Schwarzhuber Maximilian Extremsportler Seven Summits
Als Extremsportler ist Maximilian Schwarzhuber auch Experte fürs Scheitern. Und doch hat er Großes geschafft.
Schwarzhuber

Mitte März war Maximilian Schwarzhuber auf der Zugspitze noch "spektakulär gescheitert": "Ich bin auf einem Felsen abgerutscht und 30 Meter hinuntergeflogen. Ich hatte Glück, habe mir nur die linke Hand geprellt, Finger verletzt und stand unter Schock. Wir haben umgedreht, das Weitergehen wäre zu heikel gewesen." Am 3. September, seinem 31. Geburtstag, vollendete der Oberbayer schließlich die Seven Summits der Alpen, als er auf dem 4807 Meter hohen Mont Blanc stand.

Lange war nicht damit zu rechnen, dass Schwarzhuber einmal so hoch hinaufkommen könnte. Im Alter von zwei Jahren wachte er nach einem Mittagsschlaf mit Lähmungen unterhalb der Knie auf. "Über die Zeit ist es immer weiter nach oben gewandert, ich konnte dann nicht mehr richtig sitzen. Die erste Diagnose war ein Tumor im Rückenmark. Damals war meine Mama schwanger. Die Lage war dramatisch, ich hätte am Rückenmark operiert werden sollen. Es hat sich aber herausgestellt, dass es nur ein Fehler bei der Röntgenaufnahme war. Letztlich war es das Guillain-Barré-Syndrom, eine Entzündung des peripheren Nervensystems. Ich hatte Glück, die Lähmung ist wieder zurückgegangen, ich spürte dann nurmehr unterhalb der Knie nichts mehr. Wahrscheinlich war es ein Impfschaden."

Schwarzhuber war über die Jahre in unzähligen Spitälern in Bayern. "Ich könnte einen Krankenhaus-Guide herausbringen." Als er einmal im Garten auf einen Nagel gestiegen war, hatte er erst durch die Blutspur im Haus registriert, was passiert war. Die Wunde sei 15 Jahre nicht verheilt. "Mit 20 habe ich mir beide Sprunggelenke zertrümmert und das monatelang nicht bemerkt."

Angst vor Amputation

Mit 24 haben ihn seine Eltern ins Krankenhaus gebracht, "weil ich ausgeschaut habe wie der Tod. Da ist es mir wirklich schlecht gegangen. Ich hatte Schmerzen in den Oberschenkeln, mein Lymphsystem war völlig überlastet. Der Arzt hat gesagt, dass ich amputieren hätte müssen, wenn ich noch zwei Tage gewartet hätte. In dem Moment habe ich mir gedacht: Leckts mich alle am Arsch, machts halt." Drei Operationen später war die Idee der Amputation geboren. Nach intensiver Auseinandersetzung damit war es 2017 so weit. "Das war richtig hart. So eine Entscheidung wünsche ich niemandem. Am Vorabend habe ich mich gefragt, was ich da mache. Die meisten Ärzte haben mir nämlich davon abgeraten. Und ich wusste, es gibt danach keinen Weg mehr zurück. Als ich am nächsten Tag aufwachte und die Füße weg waren, war ich aber richtig froh und total erleichtert. Davor hatte ich richtig Schiss."

Vier Monate nach den Amputationen lief er bereits zehn Kilometer in 68 Minuten. "Das war schon krass, ich habe gesehen, es funktioniert. Da habe ich Blut geleckt für den Extremsport. Als Kind konnte ich höchstens ein Stück wie Forrest Gump laufen."

2022 reifte der Plan, die Seven Summits anzugehen, weil es ihm "total viel Spaß macht, in den Bergen zu sein." Das Problem: "Ich und mein Bergbuddy Alex, der fast bei allen Besteigungen dabei war, wir haben alpine Erfahrung, waren aber weniger Hochtourengeher."

