Digitale Rekonstruktion eines Beutelwolfs oder Tasmanischen Tigers, Thylacinus cynocephalus.
Den Tasmanischen Tiger, Kaparunina oder Beutelwolf gibt es heutzutage nur noch rekonstruiert – oder als Präparat in Museen. Er wurde in Australien als Schädling bekämpft und ausgerottet.
Getty Images/Corey Ford

Der Endling starb 1936: In einem Zoo im australischen Hobart bedeutete der Tod eines Beutelwolf-Weibchens, dass die gesamte Spezies von der Erdoberfläche verschwunden war. In freier Wildbahn konnte man Thylacinus cynocephalus, der mit rund 60 Zentimetern Schulterhöhe etwa so groß wurde wie ein mittelgroßer Hund, schon lange nicht mehr antreffen. Nach der Kolonialisierung Australiens galt der Beutelwolf den Menschen als Schädling, der Schafen gefährlich werden könne. Dabei reichte die Beißkraft des nachtaktiven Raubtiers Analysen zufolge wohl nicht einmal aus, um Schafe zu reißen.

Im Jahr 1936 wurde die Art interessanterweise auch unter Schutz gestellt, freilich viel zu spät. Seitdem blieben Versuche erfolglos, doch noch einen Beutelwolf zu sichten, der auch als Kaparunina oder Tasmanischer Tiger (nicht zu verwechseln mit dem vom Aussterben bedrohten Tasmanischen Teufel) bezeichnet wird. Der Wunsch, das Tier möge nicht ausgestorben sein, wurde abgelöst von molekularbiologischen Hoffnungen: Das Unternehmen "Colossal Biosciences" arbeitet daran, diese und andere Spezies – vom Dodo bis zum Mammut – mittels älterer DNA-Proben "wiederzubeleben".

Tasmanian Tiger in Colour
Eines der letzten Exemplare des Beutelwolfs (oder Tasmanischen Tigers) in einem nachkolorierten Video.
NFSA Films

Dabei könnte eine aktuelle Studie von Nutzen sein. Einem Forschungsteam um Emilio Mármol-Sánchez von der Universität Stockholm gelang es, RNA des Tasmanischen Tigers zu gewinnen. Dafür entnahmen sie einem 130 Jahre alten mumifizierten Exemplar aus dem schwedischen naturhistorischen Museum in Stockholm drei Gewebeproben. Diese kleinen etwa 80 Milligramm leichten Proben stammten aus Muskeln und Haut. Die Ergebnisse veröffentlichte die Gruppe im Fachjournal "Genome Research".

Die Viren eines Tasmanischen Tigers

Das Ergebnis ist deshalb erstaunlich, weil RNA-Moleküle fragil sind. Selbst in lebenden Organismen können sie schnell abgebaut werden, wenn sie nicht dort landen, wo sie dem Immunsystem zufolge hingehören. Im Körper ist RNA – kurz für Ribonukleinsäure – etwa als Bote dafür zuständig, Information vom Erbgut im Zellkern, der DNA, in den Rest der Zelle zu bringen. Mit ihrer Hilfe können beispielsweise gerade benötigte Proteine gebaut werden. "Außerhalb von lebenden Zellen, so vermutet man, wird sie innerhalb von Minuten abgebaut oder zerstört", sagt Marc Friedländer von der Uni Stockholm, der neben seinem Kollegen Love Dalén die Studie betreute.

Allerdings konnte RNA in den vergangenen Jahrzehnten und Jahren nicht nur so weit stabilisiert werden, dass man sie für Impfungen nutzen kann, wie es bei den ersten RNA-Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna geschah, um die Covid-19-Pandemie besser in den Griff zu bekommen. Auch die Methoden, alte RNA zu gewinnen und zu analysieren, verbessern sich allmählich – nachdem es bereits möglich geworden ist, jahrtausendealte DNA zu untersuchen.

Nachdem die gewonnenen RNA-Fragmente in Bezug auf Duplikate und äußerst kurze Sequenzen bereinigt wurden, ergaben sich 1,5 Millionen verschiedene Sequenzen aus Muskelzellen sowie 2,8 Millionen Sequenzen aus Hautzellen. Die Fragmente konnten insgesamt mehr als 500 Genen zugeordnet werden. So fand das Forschungsteam heraus, dass sie wohl in der Haut die Herstellung oder Aktivität des Strukturproteins Keratin beeinflussten, in Muskelzellen jene der Proteine Aktin und Titin, die beim Anspannen von Muskeln wichtige Rollen einnehmen. Außerdem wurde Viren-RNA entdeckt, die Aufschluss über Erkrankungen des Beutelwolfs geben.

Erregerforschung in Museen

Durch die RNA-Analysen des skandinavischen Forschungsteams hat man nicht nur entschlüsselte Beutelwolf-DNA zur Verfügung, sondern kann auch mehr darüber lernen, welche Proteine es in den Zellen des verstorbenen Tiers gab und wie diese die DNA aktivierten. "Im Unterschied zu der Frage, was ein Genom ist, können wir uns so anschauen, was das Genom tut", sagt der britische Genetiker Oliver Smith, der nicht an der Studie beteiligt war, gegenüber "Nature News". Daraus ergebe sich eine neue potenzielle Informationsquelle. Er erhofft sich künftig weitere Forschungsarbeiten, bei denen die Sequenzierung von DNA und RNA kombiniert wird.

