Vor Corona ergatterten häufig Protagonisten der bunten Esoterikszene das "Goldene Brett vorm Kopf". Homöopathie-Unternehmen, Lichtdiät-Fachleute und Menschen, die wissen, wie man einen energetischen "Schutzring" um das Krankenhaus Nord errichtet. Doch seit Covid-19 ist alles anders, und die Mitglieder der Wiener Skeptiker (Gesellschaft für kritisches Denken, GkD) wussten nicht mehr, wo sie zuerst hinsehen sollten.

Fake News und Verschwörungsmärchen explodierten förmlich, viele Scharlatane profitierten von der allgemeinen Verunsicherung und nutzten die Gunst der Stunde für lukrative Veröffentlichungen. Einer der schnellsten war Sucharit Bhakdi, Arzt und Autor des Buchs "Fehlalarm", weshalb er schon 2020 für seine Corona-Mythen mit dem "Goldenen Brett" ausgezeichnet wurde.

Servus-TV-Intendant Ferdinand Wegscheider, die deutsche Politikwissenschafterin Ulrike Guerot und der deutsche Finanzwissenschafter Stefan Homburg sind die Finalisten für den diesjährigen Skeptikerpreis "Goldenes Brett vorm Kopf".
Foto: Goldenes Brett vorm Kopf/GWUP

Pandemie

Die Endauswahl für den heurigen "größten antiwissenschaftlichen Unfug des Jahres" steht nach wie vor ganz im Zeichen der Pandemie. Aus hunderten Nominierungen hat eine Jury, bestehend aus dem Vorstand der Gesellschaft für kritisches Denken, dem Erfinder des Goldenen Bretts und den Laudatoren und Laudatorinnen, nun eine Shortlist für die elfte Ausgabe des Satirepreises präsentiert: der Finanzwissenschafter Stefan Homburg ("kollektiver Wahn"), die Politikwissenschafterin Ulrike Guérot ("Pfizer und Co werden nicht entkommen") und Servus-TV-Intendant Ferdinand Wegscheider ("Genspritzen").

"Die Shortlist zeigt deutlich, dass ein fragwürdiger Umgang mit Fakten oder ein bedenklicher Hang zur Verschwörungstheorie nichts mit mangelnder Intelligenz zu tun haben muss", erklären die Wiener Skeptiker, die den Schmähpreis im Namen der Gesellschaft zur Wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) vergeben.

Die Nominierten seien gebildete Menschen, die "im Lauf der Zeit aber bedauerlicherweise immer mehr in die Nähe von Fake News und Verschwörungstheorien gerieten und somit auch zu Stars der antiwissenschaftlichen Querdenkerszene wurden".

"Star der antiwissenschaftlichen Querdenkerszene"

Stefan Homburg sei während der Pandemie "mit seinen alternativen Dateninterpretationen zu einem Star der antiwissenschaftlichen Querdenkerszene" geworden, begründen die Skeptiker dessen Nominierung für den Negativpreis. Als Beispiele nennen sie seine Aussagen, wonach es gar keine Pandemie gebe, das sei bloß "kollektiver Wahn", und "Long Covid" sei bloß ein Marketingbegriff.

Auch Aids bezeichnete er als "Fake", mit dem man einen "Milliardenmarkt" geschaffen habe. Nachdem Homburg die Corona-Maßnahmen in Deutschland mit den Ereignissen unter der Nazi-Diktatur im Jahr 1933 verglichen hatte, distanzierten sich Senat, Präsidium und Hochschulrat der Leibniz Universität Hannover von dem Professor, der 2021 in den vorzeitigen Ruhestand trat.

Unfreiwillig komisch

Bei Ulrike Guérot orten die Skeptiker "ein verschwörungstheoretisch-antiwissenschaftliches Weltbild": Daten würden selektiv ausgewählt, Statistiken falsch dargestellt, und trotz klarer Widerlegung würde eine Korrektur ausbleiben. Man stoße bei Guérot auf die wissenschaftlich falsche Vorstellung, man könne mit "Yoga und Spiritualität" das "Immunsystem stärken" und so auf Corona-Maßnahmen verzichten. Manchmal seien ihre Thesen unfreiwillig komisch – etwa wenn sie behauptet, die "männliche Brutalität" bei einem Fernsehinterview habe bei ihr spontan zu einem Herpes-Ausbruch geführt.

Skeptiker, Verschwörungstheorien, Ulrike Guerot
Ulrike Guérot, zu Gast im ZDF bei Markus Lanz am 15. September 2020.
Foto: imago images/teutopress

Manchmal würden ihre Slogans auch bedrohlich klingen, etwa wenn man sich um Leute wie Anthony Fauci und Bill Gates "kümmern" und "die dunklen Gestalten von Pfizer und Co" "nicht entkommen" lassen solle. "Guérot propagiert damit das Narrativ der großen Corona-Verschwörung, obwohl gerade sie als Politologin es besser wissen müsste", so die Skeptiker.

Auch mit Aussagen über Russlands Angriff auf die Ukraine haben Guérot für Aufsehen gesorgt, so die Skeptiker: Die Rolle der Ukraine sei es gewesen, stellvertretend für den Westen einen Krieg mit Russland zu beginnen, erklärt sie. Auch falsche Zitate und Plagiatsvorwürfe brachten Guérot wiederholt in die Zwickmühle. Die Universität Bonn, wo Guérot eine Professur für Europapolitik innehatte, hat ihr Anfang des Jahres wegen eines Plagiatsvorwurfs – noch nicht rechtskräftig – gekündigt.

Servus TV und die Querdenkerbewegung

Speziell die Sendung "Der Wegscheider" des Servus-TV-Intendanten hat es den Skeptikern angetan: Dort sei von "Genspritzen" für die Corona-Impfstoffe, von der "Impflobby" und vom Entwurmungsmittel Ivermectin als sinnvolle Behandlung von Covid-19 die Rede gewesen. In Sendungen wie dem "Corona-Quartett" seien zentralen Persönlichkeiten der antiwissenschaftlichen Querdenkerbewegung eine Plattform geboten worden, unter anderem Sucharit Bhakdi („Goldenes Brett vorm Kopf“ 2020).

Ferdinand Wegscheider, Querdenkerbewegung
Ferdinand Wegscheider gibt seinen Wochenendekommentar ab.
Screenshot: Der Wegscheider/Servus TV

Dass der Kritik an der Sendung "Der Wegscheider" mit dem Hinweis begegnet werde, es handle sich bloß um "Satire", sehen die Skeptiker als "problematische Ausrede": "Verschwörungstheorien werden weder humorvoll noch ironisch, bloß weil man sie mit dem Begriff 'Satire' versieht. Die Argumentation impliziert somit einen Freibrief für jede Art von Fake News, solange sie durch das Etikett der Satire gegen berechtigte Kritik immunisiert wird." Wegscheider hat sich erst jüngst aus persönlichen Gründen eine Auszeit genommen.

Verleihung am 5. Oktober

Die offizielle Preisverleihungsfeier findet am 5. Oktober 2023 im Wiener Stadtsaal statt. Moderiert wird die Veranstaltung von Martin Puntigam von den Science Busters, die Laudationes auf die Nominierten werden von Daniela Angetter-Pfeiffer (Medizinhistorikerin, Wissenschaftsbuch des Jahres 2022), Heidi Kastner (Psychologin) und Gerald Gartlehner (Epidemiologe) gehalten. Zusätzlich werden das "Goldene Brett fürs Lebenswerk" sowie ein Publikumspreis vergeben. (tberg, red, 27.9.2023)