Der Bischof hat sich geäußert, die Abtreibungsgegnerinnen sowieso. Dieser Gegenwind hat dazu geführt, dass die Vorarlberger Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (ÖVP) ihren Plan, Schwangerschaftsabbrüche übergangsweise im Krankenhaus durchführen zu lassen, wieder verworfen hat. Ihr Hinweis darauf, dass es sich nur um eine Übergangslösung handle und Abtreibungen nur von privaten Ärzten durchgeführt würden, genügte den Kritikern nicht.

Im Raum steht nun offenbar, dass die Praxis jenes Arztes, der derzeit Abbrüche durchführt, aber bald in Pension gehen will, von einem Team an Ärztinnen übernommen wird. Ab Ende 2024 sollen Abtreibungen dann in einem ehemaligen Personalwohnheim auf dem Areal des Landeskrankenhauses Bregenz durchgeführt werden. Am Dienstag bekräftigte auch Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP), dass Abbrüche außerhalb des Spitals durchgeführt werden sollen.

Brief ohne Folgen

Nun äußern sich in der Debatte erstmals Ärztinnen öffentlich. Genauer gesagt sind es zwei Gynäkologinnen, die in Vorarlberg im niedergelassenen Bereich und im Spital arbeiten. "Man sollte die emotionale Diskussion beiseitelassen", sagt jene, die im niedergelassenen Bereich arbeitet. "Wenn man das Thema sachlich beurteilt, dann ist eine Krankenhausstruktur der medizinisch sicherste Ort, um Abbrüche durchzuführen. In anderen Bundesländern funktioniert das bereits."

Die Botschaft geht natürlich in Richtung von Gesundheitslandesrätin Rüscher. Schon Ende 2022 hätten sich engagierte Gynäkologen aus dem ganzen Bundesland in einem Brief an die Politikerin gewandt. Auch hier sei die Botschaft klar gewesen: Für Frauen und das durchführende Personal seien Abbrüche im Krankenhaus die beste und sicherste Lösung. In dem Schreiben erklärten die unterzeichnenden Ärztinnen und Ärzte auch ihre Bereitschaft, sich an dieser Lösung zu beteiligen. "Es gab dann Gespräche, dort wurde uns aber nur eine fertige Lösung präsentiert und nicht nach unserem Input gefragt", sagt die niedergelassene Ärztin.

Antrag verpflichtet Landesrätin

Die damals der Ärzteschaft präsentierte Lösung ist das Personalwohnheim, das sich auf dem Areal des Landeskrankenhauses befindet. Da es noch umgebaut werden muss, können dort aber erst Ende 2024 Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden. Für die Zwischenzeit wird nun eine Übergangslösung gesucht, weil Rüscher den Rückzieher machte.

Und das, obwohl es einen aufrechten Beschluss des Landtags gibt. Anfang des Jahres haben ÖVP, Grüne, SPÖ und Neos dort einem Antrag zugestimmt, in dem die Landesregierung aufgefordert wird, "den öffentlich vorgestellten Weg für eine Nachfolgelösung für sichere Schwangerschaftsabbrüche in Vorarlberg im Laufe dieses Jahres umzusetzen". Der vorgestellte Weg ist dabei das Personalwohnheim. Weiters heißt es, dass "ein guter Übergang vom bestehenden zum neuen Angebot zu gewährleisten" ist. Der beschlossene Antrag ist für die Landesregierung bindend.

Frage der Anonymität

Für Rüscher ist das externe Gebäude die ideale Lösung: Das Spital ist nah, und doch gibt es die in konservativen Kreisen geforderte Trennung, personell und räumlich. Zuletzt sagte Rüscher auch, dass diese Variante für die Frauen besser sei, weil die Anonymität hier eher gegeben sei. "Vorarlberg ist mit seinen 400.000 Einwohnern und den kleinen Spitälern weniger anonym als Wien. Das sonst so hervorgehobene anonyme Betreten des Krankenhauses ist hier spätestens auf der Station nicht gegeben."

Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (ÖVP) hatte eigentlich einen Plan, wo und wie Schwangerschaftsabbrüche künftig durchgeführt werden sollen. Sie scheiterte aber an konservativen Kritikern, die auch aus der eigenen Partei kommen.
APA/Stiplovsek

Die beiden Ärztinnen widersprechen entschieden. Die Anonymität von Patientinnen sei im Spital gewährleistet. Es herrsche ärztliche Schweigepflicht, außerdem sei für niemanden ersichtlich, ob eine Frau wegen einer Fehlgeburt oder wegen eines Abbruchs kommt. In dem Personalwohnheim, wo das Kommen und Gehen von außen genau beobachtet werden könne, eben nicht. Das gelte auch für die Ärztinnen und Ärzte. Ein in der Debatte über Abtreibungen in Vorarlberg wesentlicher Punkt.