In Bezug auf ausgestorbene Arten, deren übrig gebliebene Vertreter in Museen lagern, dürfte dies ebenfalls eine interessante neue Informationsquelle darstellen. Aber auch andere Tiere aus Museumssammlungen bieten neue Möglichkeiten, wenn man ihr Transkriptom erforscht, stellt Genetiker Dalén in Aussicht. Besonderes Potenzial ortet er bei Fledermäusen und anderen typischen Wirtstieren, die Krankheitserreger übertragen können. Werden etwa ihre Häute nach Virus-RNA abgesucht, könne die Evolution von RNA-Viren, etwa Sars-CoV-2, rekonstruiert werden.

Anleitung zur Wiederbelebung

Doch können die Ergebnisse bei dem Versuch helfen, den Tasmanischen Tiger zurückzuholen? Prinzipiell ja: Genomdaten der Spezies wurden bereits sequenziert, damit gibt es bereits eine vollständige "Bauanleitung", mit der sich theoretisch ein Embryo erzeugen ließe. Die neuen RNA-Daten können die DNA ergänzen, denn auch die Umgebung und damit die Regulierung des Erbgutablesens ist wichtig – und somit alles, was man über das Transkriptom, also alle RNA-Moleküle in einer Zelle, erfahren kann. Somit lernen Forscherinnen und Forscher im Zuge der neuen Studie mehr darüber, welche Gene in den Haut- und Muskelzellen des untersuchten Exemplars wohl aktiv waren.

Beutelwolf oder Tasmanischer Tiger, ausgetrocknet auf drei Fotos
Erstaunlicherweise gelang es, aus diesem getrockneten Exemplar aus dem Naturhistorischen Museum Stockholm RNA zu gewinnen.
Emilio Mármol-Sánchez et al. 2023 / Reuters

"Die Wiederbelebung des Tasmanischen Tigers oder auch des Wollhaarmammuts erfordert ein umfassendes Wissen sowohl über die Regulierung ihrer Genome als auch über jene ihrer Transkriptome – Wissen, das erst jetzt entsteht", sagt Erstautor Mármol-Sánchez.

Bis tatsächlich ein Beutelwolf quasi geklont werden kann, dürfte noch einige Zeit vergehen. Ein exakter genetischer Zwilling würde dabei dem Plan des Unternehmens "Colossal Biosciences" zufolge nicht herauskommen: Dieser sieht vor, Stammzellen eines verwandten lebenden Tiers mit ähnlicher DNA so zu modifizieren, dass sie den Zellen eines Beutelwolfs möglichst ähnlich sind. Dabei will das Team um Andrew Pask auf die ebenfalls in Australien heimische Dickschwänzige Schmalfußbeutelmaus setzen. Aus den Stammzellen ließe sich ein Embryo entwickeln.

Künstliche Uteri und Leihmütter

Damit wäre man bei einer besonders herausfordernden Phase des Unterfangens angelangt, die auf der Website der Firma beschrieben wird: In einer Beutelmaus-Leihmutter oder in einem künstlichen Uterus soll der Embryo herangezüchtet werden. Bisherige Experimente zeigten bereits durch das Klonen von nicht ausgestorbenen Spezies (etwa Mäusen), wie viel in dieser Phase schiefgehen kann und dass es mitunter dutzende bis hunderte Versuche braucht, bis einer gelingt. Das ist angesichts des aufwendigen und nicht gerade günstigen Verfahrens ein schwieriger Aspekt. Wie das Unternehmen mitteilt, helfen auch Prominente wie der australische Schauspieler Chris Hemsworth bei der Finanzierung, ihm gehe es um den Schutz der australischen Biodiversität, auf die das Aussterben des Tasmanischen Tigers verheerende Auswirkungen gehabt habe.

Ethische Erwägungen spielen ebenfalls eine Rolle, weshalb Pask bereits etwa die Hoffnung äußerte, ohne Leihmutter auszukommen. Künstliche Uteri werden zunehmend verbessert, wie kürzlich berichtet – und mit dem Kurzvideo, in dem man ein Lamm in einer Art durchsichtigem Plastiksackerl-Uterus sieht, der an Science-Fiction erinnert, illustriert – wurde. Für viele Spezies, selbst für Menschen, könnten sie für eine späte Phase der Schwangerschaft relevant werden, etwa, wenn Babys viel zu früh zur Welt kommen und in einem besonders präparierten Inkubator am Leben gehalten werden könnten. Im Falle des Beutelwolfs ist eine Entwicklung im künstlichen Uterus eher vorstellbar: Die Tragzeit betrug nur etwa drei Monate, bei Beuteltieren sind generell selbst Neugeborene noch winzig klein.

Es gibt allerdings auch Kritik an den Bestrebungen, ausgestorbene Tierarten zurückholen. Zwar würden die Ideen öffentlichkeitswirksam auf die Biodiversitätskrise und das Aussterben von Arten aufmerksam machen. Doch der Aufwand stehe in keinem Verhältnis zum Ergebnis. Wenige Exemplare würden noch längst keine nachhaltige Wiederansiedlung im ursprünglichen Lebensraum ermöglichen. Stattdessen betonen Kritikerinnen wie die Evolutionsbiologin Sarah Otto von der University of British Columbia im kanadischen Vancouver: "Solche Lösungen sind in der Regel teuer, riskant, und sie sind der letzte Ausweg." Es sei wesentlich sinnvoller, Lebensräume noch lebender Arten zu schützen, um diese gar nicht erst aussterben zu lassen. Dabei geht es nicht nur um kuschelige Säugetiere wie den Beutelwolf, sondern auch um Frösche, Insekten und Schnecken, die in ihren Ökosystemen wichtige Rollen einnehmen. (Julia Sica, 27.9.2023)