Bergkarabach Flucht
Inoffiziellen Informationen zufolge würden sich nur mehr höchstens "ein paar hundert" Menschen in Bergkarabach befinden.
AP/Vasily Krestyaninov

Stepanakert/Jerewan (Eriwan)/Baku – Fast zwei Wochen nach dem Großangriff Aserbaidschans auf Bergkarabach ist nach aserbaidschanischen Angaben eine UN-Mission in der mittlerweile nahezu menschenleeren Kaukasusregion eingetroffen. Ein Sprecher der aserbaidschanischen Präsidentschaft sagte der Nachrichtenagentur AFP, dass die UN-Mission am Sonntagmorgen in Karabach angekommen sei, um vor allem den humanitären Bedarf einzuschätzen. Es ist die erste UN-Mission für Bergkarabach seit über 30 Jahren.

Video: "Letzter Armenier" verlässt Bergkarabach
AFP/DER STANDARD/mvu

Allerdings haben inzwischen nahezu alle der geschätzt 120.000 armenischen Einwohner die Region fluchtartig aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen Aserbaidschans in Richtung Armenien verlassen.

Die Uno hatte zuvor mitgeteilt, von Baku grünes Licht für die Entsendung einer Mission in das Gebiet an diesem Wochenende erhalten zu haben. Die Europäische Union hatte Aserbaidschan am Freitag aufgerufen, Uno-Beobachter nach Bergkarabach zu lassen.

Die Mission müsse in den kommenden Tagen erfolgen, erklärte ein Sprecher der EU-Kommission am Freitag in Brüssel. Als Folge des aserbaidschanischen Militäreinsatzes vor eineinhalb Wochen sei "ein Massenexodus von Armeniern aus Bergkarabach im Gang". Die Menschen bräuchten dringend humanitäre Hilfe, hieß es.

Demonstrationen gegen Baku

Armenien hatte Aserbaidschan zuvor eine "ethnische Säuberung" vorgeworfen. Aserbaidschan weist die Anschuldigungen zurück. "Wir können den Vorwurf der ethnischen Säuberung oder des Völkermords nicht akzeptieren", sagte der außenpolitische Präsidentenberater Hikmet Hajijew am Samstag in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. Es habe "keinen einzigen Fall von Gewalt oder Gräueltaten gegen Zivilisten" gegeben, sagte Hajijew. Ohnehin sei es falsch, von "armenischen" Zivilisten in Bergkarabach zu sprechen.

Für Sonntag haben unterdessen armenische Gruppierungen aus vielen europäischen Ländern in Brüssel zu einer Demonstration gegen das Vorgehen Bakus aufgerufen. Armenien selbst rief für Sonntag einen nationalen Tag des Gebets für Bergkarabach aus. In den Kirchen des Landes läuteten die Glocken, der amtierende Patriarch der armenischen Kirche leitete einen Gottesdienst in der Hauptkathedrale des Landes in der Stadt Etschmiadsin nahe der Hauptstadt Jerewan.

100.000 Menschen auf der Flucht

Nach der Niederlage der pro-armenischen Kräfte gegen Aserbaidschan hatte die Führung von Bergkarabach am Donnerstag die Auflösung der selbsternannten Republik verkündet. In den vergangenen Tagen haben bereits mehr als 100.000 Menschen die Region Richtung Armenien verlassen.

Bergkarabach gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, es lebten dort bisher aber überwiegend ethnische Armenier. Die Region hatte sich 1991 nach einem Referendum für unabhängig erklärt. Dieses wurde international nicht anerkannt und von der aserbaidschanischen Minderheit boykottiert. (APA, 1.10.2023)