Mit dem Smartphone nebenbei Sprachen lernen scheint erst einmal einfach. Ob das wirklich gelingt, hängt aber von einigen Faktoren ab.
Duolingo

Spanischunterricht um acht Uhr morgens. Meine Konzentration lässt keine großen intellektuellen Sprünge zu. Meine Mitschülerinnen und Mitschüler sind mäßig interessiert. Und auch mir fällt der Fokus auf Spanisch neben zehn anderen Fächern, Tests und allerlei Ablenkungen in der Schule wirklich schwer. Einige Jahre später bereue ich es manchmal, meine Vokabelübungen nicht konsequenter verfolgt zu haben, sodass ich mich heute nur noch an wenige Beispielsätze, Grußformeln und Gemüsesorten erinnern kann. Das möchte ich nun ändern. Erste Abhilfe versprechen dabei Sprachlern-Apps. Aber können mir Duolingo, Babbel und Co wirklich helfen?

Online-Sprachenlernen ist mittlerweile ein lukrativer Markt. Vom Vokabellernen über Sprechtraining, von Zoom-Calls mit Native Speakers bis zu Sessions mit echten Lehrkräften. Die beiden bekanntesten Anbieter Babbel und Duolingo werben unter anderem damit, dass Lernende im eigenen Tempo und Rhythmus lernen, da die App ständig verfügbar ist. Die Einsteigshürden sind dadurch besonders gering.

Das sagen Forscherinnen und Experten 

Mehrere internationale Studien untersuchten den Lernfortschritt von Menschen, wenn sie täglich mit einer Sprachlern-App übten. Tatsächlich verbessern sich ihre Kenntnisse nach wenigen Wochen merklich, doch für eine Konversation reicht es oft noch nach Monaten nicht. Der Grund dafür: Das fließende Gespräch wird man nur im Austausch mit anderen lernen. Eine Sprache besteht schließlich nicht nur aus Grammatik, Vokabeln und Regeln, sondern aus Kultur, Wortlaut und so einige Feinheiten, die man kaum ohne die Hilfe anderer erlernen wird.

In einer 2021 veröffentlichten Studie unter der Leitung von Xiangying Jiang wurden 225 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach Absolvierung eines Duolingo-Kurses bis zum finalen Level fünf in den Sprachen Spanisch und Französisch auf ihr Sprachverständnis getestet. Obwohl sich die meisten Lektionen eher auf den Wortschatz und die Grammatik auf der Satzebene konzentrieren, zeigen die Forschungsergebnisse, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Gelernte auf sogenannte integrativere Aufgaben, also alltagstaugliche Anwendungen wie Lese- und Hörverstehen, übertragen können.

Im Schnitt brauchten die Lernenden für Spanisch 100 Tage, für Französisch 150 Tage bis zum finalen Level. Die Teilnehmenden hatten vorher keine nennenswerten Sprachkenntnisse in Spanisch oder Französisch und besuchten auch keinen zusätzlichen Kurs. Sprachlern-Apps können also durchaus hilfreich sein, um punktuelles und kontextbezogenes Sprachwissen zu entwickeln.

Viele Studien fokussieren sich auch auf Lernende, die zeitgleich einen physischen Sprachkurs besuchen. Die App wird dann eher zum Übungstool, nicht unbedingt zum Lerntool. In diesen Studien sind die Ergebnisse besonders positiv. Für Auffrischung, Wiederholung und Vertiefung eignen sich Sprachlern-Apps also durchaus.

Lern-Vorwissen und Selbstdisziplin hilfreich

Der MDR befragte dazu die Didaktik-Expertin Nicola Würffel von der Universität Leipizig. Sie kritisiert die immergleichen Lernmethoden, wie Multiple Choice, Satzbausteine, und Übersetzungsübungen. Die "Grammatik-Übersetzungsmethode gelte in der Fremdsprachenmethode als veraltet. Außerdem würde das "Mikrolernen" in sehr kleinen Aufgabenhäppchen von meist nur zwei bis drei Minuten die Sprache nicht in ihrer Struktur verstanden. Würffel sagte daher dem MDR: "Die geringe Tiefe der damit angeregten Lernprozesse führt dazu, dass ein komplexes System wie eine Sprache nicht umfassend und nachhaltig gelernt werden kann. Durch Mikrolernen wird häufig nur Wissen angehäuft, das der Lernende aber nicht anwenden kann, weil ihm genau das durch das Lernprogramm nicht beigebracht wird."

Wer am Smartphone lernt, muss zusätzlich seinen inneren Schweinehund dazu überreden, alle anderen Ablenkungen auszublenden. Youtube, Instagram, Tiktok und Co versprechen schnellere Glückshormone. Expertin Würffel sieht Sprachlern-Apps daher am geeignetsten für bereits erfahrene Lernende. Wer besonders selbstdiszipliniert ist und selbstständig mit Lernstoff und Lernzielen umgehen kann, profitiert am ehesten von den Apps.

Apps sind sinnvolle Begleitung zum Sprachkurs

Dass die Apps "richtigen" Sprachunterricht also nicht ersetzen können, wird mir schnell klar. Das zeigte sich auch vor drei Jahren, als ich versuchte, Schwedisch von Grund auf mit Duolingo zu lernen, und desaströs scheiterte. Bis auf zwei, drei Wörter bleiben mir keine Kenntnisse. Eine Konversation von Angesicht zu Angesicht zu führen und längere Texte wie E-Mails oder Anschreiben zu verfassen lernt man nur in Uni-Kursen, Volkshochschulen oder natürlich in der Schule. Als Ergänzung zu einem richtigen Kurs – oder für Leute, die ihre Kenntnisse nur auffrischen möchten – eignet es sich aber allemal.

Die App Babbel bietet immerhin auch Live-Kurse über Videochat an. Das hat aber auch seinen Preis. Wer in den Online-Session mit bis zu sechs anderen lernen möchte, kann ab 50 Euro pro Monat einsteigen. Dann bindet man sich aber für zwölf Monate. Wer wirklich flexibel bleiben möchte, muss bereits 100 Euro pro Monat berappen. Für die regulären Abo-Modelle zahlt man zwischen sieben und 14 Euro.

Mit Austausch und Feedback werde ich viel eher lernen, meine (eher geringen) Spanischkenntnisse richtig anzuwenden. Für mich wird es wohl eine Mischung werden: Duolingo bietet in der Gratisversion relativ solide Übungen. Zusatzfeatures und werbefreies Lernen kostet zwischen acht und 14 Euro monatlich. Das Geld für die Bezahlabos spare ich mir aber lieber für einen Intensivsprachkurs im kommenden Frühling. Dafür gehe ich dann einmal pro Woche an die Uni. (Sebastian Lang, 26.9.2023)