Ernst Nevrivy, Bezirksvorsteher in Wien-Donaustadt.
Ernst Nevrivy, Bezirksvorsteher in Wien-Donaustadt, hält die Vorwürfe für eine "Hetzjagd, die gewaltig ist, von einigen grünen Politikerinnen und Politikern"
APA/HERBERT PFARRHOFER

Die Geschichte begann so: Ernst Nevrivy, roter Bezirksvorsteher in Wien-Donaustadt, kaufte im Sommer 2020 ein Grundstück in einer Kleingartensiedlung. Damals war es dort nur erlaubt, Badehütten mit einer Größe von 30 Quadratmetern zu errichten. Etwas mehr als ein Jahr später beschloss der Wiener Gemeinderat eine Umwidmung, die den Bau von deutlich größeren Gebäuden ermöglichte. Davon soll auch Nevrivy profitiert haben. Vor rund drei Jahren zahlte der SPÖ-Politiker für sein Grundstück 420 Euro pro Quadratmeter, durch die Aufwertung dürfte der Wert etwa auf das Doppelte gestiegen sein. Das berichtete die "Wiener Zeitung".

Doch Nevrivy dürfte damit nicht allein gewesen sein. Neben dem Bezirksvorsteher sollen laut Recherchen von "Wiener Zeitung" und Ö1 noch andere Wiener Rote von einer Umwidmung in der Kleingartensiedlung profitiert haben. Das zeige ein Blick ins Grundbuch. Eine Politikerin soll dabei sogar die Rolle der Verbinderin vom Kleingarten zum Magistrat innegehabt haben.

Wie am Freitagnachmittag bekannt wurde, ist nun auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) mit der Causa betraut. Sie bestätigte dem Nachrichtenmagazin "Profil", dass bereits eine Anzeige gegen eine Person vorliege – unklar ist, ob es sich um Nevrivy handelt. Nun werde die Zuständigkeit und der Anfangsverdacht geprüft. Ob es zu einem Ermittlungsverfahren kommt, sei offen.

Umwidmung schon 2018 Thema?

Die drei SPÖ-Politikerinnen sollen sich lange vor Nevrivy, nämlich im Jahr 2016, einen Kleingarten zum damals günstigen Quadratmeterpreis von 380 Euro gekauft haben. In ihren Kaufverträgen sei von möglichen, aber noch nicht eingeleiteten Umwidmungsverfahren die Rede, berichtet das Ö1-"Morgenjournal".

Eine der Politikerinnen sei Julia Lessacher, heute stellvertretende Bezirksvorsteherin in Wien-Mariahilf. Laut einem Protokoll sagte der Obmann des Kleingartenvereins 2018: "Durch die Mithilfe unserer neuen Eigentümerin, Frau Julia Lessacher, hat ein Treffen mit dem Bezirksvorsteher, Herrn Ernst Nevrivy, in unserer Anlage stattgefunden. Hauptthema war die geplante Stadtstraße, die Umwidmung unserer Anlage und die Mayredergasse."

Lessacher soll laut den Medienberichten in der Folge als Verbinderin zum Rathaus fungiert haben. Die Verhandlungen mit dem zuständigen Magistrat will der Vereinsobmann immer gemeinsam mit Lessacher geführt haben. Lessacher entgegnet: "Ich habe Herrn Obmann Klein dahingehend unterstützt, dass ich ihm für den Laien schwer verständliche Mitteilungen der Magistratsdienststellen erläutert habe und ihm mit Formulierungen geholfen habe." Mittlerweile ist Lessacher Obmann-Stellvertreterin des Kleingartenvereins. Ihr Grundstück wollte sie nicht verkaufen.

Die Wiener SPÖ-Politikerin Astrid Rompolt wiederum sei sogar bei der Sitzung des Wiener Gemeinderats am 25. November 2021 anwesend gewesen, bei der die Umwidmung – auch ihres Kleingartens – beschlossen worden sei. Da sich im Vorfeld alle Parteien über die Pläne einig waren, sei im zuständigen Ausschuss nicht darüber abgestimmt worden. "Da im Vorfeld der Sitzung klar war, dass es keine separate Abstimmung geben würde, weil alle Parteien dafür waren, war eine Offenlegung auch nicht nötig", sagte Rompolt zu "Wiener Zeitung" und Ö1 auf die Frage, warum sie bei der Abstimmung nicht erwähnt habe, dass sie auf besagter Anlage einen Kleingarten besitze. An einen Verkauf denke sie nicht.

Die dritte rote Politikerin ist die Nationalratsabgeordnete Petra Bayr. Sie besitze gleich zwei Grundstücke in der Kleingartensiedlung, die sie jeweils vor der Umwidmung erworben habe. Eines davon will Bayr – mit Umwidmungsgewinn – verkaufen.

Der Bezirksvorsteher von Wien-Donaustadt, Ernst Nevrivy, hat am Freitag die Vorwürfe im Zusammenhang mit einem Grundstückskauf in einem Kleingarten zurückgewiesen. Die Pläne, dass dort umgewidmet werden soll, waren seit 2006 bekannt, versicherte er im Gespräch mit der APA. "Ich habe zu keinem Zeitpunkt Einfluss genommen", beteuerte er. Die Wiener Grünen zeigen sich dahingehend skeptisch. Sie fordern, dass Nevrivy sein Amt ruhend stellt, "bis alle Vorwürfe aufgeklärt sind".

Nevrivy sei sich allerdings bewusst, dass die Optik "nicht optimal" sei. "Es ist bedauerlich, welches Bild von mir gezeichnet wird." Er habe vor, das Grundstück weiter zu nutzen, sagte Nevrivy – der nicht an einen Rücktritt denkt und sein Amt auch nicht ruhend stellen will, wie er der APA versicherte.

Novak will Vorgehen aufklären

Und wie sieht die SPÖ die Causa? Im Büro des Wiener Bürgermeisters und SPÖ-Chefs Michael Ludwig verweist man auf die Landespartei. Für Parteisekretärin Barbara Novak ergibt sich eine "ganz schlechte Optik". Sie erklärt auf STANDARD-Anfrage, dass jeder, der bei der SPÖ ein Mandat annimmt, auch nach den moralischen Ansprüchen der Sozialdemokratie beurteilt werde.

Novak will Stellungnahmen der betroffenen Personen einholen und das Vorgehen aufklären. Jedoch sagt sie auch, es sei an sich nicht unredlich, wenn man "vor sieben Jahren einen Kleingarten gekauft hat". Ein Problem sei es dann, wenn jemand ein Grundstück erworben hat, um von der Umwidmung zu profitieren. (jan, ook, rach, APA, 22.9.2023)