Eigentlich wollte Gabriele Sprickler-Falschlunger sich aus der Tagespolitik ja raushalten. Offiziell ist sie zwar noch ein paar Tage SPÖ-Vorsitzende in Vorarlberg – danach übernimmt Mario Leiter das Ruder. Ein Amt hat sie de facto jedoch nicht mehr inne. Wenn es aber um Schwangerschaftsabbrüche geht, dann kann die Sozialdemokratin und praktische Ärztin nicht anders, als Stellung zu beziehen.

Gabriele Sprickler-Falschlunger führte die erste Debatte über Abtreibungen 1976. Wenig später wurde sie selber ungewollt schwanger und fuhr für eine Abtreibung nach Wien.
APA/DIETMAR STIPLOVSEK

Und das will sie nun mit einer ganz persönlichen Geschichte tun: „Ein paar Jahre, nachdem die Fristenlösung erkämpft wurde, bin ich ungewollt schwanger geworden. Ich hatte dann einen Schwangerschaftsabbruch. Ich war Studentin in Graz und bin dafür nach Wien gefahren.“ Sprickler-Falschlunger habe lange darüber nachgedacht, ihre Geschichte öffentlich zu machen. "Es gab eine Zeit, das ist noch gar nicht so lange her, da war es unmöglich, so etwas öffentlich zu sagen. Das ist jetzt anders. Ich bekenne mich dazu, und vielleicht hilft das auch der einen oder anderen Frau, die das Gefühl hat, so etwas verheimlichen oder sich dafür schämen zu müssen."

Demos von Bogotá bis Bregenz

Am Donnerstagabend wurde weltweit für sichere Abtreibungen demonstriert – auch in Bregenz. Es war ein stiller Protest, eine Mahnwache. Adressat ist die Vorarlberger ÖVP, die bei der Frage, wo und von wem im Ländle Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden sollen, nachdem sie ab Ende des Jahres keine Privatordination mehr anbietet, einen Zickzackkurs fährt.

Als Ort für eine neue Privatordination wurde ein ehemaliges Personalwohnheim am Areal des Landeskrankenhaus Bregenz gewählt. Das muss allerdings erst umgebaut werden, mit einer Fertigstellung wird Ende 2024 gerechnet. Später als ursprünglich gedacht. Es braucht also eine Übergangslösung. Hier sprach sich Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (ÖVP) für eine Privatordination im Landeskrankenhaus aus, die Krankenhaus-Betriebsgesellschaft gab grünes Licht, Ärztinnen waren an Bord – aber der Rückhalt aus der eigenen Partei fehlte. Nachdem sich der Bischof dagegen aussprach und Abtreibungsgegner vor dem Spital demonstrierten, ruderte Rüscher zurück.

Geschichten von Patientinnen

Sprickler-Falschlunger hat bereits 2015 einen Antrag im Landtag für Abbrüche im Spital eingebracht. Damals war auch Rüscher noch dagegen. In der ÖVP gibt es aber mittlerweile einige, vor allem Frauen, die ihre Meinung geändert haben. Durchsetzen konnten sie sich dennoch nicht. "Bei allem Verständnis für Martina Rüscher. Sie hat innerhalb von einem Jahr keine Lösung zustande gebracht. Bereitet sie eine Marsmission vor? Sie hat auch keine unbekannte Braut geheiratet. Sie ist ÖVP-Mitglied geworden. Und weil die einen internen Konflikt haben, müssen das Frauen ausbaden", kritisiert Sprickler-Falschlunger.

Am Donnerstag demonstrierten in Bregenz etwas mehr als 200 Personen dafür, Schwangerschaftsabbrüche im Landeskrankenhaus Bregenz möglich zu machen.
Laura Wurm

Das Thema Schwangerschaftsabbrüche habe sie nicht nur als Frau und als Politikerin, sondern auch als Ärztin in ihrer Praxis seit vielen Jahren begleitet. "Ich hatte einige Patientinnen, die schwanger wurden und das Kind – aus welchen Gründen auch immer – nicht bekommen wollten. Was die dann teilweise vor der Abtreibungspraxis miterleben mussten, kann man als psychische Körperverletzung beschreiben", erinnert sich Sprickler-Falschlunger. Eine Patientin habe ihr später weinend erzählt, dass Demonstranten vor der Praxis versucht hätten, blutüberströmte Plastik-Embryonen um ihren Hals zu hängen. "Auch deswegen gehört diese medizinische Leistung in ein Spital. Es ist sicher und anonym."

