Feldweg in Naarn
In Naarn (Bezirk Perg) wurde eine Joggerin von einem American Staffordshire angefallen.
APA/FOTOKERSCHI.AT/TARAS PANCHUK

Naarn – Nach dem tödlichen Hundebiss am Montagvormittag in Oberösterreich sind weiterhin Fragen offen. Eine Joggerin wurde dabei im Bezirk Perg von einem American Staffordshire Terrier mehrfach gebissen und erlag ihren Verletzungen bereits am Unfallort. Am Dienstag hat die Polizei die Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung gegen die Hundehalterin fortgesetzt. Die 37-Jährige konnte noch nicht zum Vorfall befragt werden, da sie beim Versuch, das Tier von der 60-Jährigen wegzuzerren, selbst verletzt und ins Linzer Uniklinikum eingeliefert wurde.

Laut Erhebungen der Polizei war die 37-jährige Hundehalterin am Montag gegen 9.15 Uhr mit dem Hund an der Leine auf einem Güterweg unterwegs. Zur selben Zeit joggte eine 60-Jährige vorbei. Plötzlich griff der American Staffordshire die Frau an, die Hundebesitzerin konnte das Tier nicht mehr bändigen. Das Opfer erlitt "multiple Bissverletzungen", so die Polizei. Der herbeigerufene Notarzt konnte nur noch den Tod feststellen. Da die Verstorbene weder ein Handy noch Dokumente bei sich hatte, konnte die Identität erst im Lauf des Montags zweifelsfrei geklärt werden.

Video: Joggerin tot gebissen - Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung.
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Vermutlich fehlender Maulkorb in Oberösterreich

Die Tierhalterin erlitt bei ihren Rettungsversuchen Verletzungen und kam ins Krankenhaus. Die zuständige Bezirkshauptmannschaft (BH) Perg sowie der Amtstierarzt wurden über den tödlichen Vorfall informiert und der betreffende Hund wurde wegen Gefahr im Verzug in Absprache mit drei Tierärzten eingeschläfert. Laut Polizei dürfte die Hundehalterin den American Staffordshire an der Leine geführt haben, das Tier trug aber wohl keinen Maulkorb. Die Staatsanwaltschaft Linz hat die Obduktion der verstorbenen Frau angeordnet.

Der Hund, der in Oberösterreich eine Frau tötete, war ein American Staffordshire Terrier.
Der Hund, der in Oberösterreich eine Frau tötete, war ein American Staffordshire Terrier.
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Die Hundebesitzerin und ihre Lebensgefährtin züchten offenbar American Staffordshire. Bürgermeister Martin Gaisberger (ÖVP) weiß davon, dass an der Wohnadresse des Paares fünf erwachsene Tiere leben und aktuell ein Wurf Junge. Beschwerden von Anrainern habe es bei ihm keine gegeben, meinte er zur APA. Auch behördlich liege nichts vor. Die Tiere seien ordnungsgemäß gemeldet, hieß es bei der BH. Vor wenigen Jahren waren die Frauen in das Haus mit Garten gezogen, sie haben auch ein Kleinkind. Mehr könne er zu der Jungfamilie nicht sagen, da sie eher zurückgezogen lebe. Am Dienstag hat die Gemeinde Naarn - zuständig für Hundehaltung - eine Maulkorbpflicht für die noch verbliebenen Hunde erlassen, die Tiere müssen den Beißschutz auch im Garten tragen. Außerdem müsse auch der Gartenzaun verstärkt werden. Weiters sei es wichtig, dass auch die Sicherheit des im Hause lebenden Kleinkindes gewährleistet werden kann.

Forderungen nach Änderungen im Hundegesetz

Unterschiedliche Stimmen fordern nun eine Überarbeitung der Richtlinien zur Haltung von speziellen Hunderassen. Im Jahr 2022 wurden in Oberösterreich 168 Hundebisse zur Anzeige gebracht. In jenen Bundesländern, in denen das Gesetz sogenannte Listenhunde definiert, steht der American Staffordshire Terrier auf dieser Liste. Für die Haltung dieser Rassen gelten eigene Voraussetzungen, die von Bundesland zu Bundesland variieren. In Oberösterreich bestehen keine besonderen Auflagen für die Haltung einzelner Hunderassen. Hundebesitzerinnen und Hundebesitzer müssen lediglich vorher einen sechsstündigen Sachkundekurs absolvieren. Hunde müssen an öffentlichen Orten im Ortsgebiet "an der Leine oder mit Maulkorb geführt werden. Die Leinen- oder Maulkorbpflicht betrifft alle Straßen, Gehsteige, Gehwege und Parks innerhalb der Ortstafeln 'Ortsanfang' und 'Ortsende'", heißt es auf der Website des Landes.