Angst vor Anfeindungen

Denn dass die Ärzteschaft bislang geschwiegen hat und auch die beiden Gynäkologinnen nicht mit ihrem Namen in den Medien stehen wollen, liegt an der Angst vor öffentlichen Anfeindungen. "Ich möchte in Vorarlberg nicht mit Abbrüchen in Verbindung gebracht werden", sagt die niedergelassene Ärztin. "Ich möchte nicht, dass man mich – oder meine Familie – plötzlich auf der Straße deswegen anspricht. Das wäre so. Und das ist extrem unangenehm." Die Spitalsärztin stimmt ihrer Kollegin zu: "Im Strafgesetz ist eigentlich verankert, dass Ärztinnen, die Abbrüche durchführen, keine Benachteiligung erfahren sollen. Das ist aber überhaupt nicht der Fall. Die Ärztinnen erfahren sozial und gesellschaftlich eine massive Benachteiligung."

Die beiden Gynäkologinnen können sich deswegen nicht vorstellen, dass die Gesundheitslandesrätin Personal für eine Lösung in einer Ordination finden wird. Jener Arzt, der derzeit die einzige Praxis betreibt, ist 71 und will bald in Pension gehen. Dass er nicht in Vorarlberg, sondern in Deutschland wohne, spiele sicher eine wichtige Rolle dabei, dass er mit dem Stigma arbeiten kann, meinen die beiden Ärztinnen. Der von ihnen angesprochene Dr. Hostenkamp hat auch immer wieder kommuniziert, wie massiv er und Patientinnen von Abtreibungsgegnerinnen belästigt würden. Die beiden Ärztinnen sehen hier deswegen die Politik in der Pflicht.

Teamlösung 

Dass Abtreibungsgegner für ein Klima der Angst in Vorarlberg sorgen, wird auch daran deutlich, dass bisher nirgends im niedergelassenen Bereich das als Abtreibungspille bekannte Medikament Mifegyne angeboten wird. Für Frauen sei das zwar meist die schonendste Variante eines Abbruchs, aber auch hier gelte: Die Hemmung in der Ärzteschaft sei zu groß. "Man möchte nicht den Ruf haben, dass dieses Medikament hier angeboten wird."

Dabei haben die beiden Ärztinnen mit der Behandlung von Frauen mit Konfliktschwangerschaften, wie sie es nennen, kein Problem. Allerdings: "Es ist sicher kein Eingriff, den man gerne macht. Es ist insgesamt – für die Frau und die durchführende Ärztin – eine belastende Situation. Wenn man das auf viele Personen aufteilt, dann ist es tragbar. Nur das zu machen, das kann ich mir nicht vorstellen", erzählt die Spitalsärztin. Die Kollegin aus dem niedergelassenen Bereich ergänzt: "Ich sehe das auch so. Es ist unsere Aufgabe als Gynäkologinnen, solche Frauen zu versorgen. Aber es muss auch das Setting rundherum passen."

Was für das Spital spricht

Dass das im Krankenhaus passe, liege nicht nur an der Anonymität. Die Ausstattung sei dort besser, es gebe mehr Personal und das richtige Equipment, falls einmal nicht alles nach Plan verlaufe. Hinzu kommt, dass der Anteil an Frauen mit Risikofaktoren unter jenen mit Abtreibungswunsch groß sei – sehr adipöse Frauen, solche mit mehreren Kaiserschnitten oder Frauen mit Vorerkrankungen. "Da wäre so ein Eingriff im niedergelassenen Setting unter Umständen auch gefährlich", sagt die Spitalsärztin.

Welche Frauen kommen

Wer sind aber eigentlich "die Frauen", über die momentan verhandelt wird? Die niedergelassene Ärztin hat es sich für das Gespräch mit dem STANDARD in ihrer Praxis ausgerechnet: Im Schnitt fast 32 Jahre alt und bereits 1,5 Kinder. "Es ist zum Beispiel die über 40-Jährige, die zwei Teenager zu Hause hat und mitten im Berufsleben steht. Oder es ist die Frau, die eine onkologische Erkrankung mitgemacht hat und die Sorge hat, dass sie in zehn Jahren nicht mehr für ihr Kind da ist."

Dass sich Frauen nach einem Gespräch und einer Untersuchung umentscheiden, komme sehr selten vor. Für die meisten sei ein Abbruch die einzige Lösung. Ebenso wenig habe sie die Erfahrung gemacht, dass es Frauen gibt, die eine Abtreibung als Verhütungsmethode missbrauchen.

Was nicht passieren dürfe

Ein wichtiger Grund dafür, dass sich die beiden Ärztinnen nun an die Öffentlichkeit wenden, ist auch die Frage von Komplikationen durch nicht sachgemäß durchgeführte Abbrüche. "Wir dürfen Frauen nicht im Stich lassen und sie in Situationen treiben, die mit einer deutlich erhöhten Morbidität und Mortalität einhergehen. In unseren Breiten ist das derzeit glücklicherweise nicht so ein Thema, und so weit darf es auch nicht kommen." (Lara Hagen, 27.9.2023)