Der Hund, der in Naarn in Oberösterreich eine Joggerin tötete, war ein American Staffordshire Terrier.
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Martin Gaisberger ist Bürgermeister von Naarn in Marchland. Einer kleinen Marktgemeinde in Oberösterreich, in der die ländliche Idylle Montagvormittag ein jähes Ende fand. Auf einem schmalen Feldweg im Ortsteil Sebern in Au an der Donau kam es zu einer tödlichen Hundeattacke. Was genau an diesem Morgen passiert ist, ist derzeit noch Gegenstand der polizeilichen Ermittlungen. Fix ist jedenfalls, dass der American Staffordshire Terrier Elmo rund 200 Meter von seinem Zuhause entfernt ohne Vorwarnung eine 60-jährige Joggerin angriff.

Die Frau verstarb noch vor Ort an den Folgen ihrer schweren Verletzungen. Die Hundebesitzerin, die mehrere Tiere hält, konnte den Rüden dann noch zurück ins Haus bringen und einsperren – wurde dabei aber selbst verletzt. "Mir fehlen eigentlich die Worte. Ich war gestern am Unglücksort und bin mit den Angehörigen in Kontakt. Es ist herzzerreißend", schildert Bürgermeister Gaisberger die Situation. Die Hunde seien jedenfalls vorher noch nie auffällig gewesen. Gaisberger: "Im Ort und speziell in der Nachbarschaft herrscht jetzt natürlich große Angst. Das besagte Tier wurde bereits eingeschläfert, über eine mögliche Abnahme der anderen Hunde werden wir noch entscheiden."

"Rasse nicht das Problem"

Für die erfahrene Ennser Hundetrainerin Silke Katzensteiner ist trotz allem nicht die Rasse das Problem: "Ich kenne den Hund nicht, und es ist schwer zu sagen, warum das Tier so reagiert hat. Letztlich liegt das Fehlverhalten aber fast immer beim Menschen. Die Rasse ist definitiv nicht das Problem. Ein Hund ist nie nur aufgrund der Rasse aggressiv." Aber man müsse als Besitzer wissen, wozu der Hund gezüchtet wurde. "Nehme ich einen Golden Retriever, so habe ich ein Tier, das sich unterordnet. Einen Hund, der quasi vor jeder Handlung seinen Menschen um Rat fragt. Diese Hunde haben diesen 'will to please'. Bei einem American Staffordshire Terrier ist das anderes. Ein sehr eigenständiges, willensstarkes Tier. Das muss ich als Besitzer wissen." Oft sei das Problem auch die mangelnde Auslastung. Katzensteiner: "Wenn die Bewegung fehlt, weil ich mit dem Hund an der Leine nur rund ums Haus gehe, dann ist die Gefahr groß, dass das Tier Verhaltensauffälligkeiten entwickelt."

Video: Joggerin tot gebissen - Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung.
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So ein Vorfall passiere aber nie ohne Vorzeichen, zumeist gebe es schon frühere Auffälligkeiten. Das sei "ein Hund, der zwickt oder sich in bestimmten Situation auffällig verhält, konkrete Themen hat mit fremden Menschen, mit anderen Hunden", erläutert die Expertin. Prinzipiell gebe es immer eine Eskalationsleiter: "Kein Hund attackiert aus heiterem Himmel, ganz ohne Vorzeichen. Der Hund durchläuft vor einem Zwischenfall bestimmte Stufen. Es gibt die 'calming signals', sogenannte Beschwichtigungssignale – diese Eskalationsleiter durchspielt jeder Hund." Man müsse als Besitzer die Körpersprache des Hundes kennen und richtig darauf reagieren. "Wenn ein Hund merkt, dass der Mensch verstanden hat, was los ist, wird er nicht die nächste Stufe der Eskalationsleiter nehmen." Komme hingegen keine Reaktion, werde der Hund einen Schritt weitergehen. Von einer generellen Beißkorbpflicht bei sogenannten Listenhunden hält die Hundetrainerin aber nichts.

Ruf nach strengeren Gesetzen

Ganz anders sieht man das beim Kuratorium für Verkehrssicherheit: Dieses fordert eine Anpassung der gesetzlichen Regelungen in allen Bundesländern "an das Wiener Vorbild". Auch Niederösterreich und Vorarlberg haben strengere Regeln für die Haltung von im Volksmund als Kampfhunde bezeichnete Hunderassen erlassen, die strengsten gelten jedoch in der Bundeshauptstadt: Sie betreffen elf Hunderassen, darunter der American Staffordshire Terrier, aber auch Rottweiler oder der Pitbullterrier.

Wer einen der Listenhunde in Wien besitzen will, muss zuvor eine Prüfung absolvieren. Durch diese erlangt man den Hundeführschein, der erst dazu berechtigt, so ein Tier zu halten. Außerdem gilt an allen öffentlichen Orten Beißkorb- und Leinenpflicht. Wer sich nicht daran hält, muss mit 100 Euro Strafe rechnen. Und wer einen Listenhund ausführt, darf in Wien nicht mehr als 0,5 Promille Alkohol im Blut haben. Verstößt man gegen die Promillegrenze, muss sogar mit Strafen in der Höhe von bis zu 1.000 Euro gerechnet werden. Im Herbst 2018 war ein 17 Monate alter Bub in Wien von einem Rottweiler angefallen und so schwer verletzt worden, dass er im Spital verstarb. Die Hundehalterin war betrunken, als sie mit ihrem Tier spazierenging. Das Tierhaltegesetz wurde daraufhin verschärft.

"Das Entscheidende ist die Leinen- und Beißkorbpflicht", sagt Armin Kaltenegger, Leiter der Rechtsabteilung beim Kuratorium für Verkehrssicherheit. Eine Leinen- und Beißkorbpflicht für bestimmte Hunderassen gilt auch in Niederösterreich, in Vorarlberg sind Listenhunde bewilligungspflichtig, die Behörde entscheidet dann mittels Bescheid über Maulkorb und Leinenzwang. Kaltenegger zufolge sei der Erstellung der Hundeliste in Wien ein langer, wissenschaftlich fundierter Weg vorausgegangen. Es gehe nicht nur um den Charakter bestimmter Hunde, sondern auch um andere Kriterien, wie etwa deren Beißkraft.

In anderen Bundesländern gibt es keine gesonderten Regeln für die Haltung bestimmter Hunderassen. In der Steiermark, Salzburg und Oberösterreich müssen Halterinnen und Halter von Hunden (egal welcher Rasse) ein bestimmtes Sachwissen erwerben. In Tirol, dem Burgenland und Kärnten ist das nicht vorgeschrieben. Bei Auffälligkeiten, wenn ein Hund also bissig ist, können aber behördliche Maßnahmen erfolgen. "So eine reaktive Regelung ist ziemlich ineffektiv", sagt Kaltenegger.

Dem KFV zufolge zeigen Hochrechnungen, die auf Befragungen von Unfallopfern fußen, dass jedes Jahr in Österreich zwischen 3.000 und 4.000 Menschen nach Hundebissen so schwer verletzt werden, dass sie im Spital behandelt werden müssen – darunter rund 800 Kinder. Beim KFV weiß man zudem von mindestens fünf tödlichen Zwischenfällen mit Hunden in den Jahren 2014 bis 2021. (Markus Rohrhofer, Gudrun Springer, 3.10.2023)