El Niño, Prognosen, Klima, Temperaturen
Die Satellitenaufnahme zeigt die Abweichung der Meeresoberflächentemperatur im Pazifischen Ozean während der letzten El-Niño-Phase im Oktober 2015. In den orangen und roten Regionen liegen die Temperaturen über dem Durchschnitt.
Illustration: NOAA

La Niña hat sich verabschiedet und nun offenbar endgültig ihrem Gegenstück El Niño Platz gemacht. Wie die Weltwetterorganisation (WMO) am Dienstag in Genf mitteilte, haben sich zum ersten Mal seit sieben Jahren im tropischen Pazifikraum El-Niño-Bedingungen entwickelt. Das Wetterphänomen ist wie sein Pendant La Niña Teil eines großräumigen Zyklus von Ozean- und Luftströmungen im tropischen Pazifik. Während La Niña im globalen Durchschnitt zu niedrigeren Temperaturen führt, sorgt El Niño eher für Erwärmung. Die Fachleute rechnen daher mit einem zusätzlichen globalen Temperaturanstieg und entsprechenden Wetter- und Klimamustern.

Das neue Update der WMO prognostiziert, dass das El Niño mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit in der zweiten Jahreshälfte anhalten wird. "Das Einsetzen von El Niño wird die Wahrscheinlichkeit von Temperaturrekorden und extremer Hitze in vielen Teilen der Welt und im Ozean deutlich erhöhen", erklärte WMO-Generalsekretär Petteri Taalas. "Unsere Prognose ist ein Signal an die Regierungen auf der ganzen Welt, Vorbereitungen zu treffen, um die Auswirkungen auf unsere Gesundheit, unsere Ökosysteme und unsere Wirtschaft zu begrenzen."

El Niño, Niederschlagsverteilung, Klima
Die Grafik zeigt die typische globale Regen- und Dürreverteilung während einer El-Niño-Periode.
Grafik: WMO

Globale Auswirkungen

El Niño tritt durchschnittlich alle zwei bis sieben Jahre auf, die Episoden dauern in der Regel neun bis zwölf Monate. Das natürliche Klimamuster geht mit einer Erwärmung der Oberflächentemperaturen im zentralen und östlichen tropischen Pazifik einher. In diesen Jahren wird es an den Westküsten Nord- und Südamerikas tendenziell feuchter. In Südostasien und Australien treten in El-Niño-Jahren dagegen häufiger Dürren auf.

Diese Veränderungen haben schließlich auch Auswirkungen auf das Wetter in ferneren Regionen wie Ostafrika, wo sie zu Trockenheit führen werden. Hinweise auf mögliche Einflüsse auf Europa sind bisher nicht bekannt. Während des borealen Sommers kann das warme Wasser von El Niño die Bildung von Wirbelstürmen im zentralen und östlichen Pazifik begünstigen, im atlantischen Becken kann das Wetterphänomen die Entstehung von Wirbelstürmen dagegen unterdrücken.

El Niño, Prognosen, Klima, Temperaturen
Prognosen für die globalen Temperaturanomalien für Juli bis September 2023.
Grafik: WMO

Temperaturrekorde werden erwartet

Vor dem Hintergrund der menschengemachten Klimaerwärmung dürfte El Niño global gesehen bisher noch nie registrierte Temperaturentwicklungen auslösen, wie die WMO bereits vor einigen Wochen vorgerechnet hat: Sehr wahrscheinlich werden die kommenden fünf Jahre im Schnitt deutlich wärmer als die vergangenen fünf – Experten und Expertinnen gehen von einigen Rekorden aus. Laut dem im Mai präsentierten Report "Global Annual to Decadal Climate Update" könnte erstmals auch mindestens ein Jahr dabei sein, dessen globale Durchschnittstemperatur 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau liegt. Die Wahrscheinlichkeit dafür liegt bei 66 Prozent.

"Dies bedeutet nicht, dass wir in den nächsten fünf Jahren den im Pariser Abkommen festgelegten Wert von 1,5 Grad Celsius überschreiten werden, denn dieses Abkommen bezieht sich auf eine langfristige Erwärmung über viele Jahre", sagte Chris Hewitt, WMO-Direktor für Klimadienste. Es sei jedoch ein weiterer Weckruf, dass wir uns noch nicht in die richtige Richtung bewegen.

El Niño, Prognosen, Klima, Niederschläge
Globale Niederschlagsprognosen für Juli bis September 2023.
Grafik: WMO

Nach bisherigen Berichten der WMO über den Zustand des Weltklimas ist 2016 das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Grund dafür war vor sieben Jahren ein "Doppelschlag" aus einem sehr starken El-Niño-Ereignis und der vom Menschen verursachten Erwärmung durch Treibhausgase. Die Auswirkungen auf die globalen Temperaturen zeigen sich in der Regel im Jahr nach dem Auftauchen von El Niño und werden daher wahrscheinlich im Jahr 2024 am deutlichsten zu spüren sein. Die globale Durchschnittstemperatur im Vorjahr erreichte wegen des kühlenden Effekts von La Niña nicht solche Rekordhöhen, dennoch lag sie 1,15 Grad Celsius über dem Durchschnitt von 1850 bis 1900.

Aktuelle Lage und Prognosen

Seit Anfang des Jahres sind die monatlichen durchschnittlichen Meeresoberflächentemperaturen im zentral-östlichen äquatorialen Pazifik deutlich gestiegen, von fast einem halben Grad Celsius unter dem Durchschnitt im Februar auf etwa ein halbes Grad Celsius über dem Durchschnitt im Mai 2023. In der Woche um den 14. Juni 2023 haben die Anomalien der warmen Meeresoberflächentemperatur weiter zugenommen und einen Wert von +0,9 Grad Celsius erreicht.

Video: El Niño entfaltet mittlerweile seine Wirkung im tropischen Pazifikraum.
Video: World Meteorological Organization - WMO

Aufgrund der vorerst nur schwachen Ozean-Atmosphären-Kopplung, die für die Verstärkung und Aufrechterhaltung von El Niño entscheidend ist, bleibt jedoch eine gewisse Unsicherheit bestehen. Die Wissenschafter gehen davon aus, dass es noch etwa einen Monat dauern wird, bis sich die Kopplung im tropischen Pazifik vollständig entwickelt hat.

El Niño und La Niña sind zwar wichtige, jedoch nicht die einzigen treibenden Kräfte des Klimasystems der Erde. Dennoch: Da hohe Meeresoberflächentemperaturen erfahrungsgemäß auch zu überdurchschnittlichen Temperaturen über Landgebieten beitragen, werden ausnahmslos positive Temperaturanomalien über allen Landgebieten der nördlichen und südlichen Hemisphäre erwartet. (Thomas Bergmayr, red, 4.7.2023)