soll Spielraum für Innovation, Transformation und Energiewende geschaffen werden – sonst wandere die Industrie ab.

Ein umfangreiches Pflichtenheft mit Maßnahmen zur Standortpolitik und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit hat der Produktivitätsrat im Juni vorgelegt. (Luise Ungerboeck, 22.9.2023)