Maximilian Schwarzhuber auf dem Weg zum Gipfel des Mont Blancs.
Schwarzhuber

Nun hat er in 86 Tagen neben dem Mont Blanc (Frankreich), die Dufourspitze (Schweiz/4634), den Gran Paradiso (Italien/4061), den Großglockner (3798), die Zugspitze (Deutschland/2962), den Triglav (Slowenien/2863) und die Vordere Grauspitze (Liechtenstein/2599) erfolgreich bestiegen.

Beim ersten Versuch, den Mont Blanc über die anspruchsvolle Cosmiques-Route zu besteigen, scheiterte Schwarzhuber, weil die Route nach einem Sérac-Abbruch seine Fähigkeiten überstiegen hätte. "Da oben war die Hölle los. Wir mussten teilweise 20 Minuten warten, dann kühlst du aus. Man hat Stress, weil viele Leute dort sind." Beim Rückweg fand er mit seinem Seilpartner einen Franzosen auf. "Er war unerfahren, alleine unterwegs, hatte ein Steigeisen verloren und das nicht einmal bemerkt. Er wollte wissen, wie weit es noch bis zum Gipfel ist."

Geglückte Rettungsaktion

Der Franzose sei erst in der Früh mit der Seilbahn zur Aiguille du Midi auf rund 3800 Meter gefahren, viele Stunden zu spät dran und nicht akklimatisiert gewesen. "Ich habe gemerkt, dass mit ihm etwas nicht stimmt, weil er abwesend war. Als er sagte, dass er Kopfweh hat, gingen bei mir die Alarmglocken los." Der Mann sei zur Vorbereitung vor Wochen lediglich einmal auf 2000 Meter gewesen. "Es war klar, er musste runter. Er ist dann gleich nach dem ersten Schritt gestürzt. Wir haben ihn am kurzen Seil vorausgehen lassen, dabei ist er ständig weggerutscht. Wir brachten ihn über die vielen Gletscherspalten, die er gar nicht mehr checkte, weil er so fertig war." Bei den steilen Stellen seilten sie ihn ab und brachten ihn zu einer Hütte. "Dort hat er sich erholt. Beim Abendessen hat er wieder einigermaßen ausgeschaut. Es war natürlich Hüttengespräch, wenn der Typ ohne Haxen einen anderen rettet."

Im Fall der vermasselten Rettungsaktion um den pakistanischen Hochträger Mohammad Hassan am K2 hält sich Schwarzhuber mit Kritik zurück. "Die Wahrscheinlichkeit ist meiner Einschätzung nach größer, dass sich noch jemand schwer verletzt oder stirbt, als dass sie ihn retten hätten können. Es ist eine der gefährlichsten Stellen überhaupt. Man hätte ihn vielleicht retten können, wenn sechs starke Bergsteiger versucht hätten, ihn runterzubekommen." Ein Problem sei aber, dass die meisten dort oben keine erfahrenen Bergsteiger seien, ähnlich wie am Everest. Es brauche nicht nur viel Kraft, sondern auch das Know-how. "Wenn man jemanden zur Verantwortung ziehen will, dann nicht die Bergsteiger sondern die Agentur, die ihn da raufgeschickt hat. Er war völlig unerfahren, das erste Mal dabei und anscheinend auch schlecht ausgerüstet. Er hätte langsam herangeführt werden müssen.“

Freilich üben auch die Achttausender einen Reiz auf Schwarzhuber aus. "Keine Frage. Aber mir gefällt es gar nicht, mit Hunderten anderen im Gänsemarsch da hinaufzugehen, wenn alles vorher präpariert wird. Das hat mir schon am Glockner nicht gefallen."

Nach dem Großglockner klappte es mit Unterstützung eines Bergführers trotz "brandgefährlicher Steilflanke" auch mit dem Mont Blanc. "Mit Neuschnee auf dem Eis war das sehr kritisch, da darfst du dir keinen Fehler erlauben. Wenn du ausrutschst, baust du sehr schnell Geschwindigkeit auf, kannst nur hoffen, dass dich die anderen halten können.“ Er konnte es dennoch genießen, weil er mit seinen Prothesen einen Vorteil hatte. „Weil sie das Hineinhauen der vorderen Steigeisenzacken erleichtern. Normal geht das brutal auf die Wadln." Beim Rausziehen der Winterhandschuhe habe er allerdings seine Sonnenbrille verloren. "Das kann am Gletscher übel enden. Ich wurde zum Glück nicht schneeblind."

