Kurz vor dem Ende wurde es richtig hitzig. "Lassen Sie uns über jemanden reden, der noch nie einen Dollar vom Bund abgelehnt hat", stichelte der aus South Carolina stammende Senator Tim Scott. Nikki Haley, die ehemalige Gouverneurin des Bundesstaats, schien zu ahnen, was folgen würde. "Lass es raus, Tim!", giftete sie den Parteifreund an. Es folgte ein minutenlanges Schreiduell der beiden Politiker über Vorhänge im Wert von 50.000 Dollar, die während Haleys Amtszeit als UN-Botschafterin 2018 in ihrer Residenz aufgehängt worden waren.

Doug Burgum, Chris Christie, Nikki Haley, Ron DeSantis, Vivek Ramaswamy, Tim Scott und Mike Pence in der Ronald Reagan Presidential Library
Debatte ohne Nummer eins: Doug Burgum, Chris Christie, Nikki Haley, Ron DeSantis, Vivek Ramaswamy, Tim Scott und Mike Pence in der Ronald Reagan Presidential Library.
IMAGO/Brian Cahn

Die bizarre Szene bot das passende Finale zu der aberwitzigen zweistündigen Debatte der republikanischen Präsidentschaftsbewerber am Mittwochabend (US-Ortszeit). Es war die zweite Veranstaltung dieser Art, dieses Mal landesweit übertragen aus der Ronald Reagan Library in Kalifornien – und das Podium war um einen Kopf auf sieben geschrumpft. Doch wie beim ersten Mal schwänzte der Frontrunner Donald Trump, der bei Umfragen auf mehr als 50 Prozent der republikanischen Stimmen kommt, den Event.

Ein Wettstreit ohne den haushohen Favoriten – das war schon beim ersten Mal kurios gewesen. Dieses Mal kamen ein wirres Themenhopping und eine chaotische Gesprächsführung hinzu, die nicht einmal allen Teilnehmenden die gleiche Möglichkeit für ein Abschlussstatement zubilligte. Die Runde sprang von der Lage an der amerikanischen Südgrenze über den bevorstehenden Shutdown im US-Kongress hinüber zu China zurück zu den Drogenkartellen, dann zur Krankenversicherung, zur Genderdebatte, zur Abtreibung, zum Ukrainekrieg, zu Tiktok und zu den besagten Vorhängen in der UN-Residenz.

Trump bei streikenden Arbeitern

Doch im Grunde war es ohnehin egal, wonach der Moderator und die Moderatorinnen fragten: Die Kandidaten rasselten ohnehin ihre vorgestanzten Floskeln und Parolen herunter. "Weshalb gibt es in Florida mehr Unversicherte als in jedem anderen Bundesstaat?", wurde einmal dessen Gouverneur Ron DeSantis gefragt. "Weil alles teurer geworden ist", antwortete der Politiker ernsthaft, wetterte dann über Joe Bidens Wirtschaftspolitik, versprach, mehr fossile Energie zu fördern, und schloss mit der Forderung: "Die Patienten und die Ärzte müssen mehr zu sagen haben."

Wer da noch nicht abgeschaltet hatte, der musste wirklich starke Nerven haben. "Die Debatte kann man nicht ansehen", ätzte derweil Donald Trumps Sohn Eric auf X, vormals Twitter: "Was für eine totale Katastrophe!" Sein Vater postete derweil im Minutentakt Videofilmchen von seinem Auftritt vor Autoarbeitern in Michigan am früheren Abend.

Immerhin: Trump kam in der Debatte vor. Er wurde sogar kritisiert. Doch die Rolle des offensiven Trump-Angreifers durfte erneut Chris Christie, der ehemalige Gouverneur von New Jersey, alleine besetzen. Gleich zu Beginn hielt er dem Ex-Präsidenten die massive Ausweitung der Verschuldung vor, dann geißelte er dessen Kuschen vor dem russischen Machthaber Wladimir Putin, verhöhnte ihn als "Donald Duck" und warf ihm schließlich vor, das ganze Land gespalten zu haben.

Betuliche Gegenkandidaten

Andere nahmen den Namen des ungekrönten Republikaner-Herrschers nur vorsichtig in den Mund. DeSantis kritisierte die mangelnde Haushaltsdisziplin des Ex-Präsidenten und distanzierte sich von dessen Vorschlag, Abtreibungen nicht nach der sechsten, sondern nach der 15. Woche zu verbieten. Andere monierten pflichtschuldig alleine die Abwesenheit des Parteipaten.

Im Vergleich zur ersten Debatte gab es eher marginale Verschiebungen: Der Außenseiter Doug Burgum, der bei Umfragen kaum auf ein Prozent der Stimmen kommt, boxte sich von der Seite öfter in die Debatte hinein. Auch der ebenfalls chancenlose Tim Scott, der einzige Afro-Amerikaner in der Runde, hatte einen größeren Gesprächsanteil. Dafür wurde der ehemals gehypte Biotech-Unternehmer Vivek Ramaswamy, der als Sohn indischer Einwanderer das Geburtsrecht bei der amerikanischen Staatsbürgerschaft abschaffen will und Transgeschlechtlichkeit als psychische Krankheit diffamierte, von mehreren Seiten in die Zange genommen.

Ron DeSantis, der das abgeschlagene Feld der Trump-Verfolger bislang anführt, grinste dieses Mal deutlich mehr. Nikki Haley, die ihm auf den Fersen ist, redete viel und vor allem schnell. Aber weder sie noch einer ihrer sechs männlichen Konkurrenten hatten einen herausragenden Moment, der die Dynamik des Rennens ändern könnte.

So konnte sich Donald Trump vor dem Fernseher feixend auf seinem propagandistischen Kurznachrichtendienst Truth Social über die Herausforderer lustig machen. Keiner der Konkurrenten scheint das Zeug zu haben, ihm gefährlich werden zu können. Zugleich zeigt keiner die Neigung, aus dem Rennen auszusteigen. Solange sich aber die Hälfte der Republikaner hinter Trump versammelt und sich die Stimmen der anderen Hälfte auf sieben Wettbewerber aufteilen, steht auch der Sieger der nächsten Debatte in fünf Wochen schon fest. Sein Name ist Donald Trump. (Karl Doemens, 28.9.2023)