Noch ist vieles offen in der Slowakei. Robert Fico, der sich bei der Parlamentswahl am Samstag mit seiner linkspopulistischen Partei Smer klar an die Spitze setzen konnte, muss zunächst einmal eine Koalition zimmern, bevor er zum vierten Mal Premierminister werden kann. Der 59-Jährige hat dabei zwar sehr gute Karten – aber das eine oder andere Zugeständnis an seine potenziellen Partner wird wohl auch er machen müssen.

Robert Fico bei einer Pressekonferenz
Robert Fico bei einer Pressekonferenz am Tag nach der Wahl. Viele in Europa sehen eine düstere Zukunft für das Land.
AFP/VLADIMIR SIMICEK

Interessanter ist die Frage, in welche Richtung Fico das EU- und Nato-Land Slowakei lenken wird, sobald er wirklich erneut am Steuer sitzt. Die Anzeichen, die es bisher dafür gibt, sind durchaus widersprüchlich.

Vor allem bei vielen Partnern in der Europäischen Union und überhaupt im Westen gibt es die Sorge, dass ein weiteres Nachbarland der von Russland angegriffenen Ukraine bei der Unterstützung für Kiew künftig auf Distanz geht. Immerhin hat Fico angekündigt, "keine Patrone" mehr in die Ukraine schicken zu wollen. Mit seiner Sicht auf den Konflikt folgte Fico im Wahlkampf gar dem russischen Narrativ: Der Krieg habe "2014 begonnen, als ukrainische Nazis und Faschisten begannen, russische Bürger im Donbass zu ermorden".

Aber auch zu Hause sorgen Ficos Sieg und seine mögliche Rückkehr an die Macht für Sorgenfalten – und das nicht nur wegen der Russland-Politik. Manche fürchten, dass genau jene Verflechtungen von Ficos Umfeld mit Oligarchen und Teilen des Justiz- und Sicherheitsapparats wieder aktiv werden könnten, zu denen einst der junge Enthüllungsjournalist Ján Kuciak recherchiert hatte, bevor er 2018 gemeinsam mit seiner Verlobten Martina Kušnírová in seinem Haus erschossen wurde.

Schock sitzt in den Knochen

Die Täter sind längst zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, aber was die Drahtzieher betrifft, gibt es weiterhin viele Fragezeichen. Der Rücktritt Ficos als Regierungschef bald nach der Tat war freilich keinerlei Schuldeingeständnis; es war einfach der öffentliche Druck, dem er nicht mehr standhalten konnte. Dennoch: Dass Fico nun in einer demokratischen und freien Wahl wieder einen klaren Sieg einfahren konnte, schmerzt viele, denen der Schock von damals noch in den Knochen sitzt.

Auf der anderen Seite gibt es viel Beschwichtigung – nicht nur von Ficos Freunden. Dieser werde es sich, ist er erst einmal gewählt, in der Europa-Politik nicht mit den Partnern verscherzen wollen, heißt es oft. Zu abhängig sei das wirtschaftlich angeschlagene Land auch von Geldern der EU.

Vorerst ist auch nicht zu erwarten, dass sich die Smer leichtfertig aus der europäischen Sozialdemokratie verabschiedet. Und dass Fico einst als Premier darauf achtete, sein Land im europäischen Mainstream zu halten, und während seiner Regierung gar den Euro einführte, mag ebenfalls viele beruhigen.

Wie immer der Weg der Slowakei künftig aussieht: Ficos Rhetorik gegen die liberale Konkurrenz im Wahlkampf ließ tief blicken: Viele ihrer Kandidaten, erklärte er gebetsmühlenartig, seien etwa in NGOs aktiv – als ob das etwas Schlechtes wäre. Es ist die Urformel der Populisten: Zwischen den Regierenden und dem "Volk" soll es niemanden geben. Schon gar keine Interessengruppen, die Debatten anheizen und die Mächtigen infrage stellen. Dass damit Wahlen gewonnen werden, nicht nur in der Slowakei und nicht nur in Osteuropa, ist die eigentliche schlechte Nachricht. (Gerald Schubert, 2.10.2023)