Mann auf Fahrrad fährt über eine Brücke, umgeben von orangefarbenem Staub
Das El-Niño-Phänomen dürfte die Durchschnittstemperaturen in diesem Jahr mit nach oben treiben, aber auch Saharastaub spielt vermutlich eine Rolle (das Symbolbild stammt von einem Sandsturm im Irak).
APA/AFP/ASAAD NIAZI

Es ist das Jahr, in dem die Temperaturrekorde nur so purzeln – begleitet von Naturkatastrophen, die vielerorts neue Dimensionen erreichten. Das war zu Beginn des Jahres noch nicht abzusehen, als noch nicht klar war, dass es heuer zum Phänomen El Niño kommen würde. Damit – oder genauer: mit der El Niño-Southern Oscillation – kommt es im äquatorialen Pazifik zu ungewöhnlichen Meeresströmungen (El Niño), die unter anderem mit einer Erhöhung der Durchschnittstemperaturen rund um den Globus komplex gekoppelt sind.

Video: Der Weg zum 1,5-Grad-Ziel "hat sich in den letzten zwei Jahren verengt, aber saubere Energietechnologien halten ihn offen", erklärt IEA-Chef Fatih Birol
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55-prozentige Wahrscheinlichkeit

Auch Klimaforscher von Berkeley Earth, einer anerkannten unabhängigen wissenschaftlichen Einrichtung zur Analyse der Oberflächentemperaturen rund um den Globus, waren vor einigen Monaten noch sehr zurückhaltend: Ende des Vorjahres rechneten sie, dass die 1,5-Grad-Schwelle 2023 mit einer Wahrscheinlichkeit von weniger als einem Prozent erreicht werden könnte. Im Juli waren es noch 20 Prozent gewesen, doch seit September schätzen die Fachleute um Robert Rohde diese Wahrscheinlichkeit auf 55 Prozent ein, wie sie in ihrem jüngsten Update berichten.

Temperaturrekorde 2023
Die globale Temperaturverlaufskurve des Jahres 2023 übertrifft bis jetzt alle anderen Jahre der Messgeschichte deutlich.
Berkeley Earth

Der Richtwert von 1,5 Grad Celsius gilt als die im Bestfall anzustrebende Obergrenze für die Erwärmung, festgelegt von den Vereinten Nationen im bahnbrechenden Pariser Abkommen zum Klimawandel von 2015. Um diesen Wert zu überschreiten, gilt ein langfristiger Erwärmungstrend von 1,5 Grad oder mehr als Voraussetzung. Konkret geht es um den Mittelwert eines Zeitraums von 20 Jahren, in dem die globale Durchschnittstemperatur 1,5 Grad Celsius über der Durchschnittstemperatur zwischen 1850 und 1900 liegt.

Weniger Staub aus der Sahara

Was aber sind die Gründe dafür, dass 2023 voraussichtlich alle Prognosen übertrifft? Robert Rohde führt einen Teil der außergewöhnlich hohen Temperaturen auf Phänomene zurück, die nicht direkt mit menschlichen Aktivitäten in Verbindung stehen, wie er im Nachrichtenteil des Fachblatts "Nature" betont: "Eines der wichtigsten ist, dass es zu Beginn der Saison ungewöhnlich wenig Staub aus der Sahara gab", sagt er. Dadurch etwa konnte sich der Atlantische Ozean auf ungewöhnlich hohe Temperaturen erwärmen. Hauptfaktor ist aber natürlich El Niño, der 2022 schwer vorherzusagen war.

Andere Forschungseinrichtungen, die Schätzungen der globalen Durchschnittstemperatur abgeben und entsprechende Modell laufen haben, sind nicht ganz so pessimistisch wie das Team von Berkeley Earth. Im Mai hieß es etwa in einem Bericht der Weltorganisation für Meteorologie, es bestehe eine 66-prozentige Chance, dass die durchschnittliche Jahrestemperatur "nur" irgendwann zwischen 2023 und 2027 die 1,5-Grad-Celsius-Marke für ein Jahr überschreiten werde.

Deutlicher Ausreißer: Der August 2023 im Vergleich mit den bisherigen globalen Temperaturen im August.
Berkeley Earth

Anderen Forschungseinrichtungen, die sich um die globale Temperaturanalyse kümmern, zufolge müsste sich in den verbleibenden Monaten im Gegensatz zum Modell von Berkeley Earth sehr Außergewöhnliches tun, damit die 1,5-Grad-Schwelle erreicht wird, erklärt Zeke Hausfather von Berkeley Earth gegenüber "Nature News": Für den NOAA-Datensatz schätzt er, dass die Temperaturen der nächsten Monate um unplausible zwei Grad Celsius höher sein müssten. Für den Gistemp-Datensatz der Nasa liegt dieser Wert bei 1,9 Grad Celsius und für die Daten aus dem europäischen Copernicus-Programm müsste sie bei 1,8 Grad Celsius liegen.

Das wärmste Jahr seit 1850

Unterschiede gibt es aber auch zu Modellen und Daten der US-amerikanischen National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA). Die NOAA-Analyse zeigt (noch) nicht, dass 2023 eine durchschnittliche Erwärmung von 1,5 Grad Celsius erreicht wird, heißt es dort auf Anfrage von "Nature News". Man stimme aber darin überein, dass der August 2023 der wärmste August der bisherigen Messgeschichte war und dass die Wahrscheinlichkeit, dass 2023 das wärmste Jahr seit 1850 werden wird, bei über 90 Prozent liegt. Und allgemein wird erwartet, dass es im zweiten El-Niño-Jahr noch einmal höhere Temperaturen geben wird. (tasch, 26.9.2026)