Kleingartenverein Breitenlee
Von der Umwidmung von Grün- in Bauland in der Kleingartensiedlung Breitenlee samt Seezugang profitierten alle Grundstücksbesitzer.
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Die Aufregung rund um Umwidmungen im Wiener Kleingartenverein Breitenlee mit Seezugang, von der auch der Wiener Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy (SPÖ) und weitere rote Politikerinnen profitiert haben, ebbt nicht ab. Die Wellen haben nun auch das Rathaus erfasst: Im Auftrag von Bürgermeister Michael Ludwig untersucht nun Parteimanagerin Barbara Novak die Vorgänge. Bis Ende der Woche würden persönliche Gespräche mit allen Beteiligten stattfinden, sagte eine Sprecherin Novaks dem STANDARD. Einen Schnellschuss werde es nicht geben, alle Fakten müssten auf den Tisch. Stadtchef Ludwig verwies darauf, dass danach gemeinsam entschieden werde, "ob Konsequenzen notwendig sind". Die Wiener SPÖ habe "hohe moralische Ansprüche", wie er der "Kronen Zeitung" sagte.

Nevrivy hatte laut dem Kaufvertrag im Juli 2020 ein Grundstück im Kleingartenverein erworben. Nur etwas mehr als ein Jahr später erfolgte in der ganzen Anlage die Umwidmung von Grün- in Bauland: Auch die Parzelle Nevrivys wurde schlagartig um etwa das Doppelte mehr wert. Nevrivy verwies darauf, dass sich eine Umwidmung schon ab dem Jahr 2019 abgezeichnet hat. Er habe in keiner Form Einfluss auf das Widmungsverfahren genommen, beteuerte er.

Verkäufer der Liegenschaft war eine Projektentwicklungsgesellschaft des Zentralverbands der Kleingärtner. Offen ist, wieso diese das Areal an Nevrivy veräußert hat – obwohl eine Umwidmung kurz bevorstand. Auf Anfrage beim Zentralverband wurde an den Geschäftsführer verwiesen – der sich diese Woche aber auf Urlaub befinde.

Erstes Ansuchen auf Umwidmung 2006

Keine Auffälligkeiten beim Widmungsverlauf gab es laut dem Wiener Planungsressort. Eine Sprecherin von Ulli Sima (SPÖ) verwies darauf, dass es bereits im Jahr 2006 ein erstes Ansuchen des Vereins gegeben habe. Die zuständige Wiener MA 21B (Stadtteilplanung und Flächenwidmung Nordost) führte auf STANDARD-Anfrage aus, dass ab Ende August 2006 eine Bausperre für das Gebiet in Kraft trat. Der Behörde "erschien es stadtplanerisch sinnvoll, eine zeitgemäße, dem Standort angepasste Wohnnutzung zu ermöglichen". Die Voraussetzungen dafür wurden aufgrund der guten Öffi-Anbindung – die U2 ist nur wenige Gehminuten entfernt – sowie der Nähe zu Stadterweiterungsgebieten wie der Seestadt Aspern als gegeben erachtet.

Laut einem Sprecher der Magistratsbehörde wurde 2019 eine Widmung avisiert. Im Jänner 2020 gab es das offizielle Ansuchen durch den Kleingartenverein. Im April 2020 sei dann die Rückmeldung der MA 21B erfolgt, "dass ein Gartensiedlungsgebiet vorstellbar ist".

Wiener ÖVP schaltet Stadtrechnungshof ein

Die Wiener ÖVP ortet rund um das Zustandekommen der Widmung dennoch "Freunderlwirtschaft" und kündigte am Dienstag die Einschaltung des Stadtrechnungshofs an. Die Prüfer sollen unter anderem untersuchen, ob es zu "aktiver Einflussnahme" durch Nevrivy oder anderen beteiligten SPÖ-Politikern im Magistrat gekommen ist – und ab wann diese als Interessenten in der Anlage gemeldet waren.

Neben Nevrivy haben auch die Parteigenossinnen Julia Lessacher, die stellvertretende Bezirksvorsteherin von Mariahilf, sowie Gemeinderätin Astrid Rompolt und die Nationalratsabgeordnete Petra Bayr von den Umwidmungen im Kleingarten profitiert. Die schwarze Planungssprecherin Elisabeth Olischar kritisierte, dass Rompold ihren Kauf der Parzelle vor der Umwidmung nicht dem Gemeinderat gemeldet hat.

Von der Höherwidmung profitierten auch 16 Besitzer von Schwarzbauten im Kleingarten: Für diese gab es bereits behördliche Abrissaufträge durch die Wiener Baupolizei. Mit der Neuwidmung konnten diese nachträglich bewilligt werden – und noch dazu wurden die Grundstücke aufgewertet. (David Krutzler, 26.9.2023)