Die vereiste Himmelspforte am Aiguille du Midi auf über 3.800 Meter diente als Ausgangspunkt für die Tour auf den Mont Blanc.
Schwarzhuber

Als die Steilflanke gemeistert war und die Sonne aufging, dachte er sich: "Geh leck mich am Arsch, was war das jetzt für ein geiler Ritt." Danach allerdings waren seine Prothesen eher nachteilig, weil er bei teils sehr tiefem Schnee immer wieder einsank. Nach acht Stunden hat Schwarzhuber den Gipfel erreicht und ließ seine mitgeschleppte Trompete erklingen. Der Abstieg war insofern mühevoll, „weil sich meine Füße nicht an den Boden anpassen, sondern ich immer einen Gegendruck aufbauen muss, was eine enorme Belastung für meine Knie ist. Bei 2700 Höhenmetern Abstieg ist das nicht ohne."

Schon davor konnte er im Juli die Zugspitze abhaken, obwohl noch "brutal viel Schnee oben lag. Als wir um 17 Uhr runterkamen, wollten noch drei junge Kerle rauf, sie hatten keine Steigeisen dabei. Einer war barfuß in Crocs. Das kannst du dir nicht ausdenken. Wäre er raufgegangen, hätte er sein Leben riskiert."

Vorträge und Seminare

Seinen Lebensunterhalt verdient der ausgebildete Informatiker aus Wolnzach mit Vorträgen und Seminaren zum Thema "Scheitern und Erfolg". Er tritt bei Firmenveranstaltungen auf, hält auch Online-Workshops. "Bei Leuten, die erfolgreich sind, sieht man nur die Spitze des Eisbergs. Dahinter stecken schlaflose Nächte, falsche Entscheidungen, Scheitern. Jeder scheitert, auch ich bin immer wieder gescheitert." Wichtig sei die Willenskraft, auch wenn jeder auf Motivation aus sei. Motivation könne man aber nicht trainieren. Mehr verlassen könne man sich auf die Disziplin. "Dass man es trotzdem macht, auch wenn man keinen Bock hat."

Für seine Unternehmungen wird Schwarzhuber von der Firma Össur gesponsert. "Über sie kann ich meine Laufprothesen finanzieren. Sie bauen Fußmodule für Prothesen. Die Krankenkasse übernimmt nur die Grundversorgung. Meine zwei Prothesen kosten rund 20.000 Euro. Nach fünf Jahren brauche ich wieder neue."

Unterwegs macht ihm vor allem das Schwitzen in den nicht atmungsaktiven Prothesen Probleme. "Ich fange dann an, rauszurutschen, muss immer wieder mal Pause machen. In der Wand ist das Prothesenausziehen aber unmöglich." Antitranspirantspray helfe, auch eine Salbe zur Vermeidung von allzu früher Druckstellenbildung. "Beim Glockner hatte ich nach den zwei Stunden vom Parkplatz rauf zur Stüdlhütte bereits Druckstellen. Mit Schmerzsalbe ging es dann einigermaßen."

Mit dem Rad unterwegs

Vor den Seven Summits hat Schwarzhuber 2022 versucht, Deutschland von Nord bis Süd mit dem Fahrrad in 48 Stunden zu durchqueren, schaffte die 1001 Kilometer aber wegen Knieproblemen nicht. Die Strecke von München nach Venedig über 463 Kilometer hat er in knapp 23 Stunden geschafft, trotz stundenlangen Regens und Sturzes bei einer Schienenquerung in Innsbruck, wo er sich am Knie und am Handgelenk verletzte und sein Rad schrottete.

Künftig will er immer wieder mal einen Berg besteigen, auch das Matterhorn reize ihn, auch wenn es "total überlaufen ist". Ein großes Ziel sei der Ironman auf Hawaii. Die halbe Distanz dieses Triathlons hat er vergangenes Jahr in Ingolstadt bereits gemeistert. (Thomas Hirner, 30.9.2023)

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