Die Sonne strahlt hell vom Himmel, es wird immer heißer.
Wir müssen laut Langfristprognosen mit einem überdurchschnittlich warmen Sommer rechnen.
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Frage: Die erste Hitzewelle des Jahres bringt diese Woche verbreitet mehr als 30 Grad, stellenweise sind auch 36 Grad möglich. Ist das außergewöhnlich?

Antwort: Dass im Juni die 35-Grad-Marke erreicht wird, kommt in Österreich seit Ende der 1990er-Jahre alle ein bis zwei Jahre vor, heißt es vonseiten der Geosphere Austria (vormals ZAMG). Davor gab es durchschnittlich nur alle fünf Jahre in einem Juni 35 Grad oder mehr in Österreich. Die höchste in einem Juni im Messnetz der Geosphere Austria registrierte Temperatur war 38,6 Grad, am 20. Juni 2013 in Waidhofen an der Ybbs in Niederösterreich. Den frühesten 35-Grad-Tag eines Jahres gab es am 30. Mai 2017 in Horn in Niederösterreich.

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DER STANDARD

Frage: Im Zuge der Hitzewelle werden auch kräftige Unwetter vorhergesagt. Gibt es mehr Gewitter als früher?

Antwort: Laut einer aktuellen Studie der Universität Innsbruck hat sich in den hohen Lagen der europäischen Ostalpen die Zahl der detektierten Blitze im Verlauf der letzten 40 Jahre verdoppelt. Die Ursachen liegen dem Forschungsteam zufolge im Klimawandel: Die steigenden Temperaturen erhöhen im Bergland die Gewitter- und Blitzhäufigkeit. Entlang des südlichen und nördlichen Alpenrands seien ähnliche Effekte vorhanden, aber schwächer. Generell geht die Klimaforschung davon aus, dass Gewitter länger an einer Stelle verharren und häufiger mit Hagel und Sturm einhergehen.

Jetzt anhören: Wie rüsten sich Österreichs Städte gegen die zunehmende Hitze?

Frage: Wie heiß wird dieser Sommer, gibt es da schon Prognosen?

Antwort: Die Langfristprognosen des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersagen (ECMWF) zeigen, dass wir mit einem überdurchschnittlich warmen Sommer rechnen müssen. Darauf lassen auch die aktuellen Meerestemperaturen schließen, die in den vergangenen Monaten außergewöhnlich stark angestiegen sind. Insbesondere im Nordatlantik ist die Abweichung vom langjährigen Mittel so hoch wie noch nie. Diese Temperaturanomalien könnten Vorläufer für Hitzewellen in Europa sein. Das kontinentale Klima reagiert nämlich sehr sensibel auf die Meerestemperaturen, und das kann an Land zu noch stärkeren Erwärmungen führen. Die hohen Temperaturen im Nordatlantik haben außerdem eine Tendenz, Omega-Lagen (das sind Wetterlagen, bei denen ein Hochdruckgebiet von zwei Tiefdruckgebieten flankiert wird und die relativ lange stabil sind) in Europa zu verstärken. Das würde für den Kontinent einen heißen und trockenen Sommer bedeuten, sagt Nicolas Gruber von der ETH Zürich. Ein zu warmer Sommer würde jedenfalls ins Bild der letzten Jahre passen: Unter den wärmsten Sommern der Messgeschichte sind fast nur Sommer der jüngeren Vergangenheit.

Blitze gehen über Innsbruck nieder.
Gewitter über Innsbruck. Zumindest im Bergland hat sich die Zahl der Blitze in den letzten 40 Jahren verdoppelt.
Universität Innsbruck / Lukas Lehner

Frage: Wie zuverlässig sind langfristige Prognosen?

Antwort: Grundsätzlich wird jede Vorhersage, die über zehn Tage hinausgeht, als Langfristprognose bezeichnet. Solche Vorhersagen hängen stark mit längerfristigen Schwankungen der Meeresströmungen und -temperaturen zusammen. Sie funktionieren daher gut in Regionen an den großen Meeren, etwa auch in Westeuropa. Mitteleuropa beziehungsweise Österreich ist hingegen stark beeinflusst durch das große kontinentale Gebiet in Osteuropa. Dazu kommen die Alpen, die wettertechnisch ein sehr komplexes Gebiet sind. Deshalb können Langfristprognosen hier nur grobe Signale in Form von Wahrscheinlichkeiten liefern.

Frage: Wie werden solche Prognosen erstellt?

Antwort: Man muss unterscheiden zwischen Wetter und Klima. Wetter spielt sich auf viel kürzeren Zeitskalen ab und wird von temporären Phänomenen wie Tiefdruckgebieten und Niederschlägen beeinflusst. Wetterprognosen basieren auf Daten zum aktuellen Zustand der Atmosphäre in einem bestimmten Gebiet, wie Windgeschwindigkeit, Temperatur, Luftdruck und Luftfeuchtigkeit. Klimaprognosen betreffen viel längere Zeiträume. In Klimamodelle fließen statistische Daten aus der Vergangenheit genauso ein wie Daten aus Erdbeobachtungssatelliten zu großräumigen Bewegungen in der  Atmosphäre und den Ozeanen. Sie simulieren die Entwicklungen des Klimasystems und seine Reaktionen auf bestimmte Bedingungen auf globaler Ebene.

