Marko Stankovic, Sky, Wiener Derby
Sky-Experte Marko Stankovic fand am 341. Wiener Derby Gefallen.
Foto: Sky/Hofer

Rapid muss weiterhin auf den ersten Sieg in einem Wiener Fußballderby seit dem 1. September 2019 warten. Die Hütteldorfer erreichten am Sonntag im 341. Duell mit der Austria nur ein 0:0, obwohl sie vor 15.200 Fans in der Generali-Arena nach Gelb-Rot für James Holland (52.) und Rot für Matthias Braunöder (54.) lange Zeit zwei Spieler mehr auf dem Platz hatten. Marko Stankovic analysierte die Partie für den TV-Sender Sky. Er sieht bei Rapid Potenzial und bei der Austria ein gutes System.

STANDARD: Viele Beobachter sprechen von einem schlechten Wiener Derby. Zu Recht?

Stankovic: Diese Meinung kann ich nicht teilen, mir hat das Match aus taktischer Sicht gut gefallen. Wenn man viele Tore sehen will, ist man nach einem torlosen Remis natürlich enttäuscht. Inhaltlich war die Torlosigkeit aber das einzige Manko. Es gab Spannung, Emotionen und rote Karten. Ich habe einige Wiener Derbys gespielt, fußballerische Leckerbissen kann man sich in so einer Partie nicht erwarten.

STANDARD: Sie haben zwischen 2010 und 2014 elf Derbys für die Austria bestritten. War früher doch nicht alles besser?

Stankovic: Die Intensität stand immer im Vordergrund. Ich kann mich an viele hitzige Derbys erinnern. Einmal hatten wir einen Platzsturm im Hanappi-Stadion, ein anderes Mal musste Rapids Branko Boskovic nach einer halben Stunde mit Rot vom Platz. Da war immer Zunder dahinter. Spieler und Fans stehen unter Strom. In einem Derby ist das Ergebnis wichtiger als das Spielerische.

STANDARD: Hätte Rapid am Sonntag mit zwei Mann mehr spielerische Lösungen finden müssen?

Stankovic: Rapid hat die numerische Überlegenheit nicht optimal ausgenützt. Man ist zu Chancen gekommen, es waren aber zu wenige. Außenstehende stellen sich das zu leicht vor. Es ist möglich, aber alles andere als einfach. Die Austria hatte zwei Stürmer weniger, aber nicht zwei Verteidiger. Sie haben sich defensiv als Block gut aufgestellt.

STANDARD: Was hätte Rapid besser machen können?

Stankovic: Man hätte den Weg über die Seite suchen müssen, um die Defensive der Austria auseinanderzureißen. Mehr Geduld, schnelleres Passspiel. So oft spielt man nicht mit zwei Mann mehr. Das ist eine ungewöhnliche Situation. Sie hätten es hinbekommen können. Das soll aber nicht die Leistung der Austria schmälern. Mit acht Feldspielern so zu verteidigen ist aller Ehren wert.

Austrias Marvin Potzmann und Rapids Neraysho Kasanwirjo im Duell.
APA/EXPA/MAX SLOVENCIK

STANDARD: Hätte die Austria mit zwei Mann weniger noch etwas fürs Spiel tun können?

Stankovic: Nicht wirklich. Die zwei Spieler fehlen mehr, wenn man nach vorne etwas kreieren möchte. Das stand aber überhaupt nicht mehr auf der To-do-Liste der Austria. Da ging es nur noch darum, die Null zu halten und das Ergebnis über die Zeit zu bringen. Die Austria hatte nicht mehr die Möglichkeit, mit fünf Spielern in einen Konter zu gehen, sonst stehen ja nur noch drei hinten.

STANDARD: Die Wiener Vereine stecken nicht nur in einer Ergebniskrise. Was ist da los?

Stankovic: Rapid hat einen qualitativ sehr guten Kader. In der Offensive gibt es Spieler, die sicher zu den besten der Liga gehören. Man denke an Marco Grüll oder Nicolas Kühn. Das Potenzial wäre vorhanden, um zu Sturm Graz aufzuschließen. Aber sie bringen die PS nicht auf die Straße, die Konstanz fehlt. Ich sehe einen Fortschritt auf dem Platz, aber keinen in den Ergebnissen.

STANDARD: Und die Austria?

Stankovic: Ein ganz anderes Thema. Wir wissen um die finanzielle Situation des Vereins. Es ist nicht möglich, Spieler adäquat zu ersetzen. Trainer Michael Wimmer macht gute Arbeit, das Spielsystem passt. Aber sie agieren am Limit. Spielertypen, wie wir sie früher von der Austria kannten, sind für den Verein derzeit nicht zu bekommen.

STANDARD: Von den Schlüsselspielern hat nur Haris Tabakovic den Verein verlassen. Warum läuft es in dieser Saison trotzdem viel schlechter?

Stankovic: Tabakovic hatte eine extrem wichtige Rolle in der Mannschaft. Ein Vollprofi, der mitreißt, der andere Spieler auf ein neues Level hebt. Mit seiner Art des Spiels hat er die Kollegen quasi dazu gezwungen, richtige Entscheidungen zu treffen. Im Sommer kamen neue Spieler, die noch nicht funktionieren. Jetzt muss man improvisieren, das System ändern.

STANDARD: Aber ein zehnter Tabellenplatz muss es auch nicht sein.

Stankovic: Die Austria steht schlechter da, als sie sollte. Trotzdem muss man die Ziele in der wirtschaftlichen Situation neu definieren. Ich weiß, für die Wiener Klubs ist es schwierig, bei den eigenen Ansprüchen Abstriche zu machen. Jetzt heißt es aber um jeden Punkt kämpfen, um irgendwie noch in die Meistergruppe zu kommen. Das wird schwierig genug. (Philip Bauer, 2.10.2023)