Die Künstlerin Elisabeth von Samsonow, Art, 2. Bezirk, Homestory
Die Künstlerin Elisabeth von Samsonow bezeichnet ihr Daheim als eine Art Basilika.
Katharina Gossow

Es ist eine unscheinbare, farblose und eher fade Gasse mitten in der Wiener Leopoldstadt. Keine Geschäfte, keine Passanten, dafür eine Menge parkende Autos. Bei der gesuchten Hausnummer angekommen, lässt sich noch nicht ahnen, dass man bereits nach ein paar Schritten in einer gänzlich anderen Welt landen wird. Der Besucher folgt, als wären es Wegweiser, alten, in den Boden eingelassenen Schienen, die durch zwei Innenhöfe in den hinteren Teil des Gebäudekomplexes führen. Einst war hier eine Manufaktur untergebracht, die Darmsaiten für Musikinstrumente produzierte, später ein Unternehmen, das in Eisenwaren machte. Deshalb auch die Schienen für Transportwägelchen.

Die Künstlerin Elisabeth von Samsonow, Art, 2. Bezirk, Homestory
Auch der Mieze auf dem Sofa scheint es in diesem Zuhause zu gefallen.
Katharina Gossow

Als Elisabeth von Samsonow Tür und Tor öffnet, betritt man zuerst einen Garten, in dem einem der Mund für einen Moment offenstehen bleibt. Aber das wird an diesem Montagvormittag noch öfter passieren. Was das hier für ein Zuhause sein soll, erschließt sich nicht sofort. Die Blicke sausen von einer Sehenswürdigkeit zur anderen. Im Garten stehen Skulpturen, Körbe, Kerzenständer, außergewöhnlich viele Besen, Möbel, Kisten, Wolldecken, Teppiche, Glasziegel und Sessel, die sich um einen großen Tisch auf einer Terrasse scharen. Erst nachdem man das ganze Panorama erfasst hat, wird klar, dass es sich hier um ein kleines Abenteuerreich für die Sinne handelt. Eine Mischung aus Minipalast, Hexenhäuschen, Kunstwerkstatt und Ideenschloss.

Grenzenlos

Der größere Teil des Zuhauses von Elisabeth von Samsonow misst 200 Quadratmeter und ist in einem Gebäude auf drei Ebenen verteilt. Dem gegenüber liegt zu ebener Erde das Atelier mit 70 Quadratmetern. Auf der Fläche zwischen den Häusern zeigen sich in allerlei Couleur Rosensträucher, ein beeindruckender chinesischer Drachenbaum, Lorbeer, Bambus, Rosen, auch eine Himalaya-Zeder. Zurechtgezupft wird hier gar nichts und doch scheint alles einem Plan zu folgen. Einem Plan des Zufalls. Blickt man gen Himmel, wirkt dies, als schaue man durch einen Schacht nach oben. Einen Schacht, den mehrstöckige Wohnhäuser umrahmen. Man neigt zur Frage, was sich die Menschen dort oben denken, wenn sie auf das Paradiesgärtchen hinunterschauen. Es dürfte ihnen gefallen. Und nebenbei für frische Luft sorgen.

Die Künstlerin Elisabeth von Samsonow, Art, 2. Bezirk, Homestory
Auf drei Ebenen finden verschiedenste Räume und Funktionen zusammen.
Katharina Gossow

Grenzen sind an diesem Ort schwer zu verorten, räumlich wie stilistisch, alles scheint miteinander zu einer Einheit verwoben, so unterschiedlich die Dinge auch sind, die sie hier ein wundersames Stelldichein geben. Leben wird zur Kunst. Kunst zu Leben.

Als von Samsonow das Haus vor über 15 Jahren gekauft hat, wusste sie sofort, dass es ihr Zuhause werden würde. "Ich hab’s mir nicht einmal richtig angeschaut und gleich bei dem Immobilisten unterschrieben", erzählt die Künstlerin und setzt nach, "ich wollte einfach diese Luft hier mitten in der Stadt kaufen." In der Folge entwickelte sich alles über viele "allerlei witzige, architekturtheoretische Planungsetappen", wie Samsonow erklärt und dabei schaut, als würde sie in der Zeit zurückblicken. Außerdem habe sie ganze Bücher mit Ideen vollgezeichnet. "Wie es einmal aussehen würde, habe ich allerdings auch geträumt. Man kann das Ganze also durchaus Traumhaus nennen. Umgesetzt haben dieses auch die Architekten von 'Kenh'." Auf die Frage, ob sie hier allein wohnt, antwortet Samsonow nach kurzem Überlegen: "Wie man’s nimmt, sagen wir, es geht hier sehr offen zu."

Die Künstlerin Elisabeth von Samsonow, Art, 2. Bezirk, Homestory
Plätze zum Denken, zum Schauen, zum Ruhen, zum Lesen und einfach nur zum Sein.
Katharina Gossow

Die inneren Bereiche führen fort, worüber man bereits im Außenbereich staunen durfte. Es ist, als stülpe sich der Garten in den Innenraum und umgekehrt. Egal, ob es sich um die Küche, den Schlaf- oder Lesebereich handelt. Egal, ob in den Wohnzimmern oder dem darunter gelegenen Kunstlager: Hier trifft Barock auf Voodoo, Venice-Beach auf Goa und ein Stück der Blumeninsel Mainau. Die Wohnräume sind auch an die Werkstätte im Souterrain und das Atelier angeschlossen.

