Musk/Yaccarino
Im Vorjahr ist Elon Musk als CEO von X zurückgetreten und hat Linda Yaccarino Platz gemacht, die sich davor schon einen Namen in mehreren Branchen gemacht hatte.
AFP/GETTY IMAGES NORTH AMERICA/A

"Werden wirklich bald alle User von X zahlen müssen, wie Musk sagt, und wie viele Nutzerinnen und Nutzer werden Sie dadurch verlieren?", fragt Moderatorin und CNBC-Tech-Korrespondentin Julia Boorstin am Mittwoch die aktuelle X-Chefin Linda Yaccarino auf der Fachtagung Code Conference. "Könnten Sie die Frage bitte wiederholen", antwortet Yaccarino und versucht offenbar so, die Formulierung nochmals angreifbar zu machen.

"Elon Musk hat gesagt, dass X für alle User kostenpflichtig wird", wiederholt die Moderatorin. Yaccarino erkennt ihre Chance und fragt: "Hat er gesagt wir werden es ändern oder wir überlegen es zu ändern?" Ihr Grinsen wird breiter, und sie lässt sich entspannt in den Sessel zurückfallen.

Es ist ein durchaus unterhaltsames Gespräch an diesem Abend, an dem die sonst vor allem im Hintergrund agierende CEO einmal ihr Gesicht zeigen kann. Formulierungen ihres Kollegen Musk verteidigen oder erklären zu müssen – daran wird sie sich wohl gewöhnen müssen.

Profitabel 2024

Das Interesse der Moderatorin in Richtung Abogebühren für alle User zielt natürlich auch auf die Frage ab, wie es das Unternehmen schaffen will, endlich profitabel zu werden. Ein großes Thema, seit Musk im Vorjahr mit einem Waschbecken in die damalige Twitter-Zentrale marschierte und kurz darauf einen Großteil der Belegschaft entließ.

Yaccarino gibt sich im Gespräch optimistisch, dass man bereits 2024 dieses Ziel erreichen kann. Jetzt, da sie in der Branche angekommen sei und das Team einen "guten Überblick darüber habe", was in absehbarer Zeit zu erwirtschaften sei, sieht sie "Gewinne" Anfang 2024 als realistisch an.

Laut der CEO sind in den letzten zwölf Wochen bereits "90 Prozent der Top 100 Werbekunden" zurück auf die Plattform gekommen. Ein anderer wichtiger Punkt auf dem Weg, das Unternehmen endlich in die schwarzen Zahlen zu bringen, sei die Reduktion der Belegschaft von rund 8.000 auf rund 1.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dass zahlreiche Ex-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter noch immer keine Abfertigung bekommen haben und X sich zahlreichen Klagen gegenübersieht, weil das Unternehmen in manchen Ländern seine Büromiete nicht zahlt, erwähnt sie an diesem Abend nicht.

Nicht nur die Werbekunden sind zurück

Worüber die CEO schon reden will, sind Nutzerzahlen und Verweilzeiten. Letztere befinden sich seit Juni auf einem Hoch, lässt Yaccarino wissen. Die Tech-affine Moderatorin kontert mit einer Studie von Apptopia, die kürzlich berichtete, dass die Downloads in den zwei Monaten nach dem Rebranding um 30 Prozent eingebrochen sein sollen. Außerdem würden laut Bericht sowohl der zurückgehende Traffic als auch geringere Nutzerzahlen eher für ein Schrumpfen der Plattform sprechen.

Nicht nur zu diesem Zeitpunkt ist das Gesprächsklima zwischen den beiden aufgeheizt. Nur eine Stunde vor dem Gespräch sorgte ein Interview auf der Fachtagung für eine potenziell vorbelastete Negativstimmung gegenüber X. Der Ex-Sicherheitschef von Twitter, Yoel Roth, erwähnte einmal mehr, wie unangenehm sein Ausstieg aus dem Unternehmen war, auch durch Beleidigungen und Drohungen, in denen Musk eine nicht unwesentliche Rolle spielte.

Die Moderatorin spricht auch dieses Thema an. "Ich arbeite bei X, er hat für Twitter gearbeitet", versucht Yaccarino die unterschiedlichen Philosophien zu erklären. Twitter habe ein "unterschiedliches Set an Regeln" gehabt, sagt sie, und es habe Ideologien gegeben, die schon den Weg in Richtung "Zensur" gegangen seien. X stehe für andere Werte, sagt sie: "Es ist ein neuer Tag bei X, dabei belasse ich es."

Die Sicherheitsbedenken, die Roth auch direkt an ihre Person richtet, lassen die CEO kalt. In einer Position wie der ihren seien immer Sicherheitsbedenken inkludiert, sagt sie: "Ich fühle mich großartig. Ich bin gut beschützt."

Wo ist X?

Für Schmunzler hingegen sorgte der Startbildschirm auf Yaccarinos iPhone, das sie kurz in Richtung Publikum zeigte. Sofort fiel den aufmerksamen Zuschauern auf, dass die X-App nicht auf diesem zu finden war.

Stattdessen zieren den Home Screen der X-CEO Apps wie Starbucks, Gmail oder Signal. (aam, 29.9.2023)