Wien – Die Meinungen gehen bei der Frage auseinander, ob Österreich für den Herbst mit genügend Impfstoff gegen das Coronavirus versorgt ist. Laut Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) sei man vorbereitet, und Impfstoff gebe es genug. Nach Ansicht der Ärztekammer ist aber das Gegenteil der Fall. Edgar Wutscher, Obmann der Kurie niedergelassene Ärzte, sagte dem STANDARD, dass es Probleme bei der Bestellung des Impfstoffs gebe und Ordinationen teilweise keinen erhalten würden. Für die Impfung ist ja nach Verhandlungen mit der Ärztekammer der niedergelassene Bereich zuständig. "Irgendwo hakt es bei der Beschaffung des Impfstoffs", betont Wutscher.

Eine Impfdose.
Wo ist der Impfstoff? Laut Gesundheitsministerium gibt es genug, die Ärztekammer sieht das anders.
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Umso mehr verwundern die Angaben des Gesundheitsministeriums: Denn dort heißt es, dass bereits 120.000 Ampullen in Österreich angekommen seien. Verteilt werden diese vom Pharmagroßhandel – 80.000 seien bereits an Ordinationen und Apotheken geliefert worden, erklärte der Branchenvertreter des Pharmagroßhandels, Andreas Windischbauer, im Ö1-"Morgenjournal". "Seit knapp zwei Wochen liefern wir den neuen Impfstoff aus", sagte Windischbauer. Von Problemen wisse er nichts, der Lieferungsprozess sei nach drei Jahren Pandemie "eingespielt". "Eine Impfstoffknappheit gibt es nicht", fügte Windischbauer hinzu.

Regionale Unterschiede

Vertreter der Ärztekammer sind laut Gesundheitsministerium bereits am 11. September über die Bestellmöglichkeit des an die XBB.1.5-Variante angepassten Corona-Impfstoffs informiert worden. Am selben Tag wurde das Vakzin auf den E-Shop der Bundesbeschaffungs GmbH (BBG) eingespielt, berichtete das Gesundheitsministerium am Dienstag auf APA-Anfrage. "Es finden seit Beginn der Corona-Schutzimpfung regelmäßige Abstimmungssitzungen mit den Bundesländern (Landesimpfkoordinatorinnen und -koordinatoren) statt, an denen auch Vertreterinnen und Vertreter der Ärztekammer teilnehmen."

Die Ärztekammer spricht jedenfalls von regionalen Unterschiede bei der Verfügbarkeit des Impfstoffs. Man sei im Lauf des Dienstags dabei zu evaluieren, wie die Situation in den einzelnen Bundesländern aussehe. Während Wutscher noch im Ö1-"Morgenjournal" davon sprach, dass er keine Ordinationen kenne, die einen Impfstoff bekommen hätten, sieht der Mediziner nun im Gespräch mit dem STANDARD die Stadt Wien etwa besser versorgt als die Steiermark und Tirol. Viele Ärztinnen und Ärzte würden keinen Impfstoff bekommen, auch wenn sie gerne in ihrer Ordination die Impfung anbieten wollen, sagt Wutscher.

Situation in Wien

Die Bestellung des Impfstoffs sei laut Gesundheitsministerium in jedem Bundesland unterschiedlich. In Wien etwa müssen die Ordinationen einzeln die Impfdosen anfordern. Eine Knappheit an Impfstoff gebe es nicht, sagt ein Sprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Im Impfzentrum Town Town gebe es genug Impfstoff, die Termine für die Impfung seien restlos ausgebucht, heißt es auf Anfrage des STANDARD. Ob Ärztinnen und Ärzte im niedergelassenen Bereich einen Impfstoff bestellen würden, sei jeweils Sache der Ordination.

Viele Ordinationen würden sich aber aufgrund der geringen Nachfrage seitens der Patientinnen und Patienten und der Tatsache, dass eine Impfampulle für sechs Dosierungen vorgesehen ist und binnen weniger Stunden verimpft werden muss, dagegen entscheiden, heißt es aus dem Ressort des Gesundheitsstadtrats.

Beschwerden eingelangt

Berichte, wonach Ärztinnen und Ärzte teilweise noch keine Impfstoffe bekommen könnten, wies die Präsidentin der Apothekenkammer Ulrike Mursch-Edlmayr zurück: "Ich kann aus meiner Erfahrung sagen, wenn die Ordinationen Impfstoffe bestellen, dann erhalten sie Impfstoffe." Derzeit sei der Corona-Impfstoff in Mehrdosenbehältnissen verfügbar. "In der Pipeline ist eine Einmalspritze", das werde alles noch einmal vereinfachen.

Dem Wiener Pflege- und Patientenanwalt Gerhard Jelinek liegen hingegen "in den letzten Tagen mehrere Beschwerden von Patientinnen und Patienten" vor, sagte er im "Mittagsjournal". Diese würden sich darüber beklagen, dass trotz öffentlicher Ankündigung, dass der neue Impfstoff gegen Corona vorhanden sei, sie bei den offiziellen Impfstationen "auf sehr lange Wartelisten verwiesen" worden seien. Und bei vielen niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, so höre er, "gebe es oft noch keinen Impfstoff".

Impfen in den Apotheken

Der Gesundheitsminister ist mit der aktuellen Terminvergabe im niedergelassenen Bereich unzufrieden. Er könne sich vorstellen, falls das Problem nicht gelöst werde, auch in Apotheken impfen zu lassen – und stellt der Ärztekammer ein einwöchiges Ultimatum. Wutscher sieht dies als "eine populistische Aussage". Seit Jahren streiten sich die Apotheker- und die Ärztekammer darum, ob Impfungen auch in Apotheken durchgeführt werden sollen. Die Ärztekammer lehnt diesen Vorschlag klar ab.

2.000 Apothekerinnen und Apotheker seien jedenfalls in den vergangenen Jahren für das Impfen ausgebildet worden, betont Mursch-Edlmayr. "Wir stehen bereit, wenn uns die Politik damit beauftragt." Innerhalb weniger Wochen sollen die Apotheken laut Mursch-Edlmayr in der Lage sein, großflächig zu impfen. (ste, APA, 26.9.2023)