Mit der STLA-Medium-Plattform schafft es Stellantis, erstmals auch bei größeren Modellen Elektroautos anzubieten – beispielsweise den neuen Peugeot 3008.
Mit der STLA-Medium-Plattform schafft es Stellantis, erstmals auch bei größeren Modellen Elektroautos anzubieten – beispielsweise den neuen Peugeot 3008.
Stockinger

Eigentlich begann alles mit dem VW Käfer. Er war das erste Auto, das auf einer Plattform basierte. Das heißt, eine tragende Bodenplatte mit vier Rädern und einem Motor im Heck. Er konnte auch ohne Karosserie fahren. Einige Spielarten wurden darauf aufgebaut, etwa das Sportmodell Karmann Ghia. Auch von kleinen bis privaten Autoherstellern wurde die Bodenplatte gerne hergenommen, um darauf mehr oder weniger originelle, lustige, zuweilen skurrile andere Karosserien aufzusetzen. Konsequent weiterentwickelt wurde diese Idee aber nicht. Dem kam die selbsttragende Karosserie dazwischen: leichter, steifer, sicherer. Und so ähnlich könnte es auch der Surfbrettarchitektur beim Elektroauto ergehen. Was die Japaner in den 1990er-Jahren als Plattformstrategie bezeichneten, war sowieso eher ein konzentriertes Bemühen um möglichst viele Gleichteile über mehrere Modellreihen hinweg, um Kosten zu sparen, als der Versuch, tatsächlich eine einheitliche Bodenplatte zu kreieren.

Die Plattformstrategie begann eigentlich mit dem VW Käfer, im Bild die Fertigung im Werk Wolfsburg.
Foto: Volkswagen

Doch der Reihe nach. Die Pioniere müssen immer sehr viel Lehrgeld zahlen. BMW hat das ja eindrucksvoll vorexerziert. Mit dem i3 hat man ein wunderbares Beispiel geliefert, wie man Vollstrom in die Sackgasse fährt. Viel zu viel Hightech von gestern (Carbonfaser) mit hohem Energiebedarf und schlechten Recycling-Eigenschaften. Deshalb sind die Bayern mittlerweile mit radikalen Patentrezepten für die Zukunft besonders vorsichtig. Man verwendet die bestehenden Verbrenner-Plattformen und integriert den Elektroantrieb nachträglich. So machten es anfangs praktisch alle, sogar Tesla (Lotus Elise). Auch bei der neuen Generation der Fünfer-Limousine setzt BMW dieses Rezept fort: Man konzipierte das Auto von vornherein zwar neu, aber doch wieder so, dass sowohl Verbrenner- als auch Elektroantrieb in beliebiger Abfolge sogar vom selben Band laufen können. Das erlaubt immerhin maximale Flexibilität, auf die Erfordernisse unterschiedlicher Märkte und deren Eigenheiten zu reagieren. Das ist die gelebte Gegenwart.

Die Sache ist nämlich die: Die Surfbrettarchitektur, die etwa von VW und Hyundai-Kia für ihre Elektromodelle bevorzugt wird, könnte in dieser strengen Form ohnehin bald wieder Geschichte sein. Die Batteriekonstellation ausschließlich in einer Kiste am Wagenboden erlaubt nicht nur keine Verbrennervarianten, sie ist auch eher unflexibel, wenn man an die Integration künftiger Batteriegenerationen denkt. An einer cleveren Integration der Batterien ins Fahrzeug arbeiten längst alle Autohersteller. Und darum geht es eigentlich.

Die klare Linie ist die unklare

Dass es keine klare und eindeutige Linie geben kann, was besser ist, Elektroplattform oder Mischplattform, zeigt auch das Beispiel Mercedes. Reine Elektroplattformen gibt es bereits am oberen Ende der Modellpalette für die S- und E-Klasse (EQS, EQE). Doch schnell war klar, dass Zuspitzung auf den Elektroantrieb, die konsequent bis ins Design durchgezogen wurde, nicht unbedingt die Marktchancen verbessert hat. In der Folge kündigt man nun im Volumensegment eine neue Generation einer Mischplattform namens MMA an (Mercedes Modular Architecture). Plattform hin oder her, auf die Markenidentität wird diese technisch doch substanzielle Entscheidung da wie dort keinen Einfluss haben.

Peugeot 3008 (3. Generation, ab 2024), Peugeot E-3008 (Elektro-Fahrzeug; alternative Antriebe).
Peugeot 3008 (3. Generation, ab 2024), Peugeot E-3008 (Elektro-Fahrzeug; alternative Antriebe).
Peugeot

Man sollte das Elektroauto also nicht mehr aus dieser Lego-Perspektive sehen, sondern eher von seinen technischen Inhalten heraus. Der Schlüssel für die Zukunft liegt in der Zelltechnologie, in der Verfügbarkeit bestimmter Zellformate, aber auch in der Art, wie sie eingebaut und verschaltet sind. Der Weg führt in Richtung Cell-to-Pack (keine Module mehr), Cell-to-Chassis und Cell-to-Body, also in Richtung totale Integration der Batterie in die Karosserie. Denn nicht nur in der Zellchemie liegt das Geheimnis großer Kapazitäten und Reichweiten. Gerade das technische Umfeld zur Gewährleistung einer sicheren Funktion und eines guten Temperaturmanagements ist schwer und nimmt viel Platz ein. Hier herrscht noch hohes Optimierungspotenzial.

E-GMP heißt die rein elektrische Architektur von Hyundai-Kia, das Akronym steht für Electric Global Modular Platform. Fahrzeuge darauf wären Ioniq 5 und 6 sowie Kia EV6 und EV9.
Foto: Stockinger

Sehr bald könnten uns die heutigen Konzepte MEB von VW oder E-GMP von Hyundai-Kia wie klobige Bauklotz-Architektur aus einem früheren Jahrhundert erscheinen. Während wir also über die Zukunftschancen von reinen Elektroplattformen versus Verbrenner diskutieren, laufen im Hintergrund längst Vorbereitungen für den nächsten wirklich kompromisslosen Elektrifizierungsschub. (Rudolf Skarics, 22.10.2023)