Wenn es ums Klima geht, hat Kohle normalerweise keinen guten Ruf. Braunkohle gilt als der schmutzigste Energielieferant, allein Deutschland stößt mit der Verbrennung von Kohle jedes Jahr rund 150 Millionen Tonnen CO2 aus – rund ein Viertel der CO2-Emissionen des Landes.

Doch es gibt auch eine Kohle, die CO2 nicht ausstößt, sondern speichert und die daher seit einigen Jahren vermehrt als Mittel im Kampf gegen den Klimawandel gesehen wird: Pflanzenkohle. Und nicht nur das: Auch als Teil von Dünger in der Landwirtschaft, Futtermittel oder von Beton könnte Pflanzenkohle künftig vermehrt zum Einsatz kommen, glauben Forschende. Steht die auch als "coole Kohle" oder "Klimakohle" bezeichnete Pflanzenkohle kurz vor dem großen Durchbruch?

Schwarze Erde

Wenn ja, dann hätte dieser Durchbruch ganz schön lange auf sich warten lassen. Denn im Amazonas-Regenwald Südamerikas nutzten die Bewohner und Bewohnerinnen schon vor Jahrhunderten Pflanzenkohle, um die Bodenfruchtbarkeit zu verbessern. Mit einer Mischung aus menschlichen Fäkalien, Pflanzenresten, Küchenabfällen und Kohle aus den Herdstellen reicherten die Einwohner und Einwohnerinnen die Böden über viele Jahre immer weiter an, bis die Erde ihre spezifische schwarze Farbe annahm. "Terra preta" – schwarze Erde – wird die Erde deshalb von Einheimischen und Forschenden genannt. Die Terra preta ist nicht nur in der Lage, viele Nährstoffe zu speichern, sondern auch viel CO2 – was zu einem guten Teil der darin enthaltenen Pflanzenkohle zu verdanken ist.

"Bei der Terra preta waren die Reste der verkohlten Materialien der Schlüssel, den sonst recht unfruchtbaren Boden langfristig wieder fruchtbar zu machen", sagt Gerhard Soja, der am AIT Austrian Institute of Technology und an der Universität für Bodenkultur Wien zu Pflanzenkohle forscht. Die Entdeckung dieser Erde habe in den vergangenen zehn Jahren zu einem regelrechten Boom in der Forschung und zuletzt auch in der Produktion und Anwendung von Pflanzenkohle geführt.

Herstellung durch Pyrolyse

Pflanzenkohle lässt sich heute unter kontrollierten Bedingungen durch Pyrolyse herstellen. Dafür werden zum Beispiel pflanzliche Abfälle aus dem Garten oder der Holzindustrie in einem Ofen unter dem Ausschluss von Sauerstoff teils über Stunden auf bis zu 800 Grad Celsius erhitzt. Anstatt zu verbrennen, verkohlt die Biomasse. Dies führt dazu, dass der Kohlenstoff in der Biomasse gebunden bleibt, anstatt wie bei der Verbrennung oder der Verrottung freigesetzt zu werden. Umweltfreundlich ist dies jedoch nur, wenn die Gase, die bei der Pyrolyse entstehen, aufgefangen und verbrannt werden.

Zwei Hände halten schwarze Pflanzenkohle.
Pflanzenkohle ist sehr porös und kann viel Wasser und Nährstoffe aufnehmen.
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Ein Teil der dabei produzierten Wärme kann wiederum zur Beheizung der Pyrolysekammer verwendet werden, wodurch sich die Anlage selbst erhält, oder in Nah- und Fernwärmenetze eingespeist werden. Das Synthesegas, das bei der Pyrolyse entsteht, kann in einem Gasmotor auch der Stromerzeugung dienen.

Als fester Rückstand der Pyrolyse bleibt die schwarze Pflanzenkohle übrig, die einige besondere Eigenschaften hat: Sie ist sehr porös und hat damit eine besonders große Oberfläche. Durch diese Struktur funktioniert Pflanzenkohle wie ein Schwamm: Sie kann laut Studien bis zur dreifachen Menge ihres Eigengewichts an Wasser und den darin enthaltenen Nährstoffen aufnehmen. Mikroorganismen finden dadurch gute Lebensräume in und um Pflanzenkohle, was zur Belebung des Bodens und zum Wachstum der Pflanzen beitragen kann.

Unterschiedlicher Effekt

Das bedeutet jedoch nicht, dass Pflanzenkohle überall gleich gut wirkt. "Pflanzenkohle wirkt vor allem dort, wo der Boden nicht so gut ist", sagt Wissenschafter Soja. Dies treffe in Österreich etwa auf saure und sandige Böden im Wald- oder im Mühlviertel zu. Pflanzenkohle dürfe jedoch nicht allein, sondern müsse gemeinsam mit Gülle oder Kompost in den Boden eingebracht werden, um nicht das Kohlenstoff-Stickstoff-Verhältnis im Boden zu verschieben.

