Das Schild am Eingang des Finanzzentrums Wien Mitte, des größten Finanzamts in Österreich
Mitten in Wien befindet sich das Finanzamt für ganz Wien, das Herz der Finanzverwaltung. Die Finanzstrafbehörden sieht man nicht.
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Darf man dem Rechnungshof (RH) Glauben schenken, wurde die Bündelung der Kräfte für Finanzstrafverfahren in der Finanzverwaltung bei weitem nicht jener Erfolg, den das im Dezember 2018 von Hartwig Löger (ÖVP) geleitete Finanzministerium von der Reform versprach. Die staatlichen Buchprüfer attestieren in ihrem am Freitag dem Nationalrat zugeleiteten Bericht einen eklatanten Personalmangel in dem am 1. Jänner 2021 geschaffenen Amt für Betrugsbekämpfung (ABB).

In diesem wurden die Abgaben- und Sozialbetrugsbekämpfungseinheiten des Finanzministeriums zusammengeführt. Dadurch werde eine abgestimmte und effiziente strategische und bundesweit operative Steuerung der präventiven und repressiven Betrugsbekämpfung im Finanzressort gewährleistet, ist noch heute auf der Website des Ministeriums zu lesen.

Allerdings hakte es bei dieser Reform von Anfang an. Bereits bei der Überleitung des Personals der Strafsachenstellen von den Finanzämtern ins neue ABB klaffte eine Lücke von 37 Vollzeitäquivalenten, statt 174 standen nur 137 Vollzeitäquivalente zur Verfügung. Dies, obwohl der RH in seinen einschlägigen Berichten von 2010 und 2016 bereits ausführlich auf die prekäre Personalsituation im Finanzstrafbereich hingewiesen hatte.

Während der Pandemie wurde es, wenig überraschend, nicht besser. Im März 2022 verfügte der Bereich Finanzstrafsachen über 195 Vollzeitäquivalente, also auf Vollzeit umgerechnete Planstellen. Das waren um 40 weniger, als Planstellen genehmigt waren. Das Leistungsausmaß war damit um 50,37 Vollzeitäquivalente oder 26 Prozent geringer als das Beschäftigungsausmaß, rechnen die Rechnungshofprüfer vor.

Schleppende Nachbesetzungen

Die Auswirkungen dieses Personalmangels waren offensichtlich erheblich. Die vorgesehene gerechte und "vernünftige Verteilung" der Prüfungen auf die vorhandenen Teams war nicht möglich, und es kam insbesondere in Ballungsräumen zu hoher Arbeitsbelastung. Die von dem für Beamte zuständigen Kunst- und Sportministerium zugeteilten 32 Vollzeitstellen für den Bereich Finanzstrafsachen brachten nur wenig Linderung. Denn Ende 2021 standen davon bundesweit nur 21 zur Verfügung.

Auch die vom Vorstand des ABB eingeleiteten Organisationsentwicklungsmaßnahmen führten offenbar nicht zum Erfolg. Im Oktober 2021 startete die ABB-Führung ein Pilotprojekt, in dem die engen Geschäftsbereichsgrenzen im ABB quasi aufgeweicht und ein "fallbegleitender Fachbereich für gerichtlich zu ermittelnde Finanzstraffälle" getestet werden sollten. Dazu sollten sechs Bedienstete des Fachbereichs Finanzstrafsachen befristet auf ein Jahr in den Bereich Steuerfahndung versetzt werden.

Der Effekt stellte sich dem RH so dar: Der Fachbereich Finanzstrafsachen wurde weiter ausgedünnt und wäre bei Fortführung des Pilotbetriebs auf sechs eingearbeitete Bedienstete geschrumpft, weil auch Pensionierungen zu erwarten waren. Die Erledigung komplexer Fälle und die Qualitätssicherung wären wohl unter die Räder gekommen.

"Zu zentrierte Betrachtung"

Das Finanzministerium widersprach dieser Darstellung harsch. Der Rechnungshof habe im Rahmen seiner Gebarungsprüfung "eine zu zentrierte Betrachtung des Bereichs Finanzstrafsachen" vorgenommen. Die vom RH betrachteten Personalthemen würden kein vollumfängliches Bild der Personalressourcen der gesamten finanzstrafbehördlichen Aufgaben des ABB aufzeigen. Eine Gesamtbetrachtung der Bereiche Finanzstrafsachen und Steuerfahndung hätte hingegen klar ausgewiesen, dass die vom ABB-Vorstand fokussiert eingeleiteten Organisationsentwicklungsmaßnahmen den Bereich Finanzstrafsachen nicht geschwächt, "sondern ein besonderes Augenmerk auf das von der Finanzstrafbehörde wahrzunehmende gesetzliche Beschleunigungsgebot gelegt hätten". Die Ausführungen des RH zum oben erwähnten Pilotprojekt seien nicht nachvollziehbar. Gerichtliche Finanzstrafverfahren würden ohnehin im Bereich Steuerfahndung verbleiben, was zu einer Entlastung bei bestimmten Aufgaben im Bereich Finanzstrafsachen führe.

Der Rechnungshof betont, dass er die Bündelung der finanzstrafrechtlichen Angelegenheiten im Amt für Betrugsbekämpfung nicht grundsätzlich kritisiert oder gar ablehnt. Aufgrund des notorischen Personalmangels stimme aber die Qualität nicht – auch weil die geplante IT-gestützte Verteilung der Arbeit ein Jahr nach Errichtung des ABB noch immer nicht umgesetzt sei. Auch Datenauswertungen seien nur eingeschränkt, Datenexporte in Excel gar nicht möglich gewesen.

Entlastung durch Covid

Insgesamt kritisiert der Rechnungshof nicht die Neuordnung der Finanzstrafbehörde, sondern dass der Personalmangel nicht behoben wurde. Im gesamten Bereich Finanzstrafsachen waren von 236 Planstellen Anfang März 2022 nur umgerechnet rund 195 Vollzeitstellen besetzt. Eklatant ist der Mangel demnach in Wien, wo ein Drittel aller offenen verwaltungsbehördlichen Verfahren anfällt. Gerade hier sei nur rund die Hälfte der Planstellen besetzt.

Das blieb nicht ohne Folgen: 2021 waren nur halb so viele Verfahren abgeschlossen wie 2017, die Zahl der offenen Verfahren lag mit 2.739 nach einem zwischenzeitlichen Rückgang wieder auf dem Niveau von 2017, listet der RH auf. So verrückt es klingen mag: Die Covid-19-Pandemie hat geholfen, denn es gab 2021 weniger Prüfungen, dadurch konnte der Arbeitsanfall bewältigt werden. "Erreicht aber die Prüftätigkeit der Außenprüfungen wieder den Umfang der Jahre vor der Pandemie, wird mit dem vorhandenen Personal der Arbeitsaufwand nicht bewältigbar sein", prophezeit der Rechnungshof. Es drohten erneut Rückstände und Qualitätseinbußen. Ende 2021 waren Finanzstrafverfahren durchschnittlich 1,1 Jahre offen. Die Vorschreibungen von verhängten Geldstrafen betrugen 10,16 Millionen Euro, der Rückstand aus den bereits rechtskräftig entschiedenen Verfahren lag bei 24,30 Millionen Euro. (Luise Ungerboeck, 22.9.2023)