Fünfzig Jahre nach dem Jom-Kippur-Krieg ist, wenn man Premier Benjamin Netanjahu und Kronprinz Mohammed bin Salman ernst nimmt, ein offizieller Friedensschluss zwischen Israel und Saudi-Arabien in Reichweite. Die Saudis waren damals Teil der arabischen Allianz, die Israel angegriffen hatte. Aber vor allem ist Saudi-Arabien als Hüter der heiligsten Stätten des Islam ein Schwergewicht weit über die arabische Welt hinaus. Der vielbemühte Begriff "historisch" wäre für einen israelisch-saudischen Friedensvertrag zutreffend.

Israels Premier Benjamin Netanjahu
Dass Netanjahu bei der Uno-Generalversammlung prompt eine Karte der "neuen" Region zeigte, auf der sich Israel nicht nur das Westjordanland, sondern auch den Gazastreifen einverleibt, ist MbS gegenüber nicht freundlich.
IMAGO/Bianca Otero

Einen Deal gibt es nicht, bevor er nicht besiegelt ist. Netanjahu ging schon zuvor mit seinen guten Beziehungen zu Riad hausieren, zum Ärger der Saudis, die sich desavouiert fühlten. Aber diesmal ist es anders. Mohammed bin Salman (MbS), seit der Ermordung des Publizisten Jamal Khashoggi in den USA eigentlich geächtet, setzt sich zum Fox-Interview hin und verkündet Fortschritte. Und zwar in Verhandlungen, in denen die Schiene zwischen Saudi-Arabien und den USA mindestens so viel Bedeutung hat wie die saudisch-israelische. Das hat geopolitische Dimensionen schon insofern, als der Energieriese Saudi-Arabien zuletzt in Richtung Moskau und Peking driftete.

Riesiger Fragenkomplex

Worum geht es: Die USA unter Joe Biden würden einen vielschichtigen Sicherheitspakt mit Saudi-Arabien abschließen, der auch Assistenz bei einem saudischen Atomprogramm – und die israelische Akzeptanz desselben – beinhalten soll. Ein anderer Strang wären israelische Zugeständnisse den Palästinensern gegenüber. Dazu ist nur sicher, dass die palästinensischen Vorstellungen nicht erfüllt würden. Wie Netanjahu seine rechts-rechten Koalitionspartner an Bord holen könnte, die das Westjordanland lieber heute als morgen annektieren würden, ist ein anderer riesiger Fragenkomplex.

Deshalb zu den Aussagen, die jetzt schon getroffen werden können. 2023 kann einer, der den Führungsanspruch in der arabischen Welt stellt, Politik abseits von Wohl und Wehe der Palästinenser und Palästinenserinnen machen. Bei uns wird MbS fast ausschließlich durch das Prisma des schauerlichen Khashoggi-Mords wahrgenommen. In Saudi-Arabien sehen ihn viele als Reformator, der innen- und außenpolitische Ketten der Vergangenheit, auch jene des Islam, abwirft. Und für Biden, der ihm einst eine "Paria"-Zukunft voraussagte, ist er der Partner für die Gestaltung eines "neuen Nahen Ostens". Trotz – oder auch wegen? – seiner freundlichen Iran-Diplomatie unter chinesischer Vermittlung.

Alter Populist

Dass Netanjahu bei der Uno-Generalversammlung prompt eine Karte der "neuen" Region zeigte, auf der sich Israel nicht nur das Westjordanland, sondern auch den Gazastreifen einverleibt, ist MbS gegenüber nicht freundlich. Aber die Gelegenheit konnte der alte Populist nicht verstreichen lassen: Alles, was das gezeigte Territorium betrifft, liegt demnach in israelischer Verfügung. Die Quadratur des Kreises – dieser Anspruch und der Friedenspartner Saudi-Arabien als schönstes Juwel in der Krone von Netanjahus Araber-Diplomatie – kommt dann später. (Gudrun Harrer, 25.9.2023)