Frage: Um wie viel heißer ist es in den letzten Jahren und Jahrzehnten geworden?

Antwort: Europa erhitzt sich im globalen Vergleich besonders schnell. Das hat auch ein am Montag veröffentlichter Bericht des europäischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) bestätigt. Demnach lag die Durchschnittstemperatur im vergangenen Jahr rund 2,3 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau (weltweit waren es 1,2 Grad). In den drei Jahrzehnten bis 2021 stiegen die Temperaturen in Europa um 1,5 Grad. Ablesen lässt sich die Erderwärmung auch an der Zahl der Hitzetage, das sind Tage mit mindestens 30 Grad. Die Zahl hat sich in Österreich in den letzten Jahrzehnten vervielfacht – von drei bis zwölf Hitzetagen bis 1990 auf über 20 bis 2020. Zuletzt gab es Rekorde von über 40 Hitzetagen pro Jahr.

Die Grafik von Geosphere Austria zeigt die Entwicklung der Hitzetage an verschiedenen Standorten in Österreich.
Die Grafik von Geosphere Austria (vormals ZAMG) zeigt die Entwicklung der Hitzetage an verschiedenen Standorten in Österreich.
ZAMG

Frage: Was sind die hauptsächlichen Ursachen für die zunehmende Hitze?

Antwort: Es ist mittlerweile eindeutig, dass die Ursache für die Erderwärmung im menschengemachten Klimawandel liegt, also auf die Verbrennung von fossilen Kraftstoffen und die dadurch entstehenden Kohlenstoffemissionen zurückgeht. Das zeigen auch Messungen der CO2-Konzentration in der Atmosphäre, die zuletzt immer wieder Spitzenwerte erreichten. Durch die Erderwärmung verlangsamt sich die Luftzirkulation in der Atmosphäre, insbesondere im Sommerhalbjahr jeweils auf der Nord- und Südhalbkugel. Das bedeutet, dass sich Wetterlagen langsamer bewegen und einmal eingestellte Hoch- oder Tiefdruckgebiete länger an Ort und Stelle hängen bleiben. Paradoxerweise könnte auch der Umweltschutz dazu beigetragen haben, dass sich die Landmassen in Europa vergleichsweise schnell erwärmen: Es gibt nämlich weniger Aerosole und Schwebstoffe in der Luft, wodurch mehr Sonnenenergie zum Boden gelangt. Das muss aber noch genauer erforscht werden. In diesem Jahr kommt außerdem das Wetterphänomen El Niño dazu, das sich derzeit über dem Pazifik ankündigt und zusätzlich die globalen Temperaturen anheizen kann.

Frage: Werden Wasser- und Lufttemperaturen weiterhin steigen?

Antwort: Davon ist vorerst auszugehen. Die Entwicklung hängt natürlich auch vom Ausmaß der Klimaschutzmaßnahmen ab. Der derzeit noch extreme Wert von 40 Hitzetagen pro Jahr in Österreich werde bei einem weltweit ungebremsten Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2100 der Normalfall sein, sagt Marc Olefs, Leiter der Abteilung Klimafolgenforschung der Geosphere Austria. Die Rekorde würden dann in einem derzeit noch unvorstellbaren Bereich von 60 bis 80 Hitzetagen pro Jahr liegen. Bei Einhaltung des Pariser Klimaziels könnte sich die Zahl der Hitzetage in Österreich knapp über dem aktuellen Niveau einpendeln. Auch eine starke Zunahme der marinen Hitzewellen wurde schon in den Klimamodellen vorausgesagt.

Frage: Welche Konsequenzen hat das?

Antwort: Allein im vergangenen Jahr starben laut WMO in Europa mehr als 16.000 Menschen durch extreme Hitze. Die wirtschaftlichen Schäden wurden auf 1,8 Milliarden Euro beziffert. Höhere Temperaturen könnten auch dazu führen, dass sich Infektionskrankheiten und Antibiotikaresistenzen leichter ausbreiten. Generell ist mit häufigeren Extremwetterereignissen zu rechnen, also auf der einen Seite mit Dürren und Waldbränden, auf der anderen mit Starkniederschlägen und Überschwemmungen. Eine weitere gravierende Konsequenz der Erderwärmung ist die Rekordschmelze von Gletscher- und Polareis. Die Bedeckung des Meereises in der Antarktis ist derzeit auf einem Tiefststand. Ein am Dienstag veröffentlichter Bericht besagt, dass die Gletscher im Himalaja schneller als je zuvor geschmolzen sind. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnten sie 75 Prozent ihres Volumens verlieren. All diese Entwicklungen sind schon seit längerem erwartbar, beunruhigen die Fachwelt aber aufgrund ihrer Geschwindigkeit und Intensität. (Karin Krichmayr, 21.6.2023)