Gedanken an Johanna Dohnal

An ihre eigene Abtreibung habe sie keine schlechten Erinnerungen. "Und ich habe natürlich gedacht, wenn Johanna Dohnal dieses Recht nicht erkämpft hätte, dann hätte ich mich in irgendein Hinterzimmer zu irgendeinem schmuddeligen Abtreiber begeben müssen."

Obwohl sie von vielen im Umfeld gewusst habe, die ebenfalls Schwangerschaftsabbrüche durchführen ließen, sei es ein absolutes Tabuthema gewesen – bis vor wenigen Jahren. "1998 hatte ich eine Diskussion mit dem damaligen Bischof und dem damaligen Gesundheitslandesrat. Das war eine Stimmung, dass man persönlich angegriffen wurde, wenn man sich für das Recht auf Abtreibung aussprach.“ Anrufe, "Schmuddelbriefe" habe sie danach bekommen. „Diese unglaubliche Vorarlberger Scheinheiligkeit und die fundamentalistische Aggression aus Kirchenkreisen, das war ein Wahnsinn."

Eine Scheinheiligkeit ortet Sprickler-Falschlunger auch politisch. "Entweder der Landeshauptmann sagt, die Fristenregelung ist okay. Dann muss er dafür sorgen, dass die Frauen bestens betreut sind. Und das ist im Spital. Wenn man in der ÖVP nicht der Meinung ist, dass die Fristenlösung in Ordnung ist, dann sollen sie sich hinstellen und dazu stehen. Alles andere ist politische Feigheit. Es gibt nichts dazwischen."

Demo am Sonntag

Wallner sagte vergangene Woche: "Lebensschutz und Fristenregelung unter einen Hut zu kriegen ist keine leichte Aufgabe." Er sehe seine Aufgabe als Landeshauptmann darin, "weder in die eine Richtung noch in die andere Richtung ins Extreme" zu laufen. Abtreibungen sollen wie bisher in einer Privatpraxis möglich bleiben.

Für Sonntagnachmittag ist eine neuerliche Demo in Bregenz geplant.
Laura Wurm

"Was ist an Schwangerschaftsabbrüchen in Krankenhäusern bitte extrem?", fragt die Frauenvorsitzende der Vorarlberger SPÖ, Stefanie Matei. Für Sonntagnachmittag ist in Bregenz eine weitere Demonstration für Abbrüche im Spital geplant, eine laute Demonstration. "Ich weiß nicht, warum überhaupt noch diskutiert wird. Das sind ja Landeskrankenhäuser und keine Ordensspitäler. Auch der Geschäftsführer der Krankenhaus-Betriebsgesellschaft hat sich dafür ausgesprochen, die Ärztinnen auch. Es muss deswegen laut bleiben, bis der Landeshauptmann seine politische Verantwortung übernimmt." Die junge Generation lasse sich das nicht mehr gefallen.

Neuer Antrag im Landtag

Nicht nur auf der Straße, auch im Landtag bleiben Schwangerschaftsabbrüche Thema. Denn die SPÖ will nun einen neuen Antrag einbringen, mit den anderen Fraktionen werde man das Gespräch für einen "überparteilichen Schulterschluss" suchen. In jenem, der Anfang des Jahres beschlossen wurde, geht es um die Lösung im Personalwohnheim, wobei im Antrag vom "öffentlich vorgestellten Weg" die Rede ist. Die Umsetzung einer Nachfolgelösung ist aber mit "im Laufe dieses Jahres" konkret. Sollte sich die Landesregierung nicht an den Beschluss halten – falls die Suche nach einer Übergangslösung nicht erfolgreich ist –, passiert aber nichts. Beschlossene Anträge sind nur politisch, nicht aber rechtlich verbindlich. (Lara Hagen, 1.10.2023)