Auch bei der Tierfütterung kommt Pflanzenkohle vermehrt zum Einsatz. Pflanzenkohle helfe der Verdauung der Tiere und könne danach als Mist wieder aufs Feld ausgebracht werden, wodurch ein doppelter Nutzen entstehe. Da Pflanzenkohle wiederum sehr viel Wasser speichern kann, könne es vor allem auf Feldern in Ostösterreich der zunehmenden Trockenheit entgegenwirken, sagt Soja.

Zwei Gigatonnen CO2 speichern

Was die Pflanzenkohle nicht zuletzt für den Klimaschutz relevant macht, ist ihre Fähigkeit, CO2 über viele Jahrtausende zu speichern. Würde Pflanzenkohle global angewendet werden, ließen sich damit schätzungsweise zwei Gigatonnen CO2 pro Jahr dauerhaft speichern, sagt Maria-Elena Vorrath, Geowissenschafterin an der Universität Hamburg. Zum Vergleich: Die gesamte Menschheit emittierte 2022 in etwa 38 Gigatonnen CO2.

Pflanzenkohle liegt auf Acker
Pflanzenkohle speichert CO2 und könnte laut Forschendenals Teil von Dünger in der Landwirtschaft, Futtermittel oder von Beton vermehrt zum Einsatz kommen.
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Noch stehe die Pflanzenkohle-Industrie aber erst am Anfang. In der Landwirtschaft sei Pflanzenkohle noch wenig anerkannt, es fehle häufig an Wissen zur Anwendung, und der Preis ist meist höher als Maßnahmen zur Bodenverbesserung und die vorgefertigten Dünger der Industrie, sagt Vorrath. Da durch Pflanzenkohle jedoch CO2 dauerhaft aus der Atmosphäre entnommen wird, lassen sich damit auch CO2-Zertifikate verkaufen, was für Landwirte eine zusätzliche Einnahmequelle sein kann.

CO2-neutraler Beton

Tatsächlich haben sich – befördert durch die Einnahmen aus den CO2-Zertifikaten – mittlerweile einige Projekte der Herstellung und dem Verkauf von Pflanzenkohle verschrieben. Das österreichische Unternehmen Sonnenerde stellt beispielsweise Erde mit Pflanzenkohle her und mischt Pflanzenkohle auch Beton bei. Dadurch lasse sich theoretisch nicht nur CO2-neutraler Beton herstellen, sondern auch die Zug- und Druckfestigkeit sowie die Wärmedämmung von Beton verbessern, heißt es vonseiten des Unternehmens.

In Hamburg wiederum stellt das Unternehmen Circular Carbon Pflanzenkohle aus Kakaoschalen her. Das Unternehmen verwendet dafür jene Kakaoschalen, die als Reststoffe bei der Produktion von Kakaobutter und Kakaobutter in der Industrie nebenan anfallen.

"Es geht darum, eine Kreislaufwirtschaft herzustellen", sagt Vorrath. Mithilfe von dezentralen Pyrolyseanlagen könnte überall dort, wo Reste an Biomasse anfallen, Pflanzenkohle hergestellt werden. Die Abwärme und das Gas, die durch die Pyrolyse entstehen, können dann wiederum Haushalten oder anderen Industrien zugutekommen.

Mehr Biomasse nutzen

Aber gibt es überhaupt genug Biomasse, um künftig noch weit mehr Pflanzenkohle herzustellen? Immerhin wäre es kontraproduktiv, für die Herstellung von Pflanzenkohle wertvolle Wälder oder Lebensmittel zu opfern. "Es gibt sehr viel Biomasse, die momentan nicht sehr effizient genutzt wird", sagt Soja. Eine große Menge an Sonnenblumenkernschalen, Maisspindeln oder Steinobstkernen verrotte meist einfach auf dem Feld. In Wiener Haushalten lande Biomasse oft im Restmüll, anstatt sie für andere Zwecke weiterzuverwenden. "Würde man all diese Reste sinnvoll nutzen, könnten wir damit viel mehr Pflanzenkohle produzieren, ohne in eine Konkurrenz zu anderen Biomassenutzungen wie zum Beispiel Biogas zu kommen", sagt Soja.

Ein Wundermittel gegen den Klimawandel ist Pflanzenkohle deshalb aber noch nicht, gibt der Wissenschafter zu bedenken. Pflanzenkohle sei nur eine Maßnahme von vielen, die wir brauchen, um die Treibhausgase in der Atmosphäre zu reduzieren und die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten. Auch Vorrath warnt: CO2 aus der Atmosphäre zu entnehmen dürfe keine Ausrede der Politik sein, weiterzumachen wie bisher. "Die oberste Priorität ist immer noch, dass wir weniger Emissionen ausstoßen." Nur dann könne auch die Pflanzenkohle einen wirksamen Beitrag leisten. (Jakob Pallinger, 26.9.2023)