Der für Tierschutz zuständige Landesrat Michael Lindner (SPÖ) teilte mit, bereits "eine Evaluierung des Oö. Hundehaltegesetzes in Auftrag" gegeben zu haben. "Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, sondern müssen mit Fachleuten Gesetz und Vollzug kritisch durchleuchten", so der Landesrat. Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) merkte an, dass Vorschläge für ein strengeres Hundehaltegesetz "stets sehr emotionale Debatten ausgelöst" hätten, "die zusätzlich noch von uneinheitlichen Expertenmeinungen begleitet waren". Für ihn sei daher klar: "Die Menschen brauchen mehr Schutz vor Hundeattacken, das muss über allem stehen."

FPÖ und Grüne zeigten sich ebenso wie Lindner und Stelzer "erschüttert". Die FPÖ appellierte "unabhängig der Emotion" mit Experten über Regelungen zu diskutieren, damit Verbesserungen "sowohl zum Wohle des Menschen als auch der Hunde" getroffen werden", meinte Klubobmann Herwig Mahr. Die Grünen begrüßten die angekündigte Evaluierung, denn "Sicherheit der Bevölkerung hat oberste Priorität", so Klubobmann Severin Mayr. Auch die stellvertretende Neos-Klubchefin im Landtag, Julia Bammer forderte Nachschärfungen der "ultralaschen" Regelung in Oberösterreich.

Maulkorbpflicht und Welpenerziehung

Die Hunderasse American Staffordshire Terrier habe einen inneren Tötungsdrang, sagte die Hundeexpertin Inge Eberstaller zu ORF.at. Hunde dieser Rasse würden fester zubeißen und auch nach dem Tod eines Opfers aufgrund einer genetischen Veranlagung nicht damit aufhören. Die Expertin fordert zudem eine weitreichende Maulkorbpflicht speziell für diese Rasse, um das Verletzungsrisiko zu minimieren.

Robert Markschläger vom Österreichischen Kynologenverband, einer Dachorganisation für Hundeklubs, sagte der "Kleinen Zeitung", dass das Verhalten des Staffordshires aus Oberösterreich auf einen Berührungsreiz zurückführen sei. Markschlager fordert eine artgerechte Erziehung von Welpen, um positive Erstkontakte mit Menschen zu schaffen. Von Rasselisten ist er nicht überzeugt, es komme nie auf die Rasse an, sondern auf die Halterin oder den Halter des Hundes.

In einer Pressemitteilung spricht sich auch die Organisation Tierschutz Austria gegen die Listenregelung bei Hunden aus und warnt vor einer Pauschalisierung bei manchen Hunderassen. Listen, die spezielle Maßnahmen für einige Hunderassen vorschreiben, seien zwar weit verbeitet, aber nutzlos. Laut einer Studie aus dem Jahr 2022 seien nur neun Prozent des Verhaltens eines Hundes durch dessen Rasse bestimmt, wie die Tierschutzorganisation zitiert. In der Mitteilung wird ein Hundebissregister gefordert, das alle Angriffe von Hunden dokumentiert und Daten zum Kontext, der Rasse und den Opfern speichert.

KFV: Verzicht auf strengere Regeln "fatale Fehleinschätzung"

Der Fachbereich Freizeitsicherheit im Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) fordert für Oberösterreich hingegen strenge Regeln, wie es sie "in Wien oder auch in Niederösterreich und Vorarlberg gibt". Heuer seien in Oberösterreich bereits zahlreiche Menschen von Hunden gebissen worden, darunter auch kleine Kinder. Konkret werden in der Presseaussendung sieben Vorfälle mit schweren Verletzungen aufgelistet. Der Verzicht auf strenge Regeln für Listenhunde im Zuge der Änderung des Hundehaltegesetzes vor zwei Jahren in Oberösterreich sei eine "fatale Fehleinschätzung" gewesen, die laut KFV korrigiert werden müsse. Als Vorbild wird Wien genannt, wo Listenhunde im öffentlichen Raum nicht nur an die Leine müssen, sondern auch einen Beißkorb tragen müssen. Zudem müssen die Besitzer einen Hundeführscheinprüfung ablegen und diese bereits nach zwei Jahren auffrischen. Ferner gilt für Halter von Listenhunden ein Alkohollimit von 0,5 Promille.

Als Vorbild wird Wien genannt, wo jene Listenhunde im öffentlichen Raum nicht nur an die Leine müssen, sondern auch ein Beißkorb tragen müssen. Zudem müssen die Besitzer einen Hundeführschein ablegen und diesen bereits nach zwei Jahren auffrischen. Ferner gilt für Halter von Listenhunden ein Alkohollimit von 0,5 Promille.

"Das war bei uns ein sehr umfassendes Diskussionsthema", erinnerte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) heute am Rande einer Pressekonferenz an die Debatte, die vor der Einführung der strengeren Regeln im Jahr 2010 geführt wurde. Die damals zuständige Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) habe sich damals auch Kritik anhören müssen. "Auch dieser Fall bestätigt wieder, dass das richtig war, dass wir in Wien in die Offensive gegangen sind. Trotz heftigster Diskussionen, die es damals gegeben hat." Ein generelles Verbot sei in Wien nicht angedacht, diese Frage müsse man österreichweit klären, betonte er. (Sanna Sailer, 3.10.2023)