Ein Haus müsse dem Tun dienen, dürfe seinen Bewohnern keine Last aufbürden. Auch leidenschaftliches Umgestalten sei Teil eines guten Wohndaseins. Die Künstlerin präferiert Offenheit, selbst die Infrastruktur solle sichtbar sein. "Warum nicht auch die Strom- und Gasleitungen herzeigen?". Den Begriff "Stauraum" kann sie nicht ausstehen. "Hören Sie, das klingt doch schon so nach ‚Stauen‘. Das heißt, man vergisst in diesen Stauräumen Dinge, die man sowieso nicht benötigt. Bei mir liegt alles griffbereit. Einbaumöbel sind mir ein Graus."

Die Künstlerin Elisabeth von Samsonow, Art, 2. Bezirk, Homestory, Catcontent
Ein Daheim dürfe einem keine Last aufbürden, sagt von Samsonow.
Katharina Gossow

Über die Bewertung des Wohnens sagte die 1956 in Bayern geborene Künstlerin und Philosophin einmal: "Die neue Auffassung des Wohnens hängt mit der Neubewertung des Essens zusammen. Der Sexualität macht das gemeinsame Essen Konkurrenz. Statt einer Orgie erlebt man ein gemeinsames ausgesuchtes Dinner. Das ergibt eine Art neue Kindlichkeit."

Die Künstlerin Elisabeth von Samsonow, Art, 2. Bezirk, Homestory, Kitchendesign
Von Samsonow stammt aus einer Dynastie von Schmieden. Der Ofen wurde von ihrem Vater gebaut. Über die Wendeltreppe gelangt man in ein Denkzimmer voller Bücher.
Katharina Gossow

Tempel und Spaceshuttle

Von Samsonow betrachtet ihr Zuhause als eine Basilika, die sich in Seitenschiffe mit den "Versorgungsräumen" wie Toilette, Bad und Schlafzimmer sowie ein zentrales, im Dach gelegenes Geist- und Denkzimmer unterteilt. Dieses liegt unter gläsernen Flächen und ist über eine gusseiserne Wendeltreppe, die sich gleich einer Schnecke nach oben windet, erreichbar. "Das hier ist nicht nur ein Tempel, sondern eine Art Spaceshuttle, von dem aus ich das ganze Himmelszelt studieren kann", erzählt die Hausbesitzerin.

Die Künstlerin Elisabeth von Samsonow, Art, 2. Bezirk, Homestory, Garden
Das Drinnen wird zum Draußen und umgekehrt.
Katharina Gossow

In dem wunderbar hellen Raum türmen sich unzählige Bücher und Kataloge in Regalen und auf Tischen orientalischer Herkunft. Auch ein Buddha darf natürlich nicht fehlen. "Eigentlich", so Samsonow, "bestehen die Wände hier mittlerweile aus Papier." Vom Geistzimmer gelangt man jeweils über seitliche Türen auf kleine Dachterrassen.

Die Künstlerin Elisabeth von Samsonow, Art, 2. Bezirk, Homestory, Garden
Jeder Bereich an diesem Ort scheint eigenständig zu sein und verwächst doch mit allem zu einer Einheit.
Katharina Gossow

Jeder Bereich an diesem Ort scheint eigenständig zu sein und verwächst doch mit allem zu einer Einheit. Das gilt auch für die Wohnküche, die besonders an ein Hexenhäuschen denken lässt. Den Ofen hat Samsonows Vater geschmiedet. Die Künstlerin gehört zur 13. Generation einer Schmiededynastie. Das Mobiliar neben Tisch und Kochzeile? Barock-reloaded oder verschachtelte Transparenz? Beides!

Die Künstlerin Elisabeth von Samsonow, Art, 2. Bezirk, Homestory
Das im Dach gelegenes Geist- und Denkzimmer besticht durch große Fensterfronten.
Katharina Gossow

Wunderkammern

Neben dem Küchentisch, an dem von Samsonow am liebsten schreibt, stehen gleich Aufpassern Skulpturen der Künstlerin, die den Besucher argwöhnisch zu prüfen scheinen. Ihnen gleich tut es eine hereinschneiende Katze. Sie sieht aus wie ein Mini-Puma und hört auf den Namen Leo. Andere Katzen von Samsonow heißen Anderl, Alfi oder Zita. Auf ihrem Landsitz, einem alten Weinhauerhaus nördlich von Hollabrunn, wo die Künstlerin ihre Sommer verbringt, gibt es außerdem fünf Katzenbabys. "Katzenschnurren", sagt von Samsonow, die seit vielen Jahren an der Akademie der bildenden Künste in Wien unterrichtet, "erfüllt eine wichtige ärztliche Funktion. Katzen legen sich immer dorthin, wo sie aufgrund ihrer Diagnose eine Problemzone, zum Beispiel eine Verspannung, orten. Katzen sind Wohltäter."

Die Künstlerin Elisabeth von Samsonow, Art, 2. Bezirk, Homestory, Studio, Art, Vienna
Gegenüber den eigentlichen Wohnräumen, getrennt durch ein Paradiesgärtlein, liegt das Atelier der Künstlerin, in dem es sich auch einwandfrei wohnen ließe.
Katharina Gossow

Als einen das Haustor nach dem Rundgang durch die Samsonow’schen Wunderkammern wieder auf die Gasse ausspuckt, wirkt diese nicht mehr ganz so leb- und farblos wie vor dem Besuch. Es ist, als hätte man ein paar der Farben und Formen dieses Voodoo-Barocks in die Arbeitstasche einpackt. Zumindest für ein Weilchen werden sie noch nachleuchten. (RONDO, Michael Hausenblas, 5.10.2023)

Die Künstlerin Elisabeth von Samsonow, Art, 2. Bezirk, Homestory, Studio, Art, Vienna
Elisabeth von Samsonow fühlt sich wohl in ihrem Refugium.
Katharina Gossow