Věra Jourová bei einer Pressekonferenz
Die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Věra Jourová, präsentierte die Zahlen der großen Onlineplattformen und kritisierte X scharf.
EPA/OLIVIER HOSLET

Es ist kein kleines Vorhaben, das sich die EU-Kommission da vorgenommen hat. Die Idee: Im Kampf gegen Desinformation im Netz sollen Onlineplattformen sich freiwillig an den Verhaltenskodex gegen Desinformation halten. Google, Meta, Microsoft und Tiktok sowie spezialisierte Plattformen haben sich bereiterklärt, die Verhaltensregeln der EU zu übernehmen. Alle sechs Monate wird in eigenen Reports der Kampf gegen politische Propaganda, Falschinformation und Hassrede ausgewertet. Dies geschah nun bereits zum zweiten Mal, was die Zahlen vergleichbar macht und Einblicke in den Maschinenraum der Plattform gibt.

Millionen Beiträge wurden gelöscht

So löschte Tiktok innerhalb von vier Monaten 5,9 Millionen Fake-Accounts, denen rund 47 Millionen Userinnen und Usern gefolgt waren. Tiktok markiert auch fragwürdigen Content als "unüberprüft". Dies scheint einen Effekt auf die Verbreitung von Fake News zu haben. Rund 30 Prozent der Userinnen und User teilen einen Beitrag nicht, wenn die Quelle als fragwürdig markiert ist.

Eine ähnliche Erfahrung machte auch Meta: Versucht man auf Facebook oder Instagram Content zu teilen, der von Faktencheckern bereits widerlegt wurde, bekommt man eine Warnung. 37 beziehungsweise 38 Prozent der Userinnen und User drücken daraufhin nicht mehr auf den "Teilen"-Button. Meta hat seine Zusammenarbeit mit Faktencheckern aus der EU ausgebaut. Mittlerweile werden Inhalte von 26 unabhängigen Partnern in 22 Sprachen überprüft. Über 40 Millionen Beiträge wurden so auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft und gekennzeichnet.

Tiktok hat das eigene Faktencheck-Programm ebenfalls ausgebaut. Dieses deckt nun 17 Sprachen in der Union ab und wird unter anderem von der Nachrichtenagentur Reuters betreut. In diesem Zusammenhang wurden 832 Videos über den Ukrainekrieg überprüft, von denen 211 entfernt wurden.

Auch die Zahlen von Microsoft stützen die These, dass die Regeln gegen Desinformation Wirkung zeigen. 6,7 Millionen Versuche, einen Fake-Account anzulegen, wurden im ersten Halbjahr 2023 bei Linkedin verhindert. 24.205 Beiträge wurden entfernt, da sie Falschinformationen enthielten.

Kampf gegen russische Propaganda

Google gibt an, dass es in der ersten Hälfte des Jahres 2023 verhindert hat, dass Werbung im Wert von mehr als 31 Millionen Euro an Desinformationsakteure in der EU floss. Außerdem hat Google in der EU 20.441 politische Anzeigen im Wert von fast 4,5 Millionen Euro geschaltet und 141.823 politische Anzeigen abgelehnt, weil sie die Identitätsprüfung nicht bestanden hatten. Außerdem hat die Videoplattform Youtube 411 Kanäle gelöscht, die in Zusammenhang mit der von Russland finanzierten Internet Research Agency (IRA) stehen.

Die nächste Reihe von Berichten ist Anfang 2024 fällig und sollte weitere Einblicke in die Umsetzung des Kodex liefern. Diese Berichte werden auch Informationen darüber enthalten, welche Maßnahmen die unterzeichnenden Unternehmen ergreifen, um die Verbreitung von Desinformationen im Vorfeld der EU-Wahlen 2024 einzudämmen.

Sonderfall Twitter

In einem Hintergrundgespräch mit Journalisten aus ganz Europe wurde am Dienstag auch kurz auf die Situation mit X, vormals Twitter, eingegangen. Twitter hat den Verhaltenskodex im Mai 2023 aufgekündigt. Da die Teilnahme freiwillig ist, drohen der Plattform von Elon Musk keine Konsequenzen. Twitter unterliege aber sehr wohl dem Digital Services Act, betonte man bei der EU-Kommission, muss also illegale Inhalte bei Strafandrohung löschen. X ist nach Angaben der EU-Kommission auch die Plattform mit den meisten Posts mit Falschinformationen, so Vizekommissionspräsidentin Věra Jourová.

Video: Elon Musks Twitter-Übernahme, ein Drama in sechs Akten
DER STANDARD

Dem Verhaltenskodex gegen Desinformation haben sich bislang 44 Unternehmen angeschlossen. Darunter sind die großen Plattformbetreiber wie Facebook, Google, Youtube, Tiktok oder Linkedin, aber auch spezialisierte Plattformen wie Twitch, Adobe, Avaaz oder Vimeo. Diese Unternehmen geben standardisierte Berichte ab, die 152 Elemente beleuchten und mehrere hundert Seiten stark sein können. Die Berichte sind öffentlich hier einsehbar. (pez, 26.9.2023)