Günter Brus in seiner Ausstellung
Günter Brus kam am 27. September 1938 im steirischen Ardning zur Welt. Hier befindet er sich in seiner Ausstellung im Belvedere 21 im Jahr 2018.
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Zwei Ausstellungen finden statt, die geplanten Festlichkeiten mussten aber kurzfristig abgesagt werden. Günter Brus und seine Frau Anna hatten sich Mitte September mit Covid infiziert und mussten kurzzeitig im Spital behandelt werden. Nun befindet sich das Paar auf dem Weg der Besserung, die Feier zum 85. Geburtstag des legendären Künstlers im Bruseum in Graz wurde jedoch auf November verschoben.

Günter Brus gilt als einer der bedeutendsten österreichischen Künstler der Nachkriegszeit und zählt neben Hermann Nitsch, Rudolf Schwarzkogler und Otto Mühl zu den Mitbegründern des Wiener Aktionismus. Seine Performances waren bahnbrechend, der am 27. September 1938 im steirischen Ardning geborene Brus wird heute als einer der radikalsten Vertreter dieser Kunstrichtung bezeichnet. Er rüttelte an gesellschaftlichen Konventionen und brach Tabus. Ein Enfant terrible, das aus dem Rahmen der Malerei ausbrach und die Leinwand mittels Einsatz seines Körpers sprengte.

Zu den bekanntesten Beispielen zählt wohl sein Wiener Spaziergang, bei dem der Künstler 1965 im weiß bemalten Anzug und mit einer mittigen, von Kopf bis Fuß reichenden schwarzen Linie durch die Innenstadt spazierte. Es dauerte nicht lange, bis er von einem Polizisten angehalten wurde, der ihn fragte, ob das denn überhaupt Kunst sei. Die Antwort schien diesem nicht gefallen zu haben, Brus wurde auf die Wachstube mitgenommen und erhielt wegen "Erregung öffentlichen Ärgernisses" eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von 80 Schilling.

Radikal und umtriebig

Im Vergleich jedoch handelte es sich dabei um eine harmlose Performance, denkt man an die ikonische Veranstaltung "Kunst und Revolution", die 1968 im Hörsaal 1 der Uni Wien stattfand – und von den Boulevardmedien als "Uni-Ferkelei" bezeichnet in die Wiener Kunstgeschichte einging. Vor rund 300 Personen führten Günter Brus, Otto Muehl, Peter Weibel und Oswald Wiener ihre Aktion auf, die schließlich zum Skandal wurde.

Brus zeigte dabei seine Körperanalysen und schnitt sich mit einer Rasierklinge in Brust und Oberschenkel, erbrach, defäkierte und onanierte, während er die österreichische Bundeshymne sang. Alle Beteiligten wurden medial zu "Feindbildern" auserkoren. Vor einer drohenden Haftstrafe in Österreich flüchteten Brus und Anna mit ihrer Tochter nach Berlin.

Wiener Spaziergang, Günter Brus
Bei seinem bekannten "Wiener Spaziergang" 1965 wurde Günter Brus recht schnell von der Polizei aufgehalten.
Wiener Spaziergang, Portfolio von 9 Fotos / Wienerroither & Kohlbacher

1970 setzte der Künstler in München die Aktion Zerreißprobe um – es war seine Letzte. Einerseits seiner Familie zuliebe, andererseits wären die Selbstverletzungen auf Dauer vielleicht zu weit gegangen. Ab dem Zeitpunkt schuf Brus zahlreiche Zeichnungen und Aquarelle und kombinierte diese mit Texten zur sogenannten "Bild-Dichtung".

Schicksal der Aktionisten

1979 kehrten Günter und Anna Brus in die Steiermark zurück, wo sie bis heute leben. Insgesamt wird Günter Brus’ Œuvre auf 30.000 bis 40.000 Werke geschätzt. In Wechselausstellungen sind viele im Bruseum zu sehen, das 2011 eröffnete.

Brus teilt ein ähnliches Schicksal wie andere Vertreter des Wiener Aktionismus: Lange Zeit wurde er wie ein Staatsfeind behandelt, später als Kunstgröße geschätzt und mit Staatspreisen ausgezeichnet. Erst im Februar 2023 erhielt der Künstler den Ehrenring der Stadt Graz. Dass weder er noch einer seiner Kollegen je auf die Venedig-Biennale eingeladen wurden, verzieh Brus aber nie ganz.

Aktuell laufen zwei Ausstellungen in der Galerie Wienerroither & Kohlbacher in Wien und der Galerie Sommer in Graz. Am Donnerstag wird die monografische Publikation "Herzeigung" präsentiert, die einen umfassenden Überblick über den Künstler und sein Schaffen gibt. (Katharina Rustler, 27.9.2023)