Joesi Prokopetz
Joesi Prokopetz hat nicht nur die Neue Deutsche Welle mit DÖF miterfunden – der Autor kennt auch Dämonen.
Lukas Beck

Mit einer Leiche beginnt nicht nur jede Kriminalgeschichte, sondern auch die Karriere von Joesi Prokopetz: "Heast, des is makaber, da liegt ja a Kadaver." 1971 dichtet der 19-Jährige den Text zum Hofa, sein Schulkollege Wolfgang Ambros vertont ihn, die beiden begründen den Austropop. Mehr als 50 Jahre später baute Prokopetz die Geschichte zum Krimi Hofer (Verlag Edition a) aus. Warum, erzählt er beim Gulaschessen im Kaffeehaus.

STANDARD: Warum sind Sie an den Ort des Verbrechens zurückgekehrt?

Prokopetz: Mein Verleger hatte die Idee, aus dem Lied einen Krimi zu machen. Zwei Tage lang habe ich darüber nachgedacht. Ich hatte Bedingungen: Man darf nicht wissen, wer den Hofer umgebracht hat, und auch nicht, wie er mit Vornamen geheißen hat.

STANDARD: War Ihnen schon immer klar, dass es bei dieser Geschichte mehr zu erzählen gibt?

Prokopetz: Darüber habe ich erst nachgedacht, als mich der Verlag gefragt hat. Aber dann dachte ich, vielleicht interessiert es die Leute, wie es in den 1970ern war.

STANDARD: Wien hat sich verändert.

Prokopetz: Damals hieß es Leistung, Fleiß und Pappnhalten. Wir waren gegen dieses System, hatten aber keine politischen Vorbilder. Wir hatten keinen Dutschke, sondern nur lange Haare, laute Musik und waren Leistungsverweigerer.

STANDARD: War es Ihnen peinlich, dass Sie durch Ihre Leistung ziemlich großen Erfolg hatten?

Prokopetz: Mein Vater war verblüfft, als ich mit dem Vorschuss vom Hofa nach Hause gekommen bin. Überzeugt war er noch immer nicht, er hat gemeint, als Dichter kann man nicht überleben. Gott sei Dank hatte er nicht recht.

STANDARD: Was hätten Sie werden sollen?

Prokopetz: Ich hatte keinerlei Ambitionen, irgendwo hinzukommen. In der Grafischen bin ich genauso gescheitert wie der Ambros. Danach habe ich eine Lehre abgebrochen. Jeden Tag um sieben Uhr in der Früh in die Arbeit zu gehen ist mir völlig wesensfremd. Dann habe ich es bei einer Maturaschule versucht – wäre mir Da Hofa nicht dazwischengekommen, hätte ich wahrscheinlich Matura.

STANDARD: Bei der Bundespräsidentenwahl 2016 wäre fast der (Norbert) Hofer gekommen. Glauben Sie, jetzt kommt Kanzler Kickl?

Prokopetz: Ich will es nicht glauben. Eine erschreckend hohe Anzahl an Wählern klammert sich an Ewiggestriges und hat kein zeithistorisches Bewusstsein. Der Herr Kickl nimmt mit Rabaukentum 30 Prozent der Österreicher für sich ein. Auf der Seite der "Systemparteien", übrigens ein NS-Ausdruck, ist das Personal entsetzlich untalentiert. Es herrscht ein Vakuum, das von der FPÖ beherrscht wird.

STANDARD: Kanzler Nehammer war kürzlich in den Schlagzeilen, weil er ein Bier auf ex getrunken hat.

Prokopetz: Ich habe bei Nehammer immer das Gefühl, er versucht, sein eigenes Gebiss aufzuessen.

STANDARD: Apropos Bier: Sie haben den Werbespruch "Lustig samma, Puntigamer" erfunden.

Prokopetz: Vielleicht das Einzige, was bleiben wird von mir. Das ist Werbung. Da muss man lustig sein.

STANDARD: Gehen wir in Österreich zu lässig mit Alkoholmissbrauch um?

Prokopetz: Zweifellos. Ich glaube aber, das ist in Deutschland oder England nicht viel anders, Trinken ist eine Kulturtechnik.

STANDARD: Sie engagieren sich für Aufklärung über Suchterkrankungen und Depressionen.

Prokopetz: Hauptsächlich aufgrund meiner eigenen Depressionsschübe. Mein Psychiater war Michael Musalek, der das Anton-Proksch-Institut geleitet hat. Musalek sagt, dass ein hoher Prozentsatz der Alkoholiker eine depressive Grunderkrankung hat.

STANDARD: Wie waren Ihre Erfahrungen?

Prokopetz: Soweit ich das beurteilen kann, werden Depressionen sehr individuell erlebt. Aber es gibt Gemeinsamkeiten. Nicht aufstehen können, Lebensekel und der Wunsch, einfach nicht mehr zu sein, so war das bei mir. Das ist etwas Schreckliches und entzieht sich jeder Definition. Deswegen ist in der Depression der Schritt zum Suizid fast ein logischer. Bei mir wurde das zweimal abgefangen.

STANDARD: Gab es Gründe?

Prokopetz: Kein schlimmer Schicksalsschlag, es ist auch niemand gestorben. Eine endogene Depression, wie man sagt. Es schleicht sich ein. Hat man Symptome, sollte man umgehend zum Arzt gehen. Allein kann man damit fast nicht umgehen. Vor allem unter sogenannten Männern gelten Depressionen nicht, dann wird gesagt: "Geh reiß dich zusammen und trink ein Achterl!"

STANDARD: Haben Sie auch versucht, sich mit Alkohol selbst zu therapieren?

Prokopetz: Ich trinke keinen Alkohol mehr, außer vielleicht an einem karibischen Meeresstrand einen feinen Rum zu einer Zigarre. Aber wann ist man schon an einem karibischen Meeresstrand? (Jakob Thaller, 23.9.2023)